Essen. Die Zahl junger Flüchtlinge steigt, andernorts werden sie schon in Turnhallen untergebracht. In Essen leben 40 von ihnen in einem früheren Hotel.

Sie kommen aus aller Welt und leben nun in Essen im Hotel: 40 Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren sind dort untergekommen und werden von Plan B Ruhr e.V. betreut. Mit Sorge beobachtet der Sozialträger, dass die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF) wieder ansteigt – und die ersten Kommunen mit der Unterbringung überfordert sind. „In Bochum mussten Jugendliche in Turnhallen untergebracht werden. Das ist kein Zustand für die jungen Menschen, die ohne ihre Eltern hier ankommen“, sagt Plan B-Geschäftsführerin Gülseren Çelibi.

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Um Abhilfe zu schaffen, habe man daher das frühere Hotel in der Essener Innenstadt gemietet und junge Flüchtlinge aufgenommen, die der Stadt Bochum zugewiesen waren. „Wir sind Anfang August mit zehn Plätzen gestartet und haben dann eine Etage nach der anderen belegt.“ Der Mietvertrag läuft bis Mitte 2023. Vorerst. Mittlerweile nutzt auch die Stadt Essen das Angebot: Sie belegt nun 14 der Plätze in der provisorischen Unterkunft.

„Viele haben weder Unterwäsche noch Wechselsachen. Leider können einige jetzt schlecht rausgehen, weil sie keine festen Schuhe haben“, sagt Sozialpädagogin Gülbahar Altinisik, über die jugendlichen Flüchtlinge, die in einem früheren Hotel in Essen untergebracht sind.
„Viele haben weder Unterwäsche noch Wechselsachen. Leider können einige jetzt schlecht rausgehen, weil sie keine festen Schuhe haben“, sagt Sozialpädagogin Gülbahar Altinisik, über die jugendlichen Flüchtlinge, die in einem früheren Hotel in Essen untergebracht sind. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Es ist eine erste Anlaufstelle für die jungen Flüchtlinge, die oft in Sommerkleidung und Badeschlappen hier ankommen. „Viele haben weder Unterwäsche noch Wechselsachen“, sagt Gülbahar Altinisik, die die Brücke-Gruppe im Hotel leitet. Die Waschmaschine laufe ohne Pause. „Wir machen eine Grundversorgung, kümmern uns auch, wenn die Jugendlichen krank sind oder zum Beispiel wegen Krätze behandelt werden müssen. Vor allem sollen sie erstmal ankommen, sich ausruhen“, sagt die Sozialpädagogin.

Spendenkonto und Sammelstelle für Sachspenden

Viele der geflüchteten Jugendlichen sind in Sommersachen in Deutschland eingetroffen. Sie benötigen Sweatshirts, Hosen, warme Jacken und feste Schuhe sowie Mützen und Schals. Kleiderspenden sollten gut erhalten und sauber sein. Sammelstelle für die Sachspenden ist die Plan B-Einrichtung an der Krayer Straße 208 in Essen. Ansprechpartnerin ist dort Shiva Shafiei: 0201-890788-53 oder -61, mobil: 0152-08519345

Geldspenden können auf das Konto von Plan B Ruhr e.V. gehen bei der Sparkasse Bochum: DE70 4305 0001 0042 4285 73; Stichwort „UMF Brücke“.

Sie gehen noch nicht zur Schule, können aber an ersten Sprachkursen teilnehmen und bekommen Informationen zu Jugendhilfe und Asylverfahren. Viele der 20 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sprechen neben Deutsch eine der Muttersprache der Jugendlichen von Arabisch bis Französisch. Im Sommer konnten die auch mal draußen Cricket oder Fußball spielen, zuletzt stand eher WM-Gucken, Spieleabend oder Plätzchen backen auf dem Programm.

Essener Hotel wird zum Zuhause auf Zeit

„Die Jugendlichen sind offen. Viele kennen Weihnachten nicht, sind aber bei der Weihnachtsfeier dabei“, sagt Gülbahar Altinisik. Vor allem die jüngeren Bewohner hätten auch beim Christbaumschmücken geholfen. Natürlich gab es schon Ausflüge zum Weihnachtsmarkt, der um die Ecke liegt. „Leider können einige jetzt schlecht rausgehen, weil sie keine festen Schuhe haben.“

„In Bochum mussten Jugendliche in Turnhallen untergebracht werden. Das ist kein Zustand für die jungen Menschen, die ohne ihre Eltern hier ankommen“, sagt Gülseren Çelibi, Geschäftsführerin des Sozialträgers Plan B.
„In Bochum mussten Jugendliche in Turnhallen untergebracht werden. Das ist kein Zustand für die jungen Menschen, die ohne ihre Eltern hier ankommen“, sagt Gülseren Çelibi, Geschäftsführerin des Sozialträgers Plan B. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Manche der jungen Hotelgäste stammen aus afrikanischen Ländern wie der Elfenbeinküste, andere kommen aus Syrien, ein Junge aus der Ukraine. Da sie ohne Eltern angereist sind, bekommen sie einen Vormund und werden möglichst rasch in Regelwohngruppen weitervermittelt, wie sie auch Plan B in einigen Ruhrgebietsstädten anbietet. 46 Wohngruppenplätze hat der Träger allein in Essen, dazu kommen Angebote vom Kinderschutzhaus bis zur Verselbständigungsgruppe, die aufs Alleinleben vorbereitet.

Islim (17) ist ohne ihre Eltern aus Syrien nach Essen gekommen

Die 40 Hotelgäste sollen maximal zwei Wochen bleiben, bis das passende Zuhause gefunden ist. Die Fluktuation ist hoch: 230 Kinder und Jugendliche haben seit August in der Brücke-Gruppe gewohnt. Es gibt eine Wand mit 40 Porträtfotos und wichtigen Infos wie Muttersprache und Tag des Einzugs – sie muss praktisch täglich aktualisiert werden. „Mein Tag fängt mit einer Liste an und hört mit einer Liste auf“, sagt Altinisik. Das werde sich zwischen den Jahren nicht ändern: „Die Wechsel laufen weiter, das Jugendamt meldet sich auch dann.“

Islim wird die Feiertage im Hotel verbringen: Die 17-Jährige stammt aus Syrien und ist vor zwölf Tagen angekommen, ein Cousin hatte sie begleitet. Das Leben im fremden Land empfindet sie noch als traurig: „Ich bin allein, meine Familie ist nicht hier, ich kann kein Deutsch“, übersetzt eine Mitarbeiterin. Sie ist eins von nur zwei Mädchen die in dem Hotel leben und vom Team stärker eingebunden werden als die Jungs, die auch mal allein in die Stadt gehen. Islim, die bis zur achten Klasse die Schule besucht hat, würde ihre Schullaufbahn gern hier fortsetzen. Ihre Wünsche für 2023: „Ich möchte schnell Deutsch lernen – und meine Familie wiedersehen.“