Essen-Frohnhausen. Die Wohnbau eG hat die Kirche in Essen-Frohnhausen gekauft und für 3,5 Millionen Euro umgebaut. Ein Besuch vor Ort mit exklusiven Einblicken.
Die Lutherkirche in Frohnhausen ist ein Beispiel dafür, wie man entweihte Gotteshäuser sinnvoll nutzen kann. 2009 findet der letzte Gottesdienst statt, der Abriss droht. 2018 kauft die Wohnbau eG die Kirche dem Mehrgenerationenhaus e.V. ab. Es folgt ein umfangreicher Umbau, der 2020 eigentlich abgeschlossen ist. Wegen der Pandemie hat sich die offizielle Eröffnung jedoch um zwei Jahre verschoben. Nun durfte hinter die Kulissen geschaut werden.
Inzwischen ist im einstigen Kirchenschiff eine vierzügige Kita mit 90 Kindern beheimatet. Dort, wo einst die Gläubigen auf Kirchenbänken saßen, sind lichtdurchflutete Räume, modern gestaltet mit Holzböden, entstanden. Das Büro der Kitaleitung befindet sich direkt im Eingangsbereich. Im ersten und zweiten Stock sind barrierefreie Wohnungen gebaut worden. „Wir haben 14 Wohnungen, zwölf sind bewohnt“, sagt Claus-Werner Genge, Vorstandsvorsitzender der Wohnbau eG. Die anderen zwei seien zu Gemeinschaftsräumen umfunktioniert worden. Außerdem gibt es Kellerräume und eine Waschküche.
Wohnen und spielen in der alten Lutherkirche
„Die Wohnungen sind nicht spektakulär groß. Im Durchschnitt 35 Quadratmeter“, sagt der Vorstandsvorsitzende. „Wir sind mit dem Ziel angetreten, die Kirche zu erhalten und umzubauen.“ Die Lutherkirche sollte ein wichtiger Ankerpunkt in der Quartierentwicklung werden. Nach einem Rundgang vor Ort lässt sich sagen: Ziel erfüllt. Das Gotteshaus ist wieder mit Leben gefüllt, unten eine Kita, oben ein Mehrgenerationenhaus. „Mehrgenerationenhäuser sind Orte der Begegnungen und des Miteinanders“, sagt Arndt Sauer, Geschäftsführer des Hauses.
Wer draußen vor der Lutherkirche steht, wird an der Fassade kaum eine Veränderung feststellen. Nur die einst schwere Kirchentür musste einer Glastür zur Kita weichen. Bewegt man sich aber nach links oder rechts, tauchen an den Seiten die Balkone der Bewohner auf. „In der Kirche haben wir versucht zu retten, was es zu retten gibt“, sagt Genge. Zum Beispiel das Kreuz, die Glocken und etliche Fenster. Das alte Jesuskreuz steht nun im Kirchturm, dort hängen auch noch die Kirchenglocken. Aus dem einstigen Altarraum ist eine kleine Turnhalle für die Jungen und Mädchen aus der Kita geworden inklusive Sportmatten, Holzpferden und Sitzbänken. In luftiger Höhe ist ein Tuch gespannt, welches fast den gesamten Raum ausfüllt.
Wohnbau eG: Der Umbau der Lutherkirche kostete 3,5 Millionen Euro
„Wenn die Kinder spielen, dann erzeugt das einen Schall“, erklärt Dr. Jasmin Janßen, Technischer Vorstand der Wohnbau eG. Das Tuch dämpft die Geräuschkulisse, was den Wohnkomfort für die Bewohner angenehmer macht. Am früheren Altarraum und Kirchenschiff sind die kunstvoll gestalteten Kirchenfenster geblieben. Dahinter befinden sich „aus wärmeschutztechnischen Gründen“, so Jasmin Janßen, zusätzliche Fensterscheiben. Über Wendeltreppe, Treppenhaus oder Aufzug gelangt man in die oberen Etagen.
Der Umbau der Lutherkirche hat fast 3,5 Millionen Euro gekostet. So ein „Leuchtturmprojekt“, wie es Claus-Werner Genge nennt, ist außergewöhnlich bei der Wohnbau eG. „Wir haben viel Schweiß und Nerven gelassen“, sagt Dr. Jasmin Janßen rückblickend. Trotz jahrelanger Berufserfahrung musste sie feststellen: „Wir haben einiges erlebt und dazu gelernt.“
Die evangelische Lutherkirche wurde 1882 erbaut, im Zweiten Weltkrieg zerstört und in den 60er-Jahren wieder aufgebaut. Diese bewegte Geschichte spiegelte sich beim Umbau wieder. Unvorhergesehene Probleme kamen ans Tageslicht. Mögliche Bombenfunde erschwerten zunächst die Bauarbeiten. „Wir mussten den Kirchenboden perforieren“, erklärt Janßen. Anders ausgedrückt, der Boden war übersät mit Löchern. „Wir hatten 80 Bohrungen.“ Da hatte man laut Janßen „Tränen in den Augen“, wenn man wusste, wie schön der Kirchenboden vorher ausgesehen habe.
Das nächste Problem folgte auf dem Fuße. Der Wiederaufbau der Kirche geschah nicht auf den alten Grundmauern. „Von der Statik betrachtet, ist das ein Worst-Case-Szenario“, so die Ingenieurin. Schließlich wollte man zwei Etagen mit Wohnappartements auf der Fläche errichten. „Wir mussten schauen, wie wir die Kirche statisch ertüchtigt bekommen.“
Die Lösung: Pfahlgründung. Hierbei werden Pfähle im Untergrund befestigt, so dass das tonnenschwere Gewicht getragen und verteilt werden kann. Das Problem für die Wohnbau eG? „Wir bauen aber nicht in Holland oder in Venedig, sondern in Frohnhausen“, so Dr. Jasmin Janßen. Nun stand die Frage im Raum: Welche Firma ist spezialisiert auf Pfahlgründungen? In Deutschland wurde man nicht fündig, dafür im Nachbarland. Eine niederländische Firma rammte schließlich die Stützen in den Boden. Einen Anblick wird die Ingenieurin nie vergessen. „Der Bauleiter trug Holzklotschen auf der Baustelle.“ Er habe ihr aber versichert, dass die Schuhe Stahlkappen hätten.