Essen. Die Zahl der Wohnmobile in Essen steigt. Offizielle Stellplätze gibt es kaum – obwohl es touristisch sinnvoll wäre. Das will die SPD ändern.
Der allgemeine Camping-Boom hat schon vor Corona eingesetzt, durch die Pandemie hat er aber so richtig an Fahrt aufgenommen. In Essen hat sich die Zahl der Wohnmobile seit 2019 ungefähr verdoppelt, und beträgt jetzt laut Stadt rund 2200. Auswirkungen im Stadtverkehr hat das nicht nur auf die Besitzer, sondern auch für Anwohner, bei denen die Fahrzeuge mitunter direkt vor der Tür parken, und auf die Verantwortlichen bei der Stadtverwaltung. Die SPD will jetzt einen Prüfauftrag an die Verwaltung richten, um zu klären, was die Stadt tun kann, um die Situation zu entzerren.
Sorge: Wohnmobile als Verrichtungsboxen
Ins Rollen gekommen ist das Thema durch Stillstand an der Lohwiese in Karnap: Dort hatten sich Anwohner zuletzt über parkende Wohnmobile vor ihrer Haustür beschwert. Rein rechtlich kein Problem. Die motorisierten Dickhäuter dürfen überall dort parken, wo es durch Verkehrsschilder nicht explizit verboten ist. Rein optisch jedoch mitunter sehr wohl ein Problem. Einige schauen schließlich nicht gerne aus ihrem Wohnzimmerfenster auf einen großen weißen Karton. „Die Anwohner haben berechtigte Angst, dass die Lohwiese als Stellplatz verkommt“, erklärt Klaus Gutke, sachkundiger Bürger der SPD im Rat der Stadt, der ebenfalls Sorge hat, dass Wohnmobile am Straßenrand womöglich als Verrichtungsboxen genutzt werden könnten, in denen Sexarbeiterinnen ihre Dienste anbieten.
Die Besitzer haben also das Recht, ihre Wohnmobile im öffentlichen Raum zu parken, wollten aber laut Gutke auch keinen Zoff mit Anwohnern, sondern hätten vielmehr den Wunsch nach offiziellen Stellplätzen.
Wohnmobilstellplätze auf alten Bergbauflächen in Essen gefordert
Der dritte Mitspieler bei diesem Thema ist die Stadtverwaltung. Die habe nach Angaben von Gutke ein Interesse daran, dass Wohnmobile in Essen parken können, es gleichzeitig aber „versäumt, Wohnmobilparks zu bauen“. Geeignet dafür seien beispielsweise alte Bergbauflächen, aber auch innerstädtische Gebiete, wo Veranstaltungen wie aktuell der Weihnachtsmarkt stattfinden. Für Wohnmobilisten aus den Niederlanden sei das beispielsweise interessant.
Der Sozialdemokrat stellt sich vor, dass diese Stellflächen auch von jenen genutzt werden könnten, die ihr Wohnmobil lediglich parken wollen, weil sie gerade nicht auf Urlaubsreise sind, aber auch von jenen, die gerade touristisch in Essen unterwegs sind. „Für diese Gruppe müsste es dann Strom- und Wasserversorgung geben“, erklärt Gutke, der weiter vorschlägt, dass die erste Gruppe die Stellplätze gratis nutzen könnten, während die Touristen speziell für die Ver- und Entsorgung zahlen müssten.
Fünf offiziell für Wohnmobile ausgewiesene Stellplätze gibt es bereits an der Baedeckerstraße in der Nähe der Philharmonie. Mit Parkschein dürfen Wohnmobilisten dort für drei Tage Urlaub machen. Es gibt auch einen kostenpflichtigen Stromanschluss. Kommerzielle Anbieter sind unter anderem der Knaus-Campingpark im Löwental (Werden) und das Bootshaus Ruhreck in Überruhr. Klaus Gutke findet das nicht ausreichend und bekommt Rückenwind von der Essener Marketing Gesellschaft. Deren Pressesprecher Florian Hecker erklärt: „Touristisch gesehen hat das Thema Wohnmobile Potenzial. Die Nutzerzahlen steigen seit Jahren an und auch die durchschnittliche Wertschöpfung lässt auf einen deutlichen wirtschaftlichen Mehrwert für die besuchten Orte hoffen.“
Wohnmobilstellplätze im Umfeld von Zollverein und Gruga gewünscht
Probleme wie Ver- und Entsorgungsmöglichkeiten und Platznot in einer Stadt, in der ohnehin hoher Parkdruck herrsche, könne man nicht außer acht lassen, aber es wäre laut Hecker touristisch wünschenswert, mehr Stellmöglichkeiten im weiteren Stadtgebiet, besonders aber im Umfeld des touristischen Highlights Zollverein und der urbanen Bereiche Rüttenscheid/Messe/Gruga zu haben. Hecker: „Reine Stellplätze ohne Versorgung wären schon ein erster Schritt und deutlicher Gewinn. Für eine Kommune von der Größe und touristischen Bedeutung Essens sollten durchaus 40 bis 50 Plätze im Stadtgebiet vorhanden sein.“
Zum Welterbe Zollverein kommen beispielsweise täglich Besucher aus ganz Deutschland. Sie finden dort große Parkflächen vor, aber nicht aber für Wohnmobile. Sprecherin Hanna Lohmann: „Das Übernachten in Wohnmobilen ist auf dem gesamten Gelände nicht gestattet. Wir sind dafür infrastrukturell nicht aufgestellt.“ Lohmann verweist auf den rund zwei Kilometer entfernt liegenden Revierpark Nienhausen. Dort gibt es einen Wohnmobilstellplatz, von wo aus Gäste das Welterbe per Fahrrad, zu Fuß oder per Straßenbahn besuchen können.
Der SPD reicht das nicht aus. Klaus Gutke will das Thema jetzt in die zuständige Bezirksvertretung und die entsprechenden Ratsgremien einbringen und so im wahrsten Sinne des Wortes etwas in Bewegung setzen.