Essen. Der Klimawandel und die Folgen von Orkan „Ela“ setzen Essens Straßenbäumen zu. Tausende wurden nachgepflanzt. Doch damit ist es nicht getan.
Der junge Ahorn hat sich bislang prächtig entwickelt. In den kommenden 25 Jahren werden Baumpfleger im Auftrag von Grün und Gruga regelmäßig kleinere Äste aus der Krone herausschneiden, damit der Baum zu einem stattlichen Straßenbaum mit möglichst langer Lebenserwartung heranwächst.
Der Ahorn, der seit nunmehr drei Jahren an der Grieperstraße in Altendorf am Ufer des Niederfeldsees Wurzeln schlägt, ist einer von rund 9300 Bäumen, die die Stadt Essen innerhalb eines Jahrzehnts an Haupt- und Nebenstraßen nachgepflanzt hat. Mit dem Nachpflanzen kommt Grün und Gruga kaum nach. „Wir sind aktuell 600 Bäume hinten dran“, sagt Norbert Bösken vom städtischen Forstbetrieb. Bis ein Baum ersetzt wird, können bis zu eineinhalb Jahre vergehen.
Allein diese Zahlen sind bemerkenswert. Gleiches gilt für den Aufwand, den Grün und Gruga betreibt, um Straßenbäume zu erhalten. Denn dieser Aufwand ist beträchtlich – aber erforderlich.
Dass die Stadt Essen mehr für Straßenbäume tun muss, ist eine Erkenntnis nach „Ela“
Davon konnte sich, wer wollte, bei einem „Stadtspaziergang“ ein Bild machen, zu dem Grün und Gruga nach Altendorf eingeladen hatte. Als sich die etwa zwölfköpfige Gruppe auf den Weg macht, wird schnell klar: So manchem ist der Aufwand nicht groß genug.
Dass die Stadt mehr tun muss für ihre Straßenbäume, ist eine Erkenntnis, die Grün und Gruga aus den verheerenden Folgen gewonnen hat, die das Sturmtief „Ela“ anrichtete, als es Pfingsten 2014 über Essen hinwegbrauste. Bäume wurden entwurzelt, Kronen verdreht, schwere Äste brachen ab – von den rund 200.000 Bäumen, die an Straßen, in Parks und öffentlichen Grünanlagen wachsen, nahm jeder zehnte Schaden.
Wo möglich und aus Sicherheitsgründen vertretbar, versuchte die Stadt beschädigte Bäume zu erhalten, sagt Sprecher Martin Gülpen. Was Baumpfleger in Essen vorexerzierten, sei inzwischen gängige Praxis in der Baumpflege. Aber: „Es bleiben Dauerpatienten“, sagt Gülpen.
Der Klimawandel setzt den Straßenbäumen zu
Tausende Bäume seien nach „Ela“ nicht mehr zu retten gewesen. Und jenen, die überlebt haben, setzt der fortschreitende Klimawandel zu. Jeder vierte Straßenbaum schwächelt. Diese Bilanz, gezogen nach drei viel zu trockenen Sommern, gilt noch immer. Und es gilt die vom Rat der Stadt formulierte Maxime, dass für jeden Straßenbaum, der gefällt wird, ein neuer Baum gepflanzt wird.
Erst kürzlich musste sich Grün und Gruga den Vorwurf von „Extinction Rebellion“ gefallen lassen, man sei zu schnell mit der Säge bei der Hand. Bäume würden aus rein wirtschaftlichen Erwägungen gefällt. Die Klimaschutzaktivisten, die durch Straßenblockaden auf sich aufmerksam gemacht haben, haben einige ihrer Aussagen inzwischen als zu pauschal zurückgenommen. Aufrecht aber erhalten sie ihren Vorwurf, die Stadt schaffe durch mangelnde Baumpflege selbst die Voraussetzung dafür, dass Bäume gefällt werden müssten. Der Zustand vieler Baumbeete sei mangelhaft.
Straßenbäume werden laut Grün und Gruga nicht mehr einfach eins zu eins ersetzt
Beispiele dafür lassen sich leicht finden. Auch bei Grün und Gruga wissen sie, dass viele Standorte alles andere als optimal sind. Auch das ist eine Erkenntnis nach „Ela“. Man bemühe sich, die Lebensbedingungen für Straßenbäume zu verbessern. Bäume werden nicht einfach eins zu eins ersetzt. Bevor ein junger Baum gepflanzt wird, werde der Boden analysiert. Wenn möglich, werde das Baumbeet vergrößert, sodass die Wurzeln mehr Platz finden. Allerdings gibt es miteinander konkurrierende Interessen, insbesondere in dicht bebauten Stadtvierteln, so Bösken. Anwohner wollen ihre Autos parken.
Bei der Auswahl der zu pflanzenden Bäume wird inzwischen mehr Wert auf Artenvielfalt gelegt, damit im Falle eines Schädlingsbefalls nicht alle Bäume in einem Quartier betroffen sind. Die Stämme der jungen Bäume erhalten zudem einen weißen Anstrich, der sie vor intensiver Sonneneinstrahlung schützen soll. Die Kronen werden regelmäßig geschnitten, auch damit sie nicht zu dicht an die Hausfassaden heranreichen und in zu geringer Höhe auf die Fahrbahn ragen.
Beim Stadtspaziergang äußerten Teilnehmer daran Kritik, bilden die Bäume doch weniger Biomasse. Doch große Fahrzeuge wie Müllwagen sollen rangieren können. So ist der Umgang mit Straßenbäumen auch ein Kompromiss.