Essen. . Zwischen Schlosserei und Kulissenlager: Ein Besuch in den Werkstätten der Theater und Philharmonie gibt überraschende Einblicke.

Der Weg zur Theaterkunst führt vorbei an schmucklosen Werkshallen und grauen Containertürmen. Die Hafenstraße in Vogelheim scheint nicht unbedingt der Ort, an dem die hohe Kunst eine Heimat hat. Und doch wird hier bereits seit 1995 angefertigt, was auf den Bühnen der Theater und Philharmonie (TuP) später für große Auftritte sorgt. Wie viel zeitlicher Aufwand, hohes handwerkliches Können und Detailverliebtheit in jedem Bühnenbild stecken, davon konnten sich die Leser jetzt beim Besuch der TuP-Werkstätten überzeugen.

Ralf Gehrke, Chef über die 50 000 Quadratmeter Hallenfläche und rund 55 Mitarbeiter, hat an Sommerferientagen wie diesen schon die Arbeit der nächsten anderthalb Jahre im Blick. „Die Eröffnungs-Premiere 2018/19 kennen wir jetzt schon“, verrät der Ausstattungs-Chef. Gute Planung ist eben alles, wenn an sechs oder sieben Theaterstücken gleichzeitig gearbeitet wird. Während für den „Besuch der alten Dame“ als Eröffnungspremiere im Grillo gerade noch eine Lokomotive bunt bemalt wird, entsteht nebenan die Front einer Schultoilette für das Jugendstück „Unter W@sser“:

Die riesige Figur aus „Hoffmanns Erzählungen“ ist ein imposantes Motiv.
Die riesige Figur aus „Hoffmanns Erzählungen“ ist ein imposantes Motiv. © Stefan Arend

„Wie kommen die riesigen Kulissenteile denn später von hier aus in die Theater?“ will Monika Staudt wissen. „Ein Bühnenbild besteht aus Hunderten von Teilen“, erklärt Gehrke. Wichtig sei: „Jedes Stück muss von zwei Personen zu tragen sein“. Denn spätestens beim Transport in die Container kann keine Maschine mehr helfen. 80 bis 100 dieser Container lagern rund um die Werkstatthallen und beherbergen die Bühnenbilder von „Hoffmanns Erzählungen“ bis zum „Prinzip Jago“. Für die Vorstellung werden die jeweils notwendigen Kulissenteile von Vogelheim in die Theater gefahren. Und wieder zurück. „Die Kollegen von der Bühnentechnik fangen um sechs Uhr morgens an, die Vorstellung vom Vorabend abzubauen“, erklärt Gehrke das Prozedere des Repertoire-Betriebes. „Dann wird die Bühne für die Probe eingerichtet und am Abend wieder die nächste Vorstellung aufgebaut.“

In den meterhohen Hallen lagern weitere Kulissenteile. „Das sind doch die Stauder-Kästen aus der Oper ,Le Prophète’!“ Die kundigen Aalto-Besucher entdecken vieles wieder, klopfen mit dem Finger kurz mal gegen Rusalkas gestapelte Badewannen („Plastik“) und bestaunen den massiven Wasserkran, der sich beim Anheben doch als ganz leicht erweist. Die Kunst der Materialimitation gehört zu den wesentlichen Dingen, die man in einer Theaterwerkstatt lernt. Styropor am Ende wie edles Marmor oder massives Metall aussehen zu lassen, das gehört hier zum Handwerk. „Alles, was wir machen, machen wir größer und umfangreicher“, sagt Gehrke. Ob in der Schlosserei, Schreinerei oder in der Plastikerwerkstatt – in jedem Bereich bildet die TuP pro Jahr mindestens einen Azubi aus. Und die lernen den Beruf hier von der Pike auf.

„So abwechslungsreich habe ich mir die Arbeit nicht vorgestellt“

Vorarbeiter Harald Heid ist gerade dabei, einen Bürostuhl mit dunkelbraunem Kunstleder zu polstern und zu beziehen. Die hellbeige Variante hatte dem Bühnenbildner nicht gefallen. „Jetzt haben wir noch ein bisschen Arbeit“, sagt Heid. 30 bis 40 Arbeitsstunden wird er am Ende in das handgefertigte Polstermöbel investiert haben, das ab Februar in der Aalto-Oper „Hans Heiling“ zu bewundern sein wird. Viel Aufwand. Und doch würden die Bühnenbilder gerade mal mit „eineinhalb Prozent des Gesamtbudgets“ zu Buche schlagen“, sagt Ralf Gehrke.

Im Malersaal, wo die meterhohen Prospekte mit besenstiellangen Pinseln im Stehen bemalt werden, ist nicht nur Maria Wuch begeistert. „Wenn man selber mit großen Formaten arbeitet, ist das sehr beeindruckend.“ „Das einzige, was wir hier nicht machen, ist Aktmalerei. Dafür schicken wir die Leute woanders hin“, sagt Gehrke. Dass auf jede Ausbildungsstelle bis zu 200 Bewerbungen kommen, wundert da niemanden. „So abwechslungsreich habe ich mir die Arbeit nicht vorgestellt“, sagt Monika Staudt. Und so perfekt, findet Herbert Stabenow „Am Ende sieht man nicht, ob das ein Picasso gemalt hat oder ein Azubi.“