Essen-Rüttenscheid. Im Alfried-Krupp-Krankenhaus in Essen-Rüttenscheid läuft ein Pilotprojekt für Auszubildende. Sie leiten eigenständig einen Stationsbereich.

Auf Station 2C des Alfried-Krupp-Krankenhauses in Essen-Rüttenscheid wartet Heinz-Werner Vogel auf seine Operation. Pflegeschüler Florian Bremehr steht an seinem Bett, um seinen Blutdruck zu überprüfen und fragt, ob er denn aufgeregt sei. „Ich? Nee!“, lautet die klare Antwort. Als Patient mit transplantierter Niere hat Vogel schon einiges an Krankenhaus-Erfahrung gesammelt. Doch dieser Tag ist auch für ihn neu: Er wird am Krankenbett fast ausschließlich von Auszubildenden betreut. Die angehenden Pflegefachkräfte dürfen für eine Woche lang einen Teil der Station übernehmen.

„Sie sind sehr nett und ich werde rundum gut versorgt“, sagt Vogel. Der 77-jährige Mülheimer hat eine große Wunde am Bein – schon vor Monaten ist er im Garten gestürzt. „Ich habe Lorbeeren geschnitten und bin auf der Leiter abgerutscht“, erklärt er. Die Wunde wolle seitdem einfach nicht heilen. Nun ist die Ursache klar: die Blutzufuhr ist unterbrochen. Deshalb wird Vogel ein Stent, also eine Gefäßstütze, eingesetzt. Azubi Bremehr gibt seinem Patienten noch einige aufmunternde Worte mit auf den Weg, dann muss er ins Stationszimmer – der Schichtwechsel steht an und damit auch die Übergabe.

Auszubildende lernen im Essener Krupp-Krankenhaus mit hoher Eigenverantwortung

16 Auszubildende sind am Projekt beteiligt, das es in dieser Form im Krupp-Krankenhaus zum ersten Mal gibt. Seit einigen Tagen kümmern sich die Azubis hauptverantwortlich um sechs Patienten, immer mit ihren Praxisanleitern im Rücken. Die sind auch bei der Übergabe dabei, bei der die angehenden Pflegefachkräfte aus der Frühschicht berichten, wie es den Patienten geht, wie die weitere Behandlung ablaufen soll, welche Medikamente und Untersuchungen vorgesehen sind, bei wem besonders auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden soll.

Zum Schichtwechsel steht im Stationszimmer eine Besprechung an. Die Auszubildenden reden über die Akten von sechs Patienten.
Zum Schichtwechsel steht im Stationszimmer eine Besprechung an. Die Auszubildenden reden über die Akten von sechs Patienten. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

„Normalerweise sind wir als Schüler zusätzlich auf den Stationen, jetzt sind wir im Team selbst verantwortlich und können ganz anders lernen als im Stationsalltag“, sagt Azubi Moritz Kaiser. Genau um diese andere Lernerfahrung geht es auch Pflegedienstleiterin Michaela Friedhoff, die das Projekt organisiert hat. „Das Ziel ist, dass die Auszubildenden ein ganzheitliches Verständnis für die Fälle bekommen“, sagt sie.

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Die Nachwuchskräfte sollen in dieser Woche nicht nur zum Blutdruck messen zu einem Patienten eilen, sondern ihn von der Aufnahme an begleiten, verstehen, warum welche Behandlungsschritte vorgesehen sind. Sie sind bei der Visite dabei, verteilen Medikamente, begleiten die Patienten zu Untersuchungen und OPs, hören sich Sorgen und Nöte an.

Essener Pilotprojekt soll Lust auf den Pflegeberuf machen

Dafür haben sie in dieser Woche geradezu luxuriös viel Zeit – auf sechs Patienten kommen pro Schicht fünf bis sechs Azubis. In ihrem späteren Berufsalltag wird die Arbeit viel stärker verdichtet sein, der Stress zunehmen. Doch für die Lernerfahrung sind die künftigen Pflegefachkräfte dankbar. Die Verantwortung und das Vertrauen ihnen gegenüber spornen an. „Es ist ein großer Motivationsschub für die Schüler“, sagt Pflegedienstleiterin Friedhoff.

Pflegedienstleiterin Michaela Friedhoff will den Azubis im Krupp-Krankenhaus ermöglichen, Patienten von der Aufnahme an eigenständig zu betreuen.
Pflegedienstleiterin Michaela Friedhoff will den Azubis im Krupp-Krankenhaus ermöglichen, Patienten von der Aufnahme an eigenständig zu betreuen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Aus ihrer Sicht hat sich das Projekt, das einen großen Organisationsaufwand bedeute, schon jetzt gelohnt, weil es die Azubis in ihrer Berufswahl zu bestätigen scheint. „Es ist ein sehr schöner Beruf“, sagt etwa Azubi Bremehr. „Der Job ist sehr abwechslungsreich, es wird nie langweilig. Und am persönlichen Kontakt mit den Patienten kann man selbst wachsen.“ Schon im zweiten Ausbildungsjahr hat er durch das Projekt viele Möglichkeiten dazu.