Essen-Südostviertel. Das Kulturzentrum Storp 9 hatte zum Wettbewerb aufgerufen. Jugendliche übertragen Kinderbilder als Graffiti auf 60-Meter-Mauer.

  • Kinder im Essener Südostviertel malen ihre Träume.
  • Jugendliche sprühen die Zeichnungen auf eine Mauer.
  • Die Initiative zu der Aktion ging vom Zentrum Storp 9 aus.

Diese Kinderträume sind nicht zu übersehen: Jugendliche haben jetzt eine riesige Fläche in der Nähe des Kultur- und Bildungszentrums Storp 9 im Essener Südostviertel besprüht. Die Bilder zeigen, wie Kinder sich die Welt vorstellen, und bringen Farbe in den dicht besiedelten Stadtteil. Was hinter der Graffiti-Aktion steckt.

Ganz legal gesprühte Bilder – vom Einhorn bis zum umweltfreundlichen Auto, das eher an ein Weltraumfahrzeug erinnert – zieren jetzt eine Mauer an der Oberschlesienstraße. „Wir haben gemerkt, dass in der Corona-Zeit vielen Kindern und Jugendlichen ihre Träume abhandengekommen sind. Die Kinder saßen zu Hause, hatten wenig Kontakte. Das hat sie mürbe gemacht“, erklärt Josephine Bialas, Leiterin des Treffpunktes Storp 9 im Südostviertel. Mit dem Projekt „Power to the Children“, finanziert über das Landesprogramm „Kulturrucksack NRW“, wollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das auffangen und Kinder wieder zum Träumen anregen.

Das Storp 9 in Essen hatte zum Ideenwettbewerb aufgerufen

Sechs Schulen und acht Kindertagesstätten im Umfeld wurden angeschrieben, am Ende reichten die Kitas Zauberstern, Heilig Kreuz, Lily Kids (Bredeney), der Montessori-Kindergarten, die Klassen 1a und 2c der Grundschule am Wasserturm und die Kinder aus dem Storp 9 ihre Bilder ein. „Ganz klassisch auf Papier“, berichtet Josephine Bialas.

Die Auswahl übernahm eine Jury, die die kleinen Kunstwerke nach Thema, Komposition und Umsetzbarkeit bewertete. „Aus 60 Bildern haben wir 36 ausgewählt“, erzählt der freiberufliche Kunstpädagoge Martin Domagala, der schon an verschiedenen Projekten des Storp 9 beteiligt war. Nach einem Vorbereitungstreffen ging es ans Werk: Innerhalb einer Woche sprühten acht Jugendliche die Entwürfe der Kinder auf die 60 Meter lange und vier Meter hohe Wand an der Oberschlesienstraße.

Palmen, Drachen, Blumen, Meer – viele der Kindermotive, die jetzt Farbe in den dichtbesiedelten Stadtteil bringen, beschäftigen sich mit der Natur.
Palmen, Drachen, Blumen, Meer – viele der Kindermotive, die jetzt Farbe in den dichtbesiedelten Stadtteil bringen, beschäftigen sich mit der Natur. © elli

„Die Ästhetik von Kinderbildern ist von großem Wert und wird von vielen Erwachsenen zu oft missachtet. Die Bilder sind kindlich, naiv und doch so eindeutig und erheiternd“, sind die Initiatoren des Projekts „Power for Children“ überzeugt. Die Wirkung der Bilder werde zudem durch die Größe enorm gesteigert.

„Viele Motive beschäftigen sich mit der Natur“, fasst Josephine Bialas zusammen. Blumen, Bäume, Wasser, Tiere, Regenbogen – das Thema Umwelt ist offenbar auch für Kinder wichtig. Das können jetzt täglich Tausende von Autofahrerinnen und Autofahrern sehen, die die viel befahrene Straße in unmittelbarer Nähe der A 40 nutzen. Auch auf der anderen Straßenseite gibt es bereits ein riesiges, von Jugendlichen gestaltetes Wandbild.

Der pädagogische Aspekt kommt nicht zu kurz

Auf der jetzt besprühten Wand hatte es bereits – ebenfalls legale – Graffiti gegeben. „Die waren bis auf Kleinigkeiten noch komplett intakt, was zeigt, dass Graffiti durch andere Sprayer in der Regel nicht übermalt werden. Allerdings blätterte nach Jahren jetzt die Farbe ab“, berichtet Martin Domagala. Die Grundierung der Wand übernahmen der Kunstpädagoge und seine Helfer, die auch die Felder für die Kinderbilder einteilten. Diese übertrugen die Jugendlichen dann unter Anleitung von Domagala. „Das ist gar nicht so einfach, wir haben vorher einen Probedurchlauf im Atelier des Storp 9 gemacht. Die Kinder sollen ihre Motive ja wiedererkennen, wenn sie hier vorbeikommen.“

Im Rahmen des Projekts lernten die Teilnehmer nicht nur Interessantes über Farben und Sprühtechniken, sondern auch, dass Graffiti manchmal Kunst und manchmal Schmiererei sind, dass man auf dieser Wand sprühen darf, anderswo aber nicht. „Der pädagogische Aspekt ist natürlich wichtig, auch die Kitas und Schulen haben das aufgegriffen“, sagt die Storp-9-Leiterin, die jedes Jahr zwei „Kulturrucksack“-Projekte organisiert.