Essen-Altendorf. Die Altendorfer Buben haben seit ihrer Gründung 1970 den Essener Karneval auf eigene Weise geprägt. Das sind die Gründe für die Auflösung.
Es ist das Ende einer Ära. Nach 52 Jahren haben sich die Altendorfer Buben aufgelöst. Die Karnevalsgesellschaft (KG) feierte zuletzt eine Abschieds-Matinee. Die Verleihung der Orden, die eigentlich zum 50. Jubiläum vor zwei Jahren stattfinden sollte, ging ebenfalls über die Bühne. Ein letztes Mal lachen, schunkeln und gute Laune zum traurigen Abschied.
„Wir wollten nicht sang- und klanglos aus dem Essener Karneval verschwinden“, sagt Geschäftsführer Uwe Riechert. In der Gastronomie St. Elisabeth an der Dollendorfstraße in Frohnhausen, wo so viele feierliche Sitzungen im Laufe der Jahre gefeiert wurden, erwiesen etliche Weggefährten der Gesellschaft wie die Tanzgruppe „Flotte Socken“ aus Borbeck und befreundete Vereine die letzte Ehre. Die Ornate blieben diesmal im Schrank, weil sie außerhalb der Session nicht getragen werden. Das verbietet die Tradition.
Man blickte emotional zurück auf die schönen Zeiten. „Es flossen einige Tränen“, so Uwe Riechert. Mit den „Altendorfer Buben“ wird künftig ein Stück Essener Karnevalshistorie fehlen. 1970 wird die Gesellschaft gegründet und bleibt bis zu ihrer Auflösung eine Unterabteilung der Katholischen-Arbeitnehmerbewegung (KAB) von St. Anna in Altendorf. Riechert: „Wir haben Karneval aus den eigenen Reihen gemacht.“ So wie Petra Bürschke und Gabi Jeck, ihr Name ist Programm. Die Altendorfer Buben sind noch nicht gegründet, da lernen sie sich im Kindergarten in St. Anna kennen. In der Folge verbringen sie gemeinsam die Jugend und Schulzeit. Später, inzwischen beide Mitglied in der KG, beschließen sie als Frauen-Duo „Dachma und Ingeborch“ das Publikum zum Lachen zu bringen.
Jahr für Jahr touren die „Buben“ während der Session durch Senioren- und Pflegeheime im Stadtgebiet und bringen den Karneval zu den Menschen, die auf aufgrund ihres Alters oder ihrer Mobilität nicht zu ihnen kommen können. „Das war vergleichbar wie mit einer eigenen Karnevalssitzung nur auf anderthalb bis zwei Stunden reduziert“, sagt Riechert. Diese Begegnungen gingen ans Herz. Jedes Mal, wenn die Sitzung beendet war, seien die älteren Damen und Herren zu ihnen gekommen und haben gesagt, wie schön es war, erinnert er sich an die Zeit. „Schön, dass ihr hier wart. Hoffentlich kommt ihr nächstes Jahr wieder“, wünschten sich viele von ihnen. Dieser Wunsch wird nun nicht mehr Erfüllung gehen.
Zu viele Nacken- und Schicksalsschläge musste die KG in den zurückliegen Jahren verkraften. 2014 fegt Sturm Ela über das Land und somit auch über St. Anna hinweg. An jenem Pfingstmontag zerstörte der Sturm zahlreiche Dachpfannen der Kirche. Der Regen tat bei offenem Dach sein Übriges. Ohnehin war die Kirche zu diesem Zeitpunkt bereits profaniert, ihre Zukunft unsicher. 2015 wurde das Gotteshaus abgerissen. Bis zum Sturm Ela befand sich das Lager der „Buben“ im Kirchturm, wo sie ihre Wagen für den Rosenmontagsumzug bauten. Fortan mussten sie sich eine neue Heimat suchen.
Rosenmontag 2010: Altendorfer Buben bauen den besten Motivwagen
Nach einer Zwischenstation fanden sie ein neues Lager. Aber vor ein paar Jahren schlug das Schicksal erneut zu. Diesmal in Form eines Kabelbrands. Das Feuer kannte kein Erbarmen. „Unsere komplette Ausstattung wurde vernichtet“, sagt Uwe Riechert. „Wagenverkleidung, Musikanlage, Standarte, einfach alles.“ Kurze Zeit später brach die Pandemie aus. Seitdem wird die närrische Seele auf eine harte Probe gestellt. 2021 und 2022 wurden die Rosenmonatsumzüge abgesagt. Der Straßenkarneval als Höhepunkt der fünften Jahreszeit war auch immer ein Höhepunkt der Altendorfer.
2008 tritt Riechert der KG bei, kurze Zeit später hat er das Amt des Wagenbaumeisters inne und 2010 wird der Motivwagen der „Buben“ beim Rosenmontagsumzug vom Festkomitee Essener Karneval zum besten „Motivwagen“ gekürt. Der Wagen überzeugt mit einem von Riechert selbstgebauten Badezimmer inklusive Spiegelschrank, Erste-Hilfe-Kasten, Klopapier-Halterung und einer echten Toilette aus Keramik. Dazu eine Badewanne, gefertigt aus Holz, mitsamt echter Armatur. Die Außenwand der Wanne wurde mit weißer Farben bemalt, mit einem wasserfesten Filzstift zeichnete er die schwarzen Fliesen ein. Bei der Aufstellung am Grugaplatz und während des Zuges lenkte der Wagen die Blicke auf sich. Vor allem die Toilette erregte Aufmerksamkeit. Unterwegs wurde er von Jecken am Straßenrand angesprochen, ob sie sie nicht mal benutzen könnten. Sie durften nicht.
Über viele Jahre hatten die „Buben“ einen Motivwagen und einen Gesellschaftswagen, später nur noch einen Gesellschaftswagen. Corona zog endgültig den Stecker. Denn in der Pandemie kommt es noch schlimmer. In dieser schweren Zeit sterben fünf Vereinsmitglieder.
Ein weiterer schwerer Schlag, der ohnehin schon gebeutelten KG. Bei der Auflösung sind es nur 17 Mitglieder. „Davon 12 über 70 Jahre alt“, sagt Riechert. Eine Fortsetzung macht keinen Sinn. Man entscheidet sich schweren Herzens für das Ende der Gesellschaft. Auch die einzige Tanzgarde, die Tanzmäuse, werden infolgedessen aufgelöst. Trotzdem wollen die Mitglieder der „Altendorfer Buben“ untereinander in Kontakt bleiben. „Die Erinnerungen kann uns keiner nehmen“, sagt Uwe Riechert.
Gottesdienst zum Karnevalsauftakt
Traditionell haben die Altendorfer Buben zum Karnevalsauftakt einen ökumenischen Gottesdienst in der Kirche St. Mariä Himmelfahrt an der Helenenstraße organisiert. Zu Gast waren neben Abordnungen der Essener Karnevalsgesellschaften auch das Stadtprinzen- und das Kinderprinzenpaar.
Nun jährt sich die Veranstaltung zum 25. Mal. Die Planungen laufen. Der katholische Pastor Gerhard Welp und der evangelische Pfarrer Fritz Pahlke sollen wieder den Gottesdienst gestalten.