Essen-Holsterhausen. In Essen-Holsterhausen hat sich ein schwul-lesbischer Chor gegründet. Weitere Mitglieder sind willkommen. Wir haben eine Probe besucht.
Durch den Saal der Melanchthonkirche in Holsterhausen schweben die Stimmen und hangeln sich über „Sososo“ und „Nönönö“ zu einer samtenen Geschmeidigkeit. Der vor zwei Monaten gegründete lesbisch-schwule Chor Essen wärmt sich und seine Stimmbänder auf.
Mit seiner unkomplizierten Art versteht es „Bandleader“ Thorsten Katzwinkel, auch Gesangsanfänger mitzureißen. Ehrenamtlich kümmert sich der 55-Jährige darum, den rund 20 Chormitgliedern, Tendenz steigend, Spaß am Singen zu vermitteln: „Wir nehmen zunächst einfachere Stücke und den einen oder anderen Kanon.“
Beim neuen Chor in Essen-Holsterhausen steht der Spaß im Vordergrund
Jung und Alt und alle Stimmen sind herzlich willkommen, es wird deutsch, englisch, schwedisch und mehr gesungen: „Wir werden sicherlich auch mal ein kirchliches Lied dabei haben, aber wir sind kein Kirchenchor.“ Es gehe ausschließlich um Freude am Singen, Gesangs- oder Chorerfahrung seien nicht unbedingt und Notenkenntnisse überhaupt nicht erforderlich.
Astrid Gabb von der Aidshilfe Essen koordiniert in Zusammenarbeit mit dem Essener Verein „FrauenLiebe im Pott“ (FLiP) das lesbisch-schwule Generationenprojekt. Sie erläutert: „Die Stadt Essen hat die Aidshilfe damit beauftragt, die Mitwirkung von lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen am gesellschaftlichen Leben zu fördern und zu unterstützen.“
Queere Menschen aus Essen wünschten sich Angebote für gemeinsames Singen
So habe man LSBTIQ* (lesbische, schwule, bisexuelle, Trans-, intersexuelle und queere Menschen) ab 60 Jahren in den Stadtteilen Rüttenscheid, Frohnhausen und Holsterhausen gefragt: „Welche Wünsche an offenen Angeboten habt ihr?“ Da wurde Spazierengehen und Wandern genannt, aber auch gemeinsames Singen: „Also haben wir diesen Chor ins Leben gerufen und sind sehr froh, dass wir die Räume des Zentrums 60 plus in Holsterhausen nutzen dürfen. Und dass uns der Kirchenraum zur Verfügung gestellt wird mit seiner herrlichen Akustik.“
Auch heterosexuelle Menschen sind eingeladen, beim neuen Essener Chor mitzumachen
Damit jetzt keine Missverständnisse aufkommen, hält Astrid Gabb fest: „Primär ist es ein lesbisch-schwuler Chor. Aber das heißt natürlich nicht, dass wir unter uns bleiben wollen. Wir fragen ja nicht die sexuelle Orientierung ab. Uns sind alle willkommen, die Lust am Singen haben und beim Chor mitmachen möchten.“
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Was eine neue Interessentin aufseufzen lässt. Dass das heutzutage noch ein Thema sein müsse. Sie ist über das Angebot des Zentrums 60 plus hier gelandet: „Mir ist doch völlig egal, wie kariert jemand ist. Ich möchte singen, gemeinsam mit anderen. Punkt.“ Für sie als Neurentnerin stehe die Freude an der Musik im Vordergrund, an der Gemeinschaft: „Und das ohne irgendwelchen Druck.“
Proben am ersten und dritten Dienstag im Monat
Immer am ersten und dritten Dienstag im Monat veranstaltet das lesbisch-schwule Generationenprojekt von 17 bis 19 Uhr einen offenen Treff in den Räumen des Zentrums 60 plus an der Melanchthonstraße 3 in Holsterhausen.
Anschließend trifft sich der Chor von 19.15 bis 20.45 Uhr im Melanchthon-Gemeindezentrum der Evangelischen Erlöserkirchengemeinde, entweder im Saal oder im Obergeschoss.
Die ÖPNV-Haltestelle Holsterhauser Platz ist direkt vor der Tür, Parkplätze im Umkreis sind vorhanden. Für Rückfragen steht Astrid Gabb unter a.gabb@aidshilfe-essen.de oder 0201 1053715 bereit.
Was eine begeisterte Mitsängerin nur unterstreichen kann: „Ich habe jetzt 15 Jahre nicht gesungen. Umso mehr Spaß macht es, in der Gemeinschaft zu sein, in der ich sein möchte. Ich bin hier in einer Wahlfamilie. Das trägt mich. Es herrscht reger Austausch zwischen Chor und Leiter.“ Beim Begriff „Chorleiter“ wird Katzwinkel sperrig: „Ich gebe die Töne an. Den Chor leiten mit all dem administrativen Krempel sollen andere.“
Neuer Essener Chor sucht noch nach einem Namen
Der in Frillendorf Geborene war zwölf Jahre lang Domsingknabe: „Da bekam ich eine solide musikalische Ausbildung.“ Er gründete 1991 den schwulen Chor „Vielhomonie Rhein-Ruhr“ mit und erhielt 2015 beim Chorverband NRW die Ausbildung zum Chorleiter. Thorsten Katzwinkel ist begeistert von seinen Schützlingen, mit denen er sich schon an kompliziertere Songs wie „Thank you for the music“ von Abba herantraut: „Da steckt richtig viel Hirnschmalz hinter. Wie bei Mozart, dessen vierstimmiger Kanon in A-Dur ‘Bona nox!’ auch nur scheinbar simpel daher kommt.“
Diskutiert wird noch über den Namen, den der Chor sich geben möchte. Stefan ist heute der Quotenmann und würde sich sehr über männliche Neuzugänge freuen: „Ich finde es gut, hier ohne Auftrittsdruck singen zu können.“ Er weiß von einem lesbisch-schwulen Chor in Dortmund, der sich „Sang&Klang:Los!“ genannt hat. Andere Chöre entschieden sich für „Andersrum und immerschief“, für „Die Queerflöten“ oder für „Liederliche Lesben“. Der Fantasie sind also keine Grenzen gesetzt.