Essen. In Essen-Huttrop hat der Allbau 177 Wohnungen modernisiert. Das Beispiel soll Schule machen. Die Energiekrise zwingt dabei zum Umdenken.
Freya und Trulli haben ihre Pflicht erfüllt. Sechs Monate lang weideten die beiden Schafe auf der Grünfläche zwischen den Allbau-Häusern der Schwanenbuschsiedlung in Essen-Huttrop. Die Tiere sollten Mieter dazu animieren, miteinander ins Gespräch zu kommen. Nun geht es zurück zu ihrem Schäfer. Vier Hühner, die den gleichen Auftrag hatten, sind schon wieder abgereist.
[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig & Werden + Borbeck & West | Alle Artikel aus Essen]
Ja, zu bereden gab es einiges für die Mieter der 24 Mehrfamilienhäuser, erbaut zwischen 1926 und 1957. Denn zwei Jahre lang wurden die 177 Wohnungen modernisiert und wieder in einen „zeitgemäßen Standard“ gebracht, wie es Allbau-Geschäftsführer Dirk Miklikowski am Mittwoch anlässlich des Besuches von Landesbauministerin Ina Scharrenbach vor Ort formulierte. Die alten Heizungen kamen raus, Balkone und Fassadendämmung dran und neue Dächer drauf – möglich macht dies eine finanzielle Förderung des Landes in Höhe von 9,2 Millionen Euro.
Die Wohnungen unterliegen nach der Modernisierung 20 Jahre der Mietpreisbindung
Dafür fallen die einst mit öffentlichen Mitteln gebauten Wohnungen für die kommenden 20 Jahre wieder unter die Mietpreisbindung für sozialen Wohnungsbau. Zwischen dem Allbau und dem Land NRW ist dies inzwischen zur bewährten Praxis geworden, um in Essen, wie es heißt, „bezahlbaren Wohnraum“ zu schaffen. Denn der Bestand an „Sozialwohnungen“ nimmt seit Jahren sukzessive ab, weil Wohnungen, die zur Hochzeit des sozialen Wohnungsbaus errichtet worden, aus der Mietpreisbindung fallen, die jahrzehntelangen Bindungsfristen für Sozialmieten laufen aus.
Der Allbau steuert gegen diesen Trend an, nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Erwägungen. Denn angesichts der dramatisch gestiegenen Baukosten sei der Bau von Wohnungen ohne öffentliche Förderung derzeit schlicht unwirtschaftlich, betont Miklikowski. Um die Investitionskosten andernfalls decken zu können, müsste die Wohnungsgesellschaft für frei finanzierte Wohnungen durchschnittlich 16 Euro Miete pro Quadratmeter verlangen, rechnet der Allbau-Chef vor. Im Essener Süden mögen sich Mieter finden, die bereit sind, solche Preise zu bezahlen. In weniger gefragten Quartieren dieser Stadt dürfte der frei finanzierte Wohnungsbau hingegen de facto auf Eis liegen. Miklikowski will dem nicht widersprechen.
In der Schwanenbuschsiedlung steigt die Miete nach Angaben des Allbau hingegen moderat – von 5,40 Euro auf 6,20 Euro pro Quadratmeter. Dafür sparten die Bewohner Heizkosten, denn die Energiekosten dürften nach Einschätzung der Wohnungsgesellschaft um 43 Prozent geringer ausfallen als vor der Modernisierung. Angesichts der aktuellen Energiekrise ist das eine erfreuliche Nachricht für die betroffenen Mieter.
Beheizt werden die Wohnungen nicht mehr durch Nachtspeicheröfen, sondern über eine zentrale Wärmeversorgung mit Gas. Vor drei Jahren hatte der Allbau es so geplant. „Da war die Welt noch in Ordnung“, so Miklikowski. Niemand ahnte seinerzeit, dass in der Ukraine Krieg herrschen, und Putin den Europäern den Gashahn zudrehen würde, so dass die betroffenen Staaten andere Quellen erschließen müssen. Dank langfristiger Verträge mit den Stadtwerken seien für die Mieter der Schwanenbuschsiedlung große Preissprünge nicht zu erwarten, heißt es vonseiten des Allbau. Ab 2024 könnte sich dies aber ändern.
Bei der Modernisierung von Altbauten will der Allbau auf Luftwärmepumpen setzen
Perspektivisch plant der Allbau deshalb, mehr Wohnungen über Luftwärmepumpen mit Wärme zu versorgen. Anwendung findet diese Technik vor allem im Neubau, denn die Anforderungen an Wärmedämmung sind hoch. Ältere Wohnungen so nachzurüsten, sodass Luftwärmepumpen zum Einsatz kommen, sei aufwendig und teuer. Dennoch sieht der Allbau dies laut Miklikowski für ein Drittel der 450 Wohnungen vor, deren Modernisierung in den kommenden beiden Jahren geplant. Auch dabei setzt die Wohnungsgesellschaft auf finanzielle Hilfe des Landes.
Ministerin Ina Scharrenbach stellte weitere Programme in Aussicht, möglicherweise zum Ressourcen schonenden Umgang mit Regenwasser. In der Schwanenbuschsiedlung wurde der Dank der Landesförderung aus einer riesigen Wiese zwischen den Häusern eine attraktive Grünfläche – mitten auf dem Deckel der A 52. Oberbürgermeister Thomas Kufen nahm die Steilvorlage dankbar auf. „So etwas wünschen wir uns auch für die A 40.“ Freya und Trulli wären sicher willkommen.