Essen-Steele. „Manchmal muss man die Nachbarschaft vor denen schützen, die sie kaputt machen wollen.“ Warum es für dieses Bekenntnis jetzt einen Preis gab.
Das Bürgerbündnis „Mut machen – Steele bleibt bunt“ wurde am Donnerstagabend in Berlin mit dem Deutschen Nachbarschaftspreis 2022 in der Kategorie Vielfalt ausgezeichnet. Der Preis ist mit 5000 Euro dotiert und wird jährlich von der nebenan.de Stiftung ausgelobt.
In der Begründung der Jury heißt es: „Manchmal muss man die Nachbarschaft vor denen schützen, die sie kaputt machen wollen. Diese Initiative setzt auf Vielfalt statt rechter Töne“. Und weiter: „Das Projekt setzt Akzente für friedlichen und solidarischen gesellschaftlichen Zusammenhalt und wehrt sich mit eigenen Inhalten gegen die Indoktrination von rechts.“
Das Bündnis hatte sich 2018 als Gegenbewegung zur erstarkenden rechten Szene in Steele gegründet. Gemeinsam mit dem Forum für inklusive Kultur an der Billebrinkhöhe und dem Literaturfestival „Literaturdistrikt“ (früher: Literatürk) organisiert die Initiative unter anderem regelmäßig Konzerte, das Steeler Nachbarschaftskino und die Diskussionsreihe „Steeler Gespräche“, bei der Expertinnen und Experten zu den Themen Rassismus, rechte Hetze und Hass eingeladen werden. Im Juni dieses Jahres hat das Bürgerbündnis nach 2019 zudem zum zweiten Mal den Tag der offenen Gesellschaft in den Ruhrwiesen ausgerichtet – ein Stadtfest, das ein Zeichen für Frieden und Toleranz setzen soll.
Pianist in den Trümmern
Am Freitag, 25. November, lädt „Mut machen - Steele bleibt bunt“ gemeinsam mit dem Forum Billebrinkhöhe, dem Festival „Literaturdistrikt“ und dem Kulturzentrum Grend um 19 Uhr zu einem Konzert von Aeham Ahmad und Nora Benamara ins Forum an der Billebrinkhöhe 72. Ahmad wurde über Youtube als „Pianist in den Trümmern“ bekannt – er hatte sich im von Bomben zerstörten Yarmouk ans Klavier gesetzt, um die Menschen aufzumuntern. Gemeinsam mit Benamara hat er nun für die CD „Sununu“ arabische Volksmusik, Jazz und Chansons aufgenommen. Der Eintritt ist frei; eine Anmeldung erwünscht: reservierung@bille-forum.de oder telefonisch unter 45882246. Es geht ein Spendenhut herum.
Anfeindungen von Seiten der rechten Szene
Die Initiative sieht sich in ihrer Arbeit dabei immer wieder Anfeindungen der rechten Szene ausgesetzt. In der Vergangenheit hatte es unter anderem konkrete Einschüchterungsversuche der rechten Gruppierung „Steeler Jungs“ gegen einzelne Vertreter des Bündnisses gegeben. Dem ungeachtet haben die Mitglieder – der „harte Kern“ der Gruppe besteht derzeit aus 20 bis 30 Leuten – ihr Engagement für die Menschen in Steele und das Image des Stadtteils weiter fortgesetzt und ausgebaut.
Die Verleihung des Nachbarschaftspreises in der Kategorie Vielfalt ist für die Gruppe einmal mehr eine Beleg für die Bedeutung der eigenen Ziele: „Wir sehen die Auszeichnung als Verpflichtung, uns in diesem Sinne weiter zu engagieren. Gleichzeitig freuen wir uns sehr darüber, sind stolz auf diese Auszeichnung und betrachten sie als Bestätigung für die Richtigkeit und Wichtigkeit unserer Arbeit“, erklärt Irene Wollenberg, Mitglied des Sprecherkreises von „Mut machen – Steele bleibt bunt“.
Auszeichnung für Initiativen mit Vorbildcharakter
Der Deutsche Nachbarschaftspreis wurde 2017 von der nebenan.de Stiftung ins Leben gerufen und wird einmal jährlich an Projekte und Initiativen mit gesellschaftlichem Vorbildcharakter vergeben. Katharina Roth, Geschäftsführerin der nebenan.de Stiftung: „Als nebenan.de Stiftung haben wir uns das Ziel gesetzt, nachbarschaftliches Engagement in Deutschland nachhaltig zu stärken. Seit fünf Jahren bringen wir deshalb Engagierte auf die große Bühne und haben bereits über 100 Preisträgerprojekte ausgezeichnet und gefördert. Denn nur gemeinsam können wir das Miteinander stärken und als Gesellschaft zusammenwachsen.”
Gala zur Preisverleihung der fünf Themensiegerprojekte
Die Preisverleihung der fünf Themensiegerprojekte fand am Donnerstagabend im Rahmen einer Gala im Berliner Kino International vor rund 400 Gästen aus Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft statt. Unter dem Motto „Das WIR gestalten“ wurden die mit jeweils 5000 Euro dotierten Hauptpreise in den Kategorien Vielfalt, Nachhaltigkeit, Generationen, Kultur und Sport sowie Öffentlicher Raum vergeben. In ihrem Grußwort erklärte Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: „Die Preisträgerinnen und Preisträger zeigen, was gute Nachbarschaft auszeichnet: Menschen, die sich für andere Menschen interessieren. Menschen, die mit Menschen reden. Menschen, die anderen unter die Arme greifen. Das ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Und heute – in einer Zeit, in der sich viele Menschen Sorgen um die Zukunft machen – umso wichtiger.“
Für die fünf Hauptpreise waren deutschlandweit mehr als 90 Projekte und Initiativen nominiert. Bereits im Oktober hatte die nebenan.de Stiftung 16 Landessieger mit je 2000 Euro geehrt.