Essen. Die Show „Bookshop“ erweckt im GOP Essen literarische Helden zwischen Bücherregalen zum Leben. Was OB Thomas Kufen bei der Premiere begeisterte.
Mancher möchte nachts im Kaufhaus oder im Museum eingeschlossen sein. Doch lassen Sie sich sagen: Im „Bookshop“ des GOP geht es weitaus spannender zu. Wo sich tagsüber Kunden mit speziellen Wünschen tummeln, erwachen nachts literarische Helden zum Leben und geben ihre artistische Kunst zwischen Bücherregalen zum Besten. „Ein toller Abend mit viel Energie, Dynamik und französischem Charme. Der ,Bookshop’ an der Rottstraße akrobatisch durcheinandergewirbelt. Eine klassische GOP-Show“, meint Oberbürgermeister Thomas Kufen, der das Varieté zur Premiere beehrte und damit ein klares Bekenntnis zur kulturellen Vielfalt der Stadt abgibt.
Recht hat er. Zumindest im Hinblick auf das Zusammenspiel von Artistik, Humor und Musik. Aber ansonsten ist es eine ungewöhnliche und von Regisseurin Sabine Rieck perfekt abgestimmte Show, die die Möglichkeiten des Raumes voll auskostet. Von der Wanne, über ein Hotel bis hin zur Hafenspelunke haben GOP-Programme gefühlt schon überall gespielt. Diesmal hat sich die künstlerische Direktorin des GOP, Sandra Wawer, von einem Besuch des Festivals Cirque de Demain und kleinen Buchläden in Paris inspirieren lassen.
Momo, Crusoe und Romeobevölkern den GOP-Buchladen
Momo, die kleine Meerjungfrau, Detektiv Dick Tracy, Kapitän Ahab aus „Moby-Dick“, Robinson Crusoe, die Braut aus „Kill Bill“, Romeo und Julia – sie alle versammeln sich in der Buchhandlung von Frau Sonntag und präsentieren die fabelhafte Welt der Amélie Demay (bekannt aus „La Luna“), die hinreißend mit ihrem Mann Michélé Chen zum Tango verschmilzt, auf dem Kopf Gitarre spielt und mit ihrem schrägen amerikanischen Gehilfen Nigel alias Joel Baker Physical Comedy betreibt. Im Kampf mit der Leselampe legt er eine hinreißend komische Nummer hin. Was er wohl gerade im Handstand liest? Vielleicht „Momo“, deren Artistin Bekka Rose eine Keulenjonglage in Bewegung zelebriert, während graue Zeitdiebe sie Zigarre rauchend auf Hoverboards umschwirren.
Aber auch die Postboten beweisen, dass sie mehr können als Pakete austragen. Alex und Vlad, Künstler aus der Ukraine, zeigen mit ihren Ikarischen Spielen blitzschnelle Drehungen und Wendungen, Saltos und Kaskaden. Aus einer ihrer Lieferungen entsteigt die auf Rache programmierte Braut aus „Kill Bill“ – Quentin Tarantino hat tatsächlich zum Film ein Buch veröffentlicht – und lässt Reifen cool um sich kreisen. Gwenadou Schroeckleloeck, Spross einer Zirkusfamilie, verzaubert so Clown Joel Baker, der Glück im Unglück hat. Weder muss er sterben, noch werden sie ein Liebespaar.
Das müssen auf Wunsch einer Kundin Shakespeares „Romeo und Julia“ erledigen. Simon Joubert und Bénédicte Petit vom französischen Duo Frénésie schaffen das mit einer atemberaubenden Nummer am Chinese Pole. Wie sie Körperbeherrschung und Leidenschaft im Aufstieg und Fall am Mast vereinen, ist erstklassig. Die beiden hält kein Balkon auf. Und die grandiose Band Triole begleitet sie alle mit eigens dafür komponierter Musik, greift Stimmungen auf, verstärkt sie mit Akkordeon, Kontrabass und Percussion. Ein Genuss, den der junge Vertretungsmusiker an den Schlagstöcken, Joachim Dette, noch intensivieren konnte.
Nicht steigerungsfähig? Auf ganz ungewöhnliche Art schon. Auf dem schmalen Grat zwischen Sein und Nichtsein bewegt sich auch die junge belgische Luftartistin Helena Jans. Sie nimmt in Gestalt eines Knochenmanns die Liebe, das Leben und den Tod eng umschlungen mit auf ihrem Himmelsritt an den Strapaten und kreiert einen Akt, der nur auf den ersten Blick morbide erscheint, doch eigentlich sehr berührend und poetisch ist. Dabei sein ist alles. Es lohnt sich. Das Publikum feierte den Abend und seine Künstler mit frenetischem Applaus.