Essen. Goldener Mataré-Engel hatte im Sturm einen Arm verloren. Nach aufwendiger Restaurierung thront das Wahrzeichen wieder auf Essens Bischofshaus.
Wenn Engel fliegen, müssen viele mitanpacken. Techniker, Restauratoren und Kunstspediteure sind an diesem Vormittag rund um die Hebebühne vorm Bischofshaus versammelt, haben der goldglänzenden Figur grüne Haltegurte anlegt und halten für einen Moment den Atem an, als der Engel über ihren Köpfen allmählich in die Höhe schwebt. Auf dem Dach des Essener Bischofshauses soll der vergoldete Mataré-Engel nun wieder gut sichtbar den Weg in die Welt weisen und allen künftigen Stürmen trotzen.
Vor über anderthalb Jahren aber hatte ihn eine heftige Böe erwischt und den rechten Arm abgebrochen. Das goldene Gliedmaß war seither nicht mehr auffindbar. Andrea Wegener, Leiterin der Domschatzkammer, erinnert sich noch gut an die schreckensreiche Entdeckung. Tagelange hatte man die Umgebung nach dem verlorenen Arm abgesucht und auf Hinweise aus der Bevölkerung gehofft. Am Ende hatte die Versicherung sogar einen Finderlohn ausgesetzt. Vergebens. Der vergoldete Engel-Arm ist bis heute verschollen. Ob ihn ein unbedachter Finder als Souvenir mit nach Hause genommen hat oder ein Entdecker auf einen vermeintlichen Goldschatz hoffte, ist ungewiss.
Der abgebrochene Engel-Arm ist bis heute verschollen
Weit höher als der Materialwert wog damals jedenfalls der kunsthistorische Verlust. Dass die ungewollte Kunst-Amputation am Ende trotzdem glimpflich ausgegangen ist und behoben werden konnte, ist dem Museum Kurhaus Kleve zu verdanken, wo ein zweiter Engel des Bildhauers Ewald Mataré zu Hause ist.
Beide Bronze-Güsse stammen aus der gleichen Form – nur der Essener Engel wurde vergoldet. Nach dem Abriss konnte der Arm des zweiten, noch intakten Engels nun als Vorbild dienen. In einer Düsseldorfer Kunstgießerei wurde im Sommer also eine neue Form hergestellt und der Ersatzarm gegossen. Und wo Essens Engel nach 66 Jahren schon erstmals steinen Stammplatz auf dem Dach des Bischofshauses verlassen hatte, bekam er auch gleich noch eine neue Vergoldung. Zudem konnte Restaurator Karl Tobias Friedrich die Stabilität der Figur in Augenschein nehmen und unter anderem ein etwas loses Flügelende wieder fixieren.
Statt einer Eisenstange sorgt nun außerdem eine rostfreie Edelstahlstange für mehr Stabilität der 1,36 Meter hohen Figur. Die wirkt zwar ungemein filigran, bringt nach Angaben von Domschatzmeister Ralf Meyers aber immerhin um die 150 Kilogramm auf die Waage. Damit sie auf dem Dach auch ausreichend Halt findet, wurde sie nun mit einem speziellen Klebemörtel besonders standfest gemacht. Zuvor musste allerdings die Verankerung der Vergangenheit entfernt werden. „Man hat es damals gut gemeint“, sagt Meyers. Zwei Tage habe man benötigt, um den schweren, alten Bleiklotz in Handarbeit herauszuhebeln.
Das Gesamtkunstwerk thematisiert den Sieg des Lebens über den Tod
Dass der Engel nun passend zur Adventszeit wieder auf dem Bischofshaus thront und über die Innenstadt wacht, freut nicht nur Domprobst Thomas Zander. Komplettiert ist damit auch wieder das künstlerische Gesamtensemble, das der Künstler Ewald Mataré 1956 schuf. Gemeinsam thematisieren die Gitter des Eingangs und im ersten Stock, die Steinfriese links und rechts sowie der nun zurückgekehrte Engel den Sieg des Lebens über den Tod. Finanziert wurden die Kunstwerke damals übrigens durch eine Spende der Firma Krupp.
Eigentlich sollte das kunstvoll geschmückte Portal fortan den Eingang der Schatzkammer zieren, so war es nach dem Krieg geplant. Mit der Gründung des Bistums Essen 1958 wurde die Domschatzkammer dann aber in ein nebenstehendes Gebäude verlegt und das Pfarrhaus wurde Wohnsitz des amtierenden Essener Bischofs.
Bischof Franz-Josef Overbeck hat sich vor einigen Wochen übrigens persönlich von der gelungenen Arm-OP in der Düsseldorf Kunstgießerei Kayser überzeugt. Ab sofort wird der Mataré-Engel mit dem wegweisenden Finger wieder über seinem Wohnhaus wachen.