Essen. Viele Jahre war Resi Schoppen Chefin der Essener Schwimmbäder – in den 70ern die erste Deutschlands. Sie erinnert sich an turbulente Zeiten.
Als einige Essener zu Hause noch keine Dusche oder Badewanne hatten, als morgens Wetten abgeschlossen wurden, wer zuerst ins Becken des Hauptbades springt, als im Grugabad noch mehr als 10.000 Gäste reingelassen wurden: Zu dieser Zeit war Resi Schoppen Bäderleiterin in der Stadt Essen – als einzige Frau in Deutschland hatte sie ab Mitte der 70er Jahre diesen Job inne.
Als Oberschwimmmeisterin im Hauptbad Essen tätig
Resi Schoppen ist heute 85 Jahre alt und lächelt wie eine Siegerin im Lagenschwimmen, wenn sie von ihrem Berufsleben erzählt: „Es wäre illusorisch gewesen, mich auf diese Stelle als Frau zu bewerben.“ Als ihr Vorgänger als Bäderleiter in Rente ging, war Schoppen bereits seit einigen Jahren erst Schwimmmeisterin, dann Oberschwimmmeisterin im Hauptbad in der City. „Becken saugen, Ränder reinigen und ab 7 Uhr Wasseraufsicht.“ Trotz allem trainierte die junge Sportlerin damals täglich selbst zwei Stunden am Tag – Brust, Kraulen, Rücken – alle Lagen durch.
Später hat sie auch Schwimmunterricht gegeben: „Ich habe immer eine Pfeife ins Wasser geschmissen und wer sie wieder hochgeholt hat, durfte reinpusten“, erinnert sich die Seniorin daran, wie sie den Kindern tauchen beigebracht hat. Die Lehrer hätten derweil in der Milchbar gesessen und zugeschaut.
Eintritt im Essener Hauptbad kostete für Kinder 80 Pfennig
Einige Jahre später wurde Resi Schoppen von der Stadt zur Chefin aller Bäder in Essen ernannt, ohne je eine Bewerbung für diese Stelle geschrieben zu haben. Plötzlich war sie Chefin von rund 60 Hallenbadangestellten, Schwimmmeistern, Badeanwärtern und Masseuren. Auch diesen Job gab es damals noch in den Badehäusern Essens, wo Dutzende Wannen und Duschen für jene bereitstanden, die zu Hause kein Badezimmer hatten. „Die Becken im Hauptbad waren oft so voll mit Menschen, dass man kaum noch Wasser gesehen hat“, erinnert sich Schoppen. Der Eintritt habe damals 80 Pfennig für Kinder und 1,40 Mark für Erwachsene gekostet.
Abriss Hauptbad
Mit den Jahren wurden in der Stadt immer mehr Schwimmbäder errichtet und die selbst erklärte Feministin bekam immer mehr zu tun: „Ich war verantwortlich dafür, die Bäder am laufen zu halten, vom Dachboden bis zum Keller.“ Wie viel Chlor hat einwandfreies Badewasser? Wie funktioniert die Technik einer Umwälzanlage? Sind alle Schichten belegt und die Wasseraufsicht gesichert? Wer sitzt an der Kasse? Resi Schoppen war stolz auf ihren Job, wollte Vorbild für andere Frauen sein. Jeden Tag fuhr die Chefin in ihrem weißen Kittel quer durch die Stadt, sah überall nach dem Rechten und sprang selbst dort ein, wo Not war.
Und Notsituationen kamen immer mal wieder vor und damit sind nicht nur Personalengpässe oder Technikfragen gemeint. Schoppen: „Wie viele Menschen ich genau wiederbelebt habe, weiß ich gar nicht mehr.“ Sie weiß aber, dass nicht alle überlebt haben. Im Hauptbad sei der Übergang vom Nichtschwimmerbecken ins Schwimmerbecken sehr steil gewesen, das hätten einige unterschätzt. Auch die Wette im Weittauchen dreier Männer ist Resi Schoppen noch im Gedächtnis. Einer von ihnen tauchte nicht wieder auf, musste herausgezogen werden und überlebte die Wette trotz Wiederbelebung nicht. Tödliche Badeunfälle wie diese hat es in Essen seit vielen Jahren nicht mehr gegeben.
Damals über 10.000 Gäste im Essener Grugabad
Für die Bäderleiterin gehörte zum Job ein Ansturm auf die Bäder dazu, wie er heute unvorstellbar ist. „Ich finde es unverschämt, dass das Grugabad bei 5000 Gästen geschlossen wird“, so Schoppen mit Blick auf diesen Sommer, als es wegen Personalmangels einmal zu dieser Ausnahmesituation kam. Sie habe damals weit über 10.000 hineingelassen und das habe auch gepasst. Damals habe es allerdings auch genügend Personal gegeben, dafür habe die Stadt zuletzt zu wenig Vorsorge getroffen, findet Schoppen.
„Grugabad und Hauptbad mochte ich am liebsten“, erzählt die Rentnerin, die seit vielen Jahren kein Schwimmbad in Essen mehr betreten hat, der Anblick der Becken und Anlagen würde sie wehmütig stimmen. Einmal hat sie eine Ausnahme gemacht und vor dem Abriss des Hauptbades an der Technikführung teilgenommen. Schoppen: „Mit dem Abriss geht ein Stück Stadtgeschichte verloren.“
Würde sie doch eine Eintrittskarte kaufen, würde sie wohl gar keine Zeit zum schwimmen haben: „Ich würde in den Bädern nur mit den Kollegen und Kolleginnen quatschen.“ Der Kontakt sei noch immer gut, einige kommen sie regelmäßig in ihrem Kettwiger Wohnzimmer besuchen oder rufen an.
Zweieinhalbfacher Salto vom Zehnmeterturm im Grugabad
Ein Wohnzimmer hatte sie damals auch in jedem Schwimmbad: „Die Stammgäste hatten mir das mit Fernseher, Couch und Sesseln eingerichtet.“ Dort empfing Schoppen dann die Presse, Politiker und auch die Stammgäste bei Keksen und Kaffee. Zu Weihnachten gab es in jedem Bad eine kleine Feier. Das war der Bäderleiterin zu stressig: „Ich konnte nicht überall dabei sein und habe dann einfach alle zusammen ins Grugabad eingeladen.“ Dort wurde dann mit 150 Kollegen und Kolleginnen gefeiert dort stieg dann auch ihre Abschiedssause nach insgesamt 40 Jahren im Dienst bei der Stadt Essen – mit Feuerwerk und einem zweieinhalbfachen Salto der Mutter aller Bäder vom Zehnmeterturm.