Essen. Braucht Essens Publikum bald Pullis im Zuschauerraum? Theater und Philharmonie prüfen Energiesparmöglichkeiten. Womit Besucher rechnen müssen.

Gut möglich, dass die Essener in den kommenden Monaten auch im Theater lieber mal dickere Socken und den warmen Pulli anziehen. 20 Grad lautet die städtische Vorgabe für Publikumsräume in Kultureinrichtungen. Ob und wie sich die Raumtemperatur künftig auch an Konzertabenden und bei Opernvorstellungen drosseln lässt, wird bei der Theater und Philharmonie (TuP) gerade von einer frisch gegründeten „Task Force“ in Absprache mit der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft geprüft. Im September sollen erste Ergebnisse vorliegen. Die raumlufttechnischen Anlagen in Theatern seien eben deutlich komplizierter zu steuern als private Heizungsanlagen, sagt Stephan Wasenauer, Leiter der Verwaltung.

Die Frage, auf welche Temperaturen sich die Theater-Besucher in diesem Winter einzustellen haben, ist dabei nur ein Thema, das die Verantwortlichen der TuP derzeit umtreibt. Energiemangel und steigende Preise sorgen in der Kulturbranche mittlerweile bundesweit für Besorgnis. Auch in Essen wird nach Stromsparmöglichkeiten gesucht, der verstärkte Einsatz von LED-Technik geprüft und alte Kulissenbilder so weit wie möglich recycelt, um extreme Preiserhöhungen und Lieferengpässe für Material wie Holz aufzufangen.

Bei der Erneuerung der Drehbühne im Grillo-Theater hat Schauspiel-Intendant Christian Tombeil 2020 sogar selber mit Hand angelegt. Mittlerweile sind die Preiserhöhungen für Material wie Holz drastisch.
Bei der Erneuerung der Drehbühne im Grillo-Theater hat Schauspiel-Intendant Christian Tombeil 2020 sogar selber mit Hand angelegt. Mittlerweile sind die Preiserhöhungen für Material wie Holz drastisch. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Nach der Coronakrise kommt die Energiekrise an den Theatern – wie fast überall – zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Nach mehr als zwei Jahren mit monatelangen Lockdowns und eingeschränktem Spielbetrieb will man in Grillo-Theater, am Aalto und in der Philharmonie endlich wieder zum Normalbetrieb zurückkehren. Heißt: Die Abstandsregeln sind aufgehoben, Masken- und Testvorgaben ebenfalls. Eigentlich könnte es endlich so weitergehen wie früher.

Doch von Normalität sind nicht nur die Essener Theater ein gutes Stück entfernt. An fast allen großen Bühnen von Berlin bis München registriert man derzeit noch die Zurückhaltung des Publikums, durch Corona scheint sich ein Teil der Zuschauerschar regelrecht entwöhnt zu haben, manche bleiben wohl auch weiterhin aus Angst vor Ansteckung zu Hause.

Für die laufende Spielzeit wird mit einem zusätzlichen Millionen-Defizit kalkuliert

Karin Müller, Geschäftsführerin der Theater und Philharmonie, spricht aktuell von 30 Prozent weniger verkauften Abos. Wie viele Besucher vielleicht zunächst einmal schauen, was der Coronaherbst bringt und statt des Festplatz-Abos ihre Tickets im regulären Vorverkauf erstehen, wird sich zeigen. Der September zähle generell nicht zu den besucherstärksten Monaten, weiß Karin Müller. Entscheidend sei die Lage im Oktober und November, wenn auch das Weihnachtsgeschäft mit seinen Geschenk-Abonnements wieder anzieht.

Schon jetzt wird für die gerade gestartete Spielzeit 2022/23 allerdings mit einem zusätzlichen Millionen-Defizit kalkuliert. Noch kann man auf Rücklagen zurückgreifen, die durch die Kurzarbeit während der Pandemie entstanden sind. Doch keiner weiß, wie sich die steigenden Energiepreise auf den ohnehin knapp kalkulierten TuP-Haushalt auswirken.

Energie sparen, wo es geht, ohne die Funktionsfähigkeit der Häuser zu gefährden

Bundes- und Landespolitik reagieren bereits auf die wachsende Sorge von Theatern, Museen und anderen Kulturstätten. Für Ina Brandes (CDU), Nordrhein-Westfalens neue Kulturministerin, ist es „oberstes Ziel, dass alle Kultureinrichtungen geöffnet bleiben. Kulturangebote sollen trotz der großen Herausforderungen der Energiekrise für das Publikum da sein“.

Energie sparen, wo es es geht, ohne die Funktionsfähigkeit zu gefährden – so hat es Kulturstaatsministerin Claudia Roth vorgegeben. Erste Schritte hat die TuP zumindest schon eingeleitet. Die Theater-Foyers, so viel ist schon mal klar, werden in Zukunft weniger beheizt sein und die Häuser ab sofort nur noch an den Vorstellungstagen beleuchtet.

Doch nicht nur die Spielstätten müssen beleuchtet und beheizt werden: Aus energetischer Sicht gelten die großen, zugigen Hallen der Theaterwerkstätten in Vogelheim schon seit Jahren als problematisch und dürften angesichts der Energiekrise nun mehr denn je in den Fokus rücken. Auch die Materialkosten für Bühnenbilder sind drastisch in die Höhe geschnellt, sagt Geschäftsführerin Karin Müller. In den Kulissenlagern werde deshalb mittlerweile ganz genau geschaut, was wiederverwendet werden kann.