Essen. Ein Dachdeckermeister setzt sich dafür ein, dass das Handwerk weiblicher wird, und geht auf besondere Weise auf Frauenwerbung.

Miguel Becker will das Interesse von Frauen stärker auf sich lenken. Und das rein beruflich, wie der Essener Dachdeckermeister betont. Das Handwerk, in dem der 29-Jährige tätig ist, ist bislang eine ausgesprochen männliche Domäne. Schon in seiner Berufsschulzeit und auch später auf den Baustellen waren bzw. sind Frauen die große Ausnahme. Da ist das Dachdecker-Gewerk aber kein Einzelfall.

Miguel Becker macht sich schon eine geraume Zeit darüber Gedanken, wie er mehr Frauen für vermeintlich männliche Handwerksberufe begeistern kann. Denn ohne Frauen wird der Fachkräftemangel im Handwerk auf lange Sicht kaum zu lindern sein. Schon jetzt spüren Kunden, wie lange sie auf einen Handwerker warten müssen. 87.000 Fachkräfte fehlten im vergangenen Jahr im Handwerk bundesweit.

Essener Handwerk setzt auf mehr Frauen

Die Ausbildungszahlen in den Essener Betrieben stiegen zuletzt zwar wieder an, aktuell aber sind viele Lehrstellen auch nach Beginn des Ausbildungsjahres am 1. August noch unbesetzt, wie das Ausbildungsportal der Essener Kreishandwerkerschaft zeigt. „Es ist wichtig, dass das Handwerk mehr Mädchen gewinnt“, meint deren Geschäftsführer, Wolfgang Dapprich. Unter anderem bei den Maurern, den Dachdeckern, im Sanitär- und Elektrohandwerk sind weibliche Fachkräfte die große Ausnahme.

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Für Miguel Becker steht daher fest: Noch mehr Werbung tut Not. Wo aber erreicht man als Handwerker möglichst viele Frauen? Am besten dort, wo sie ohnehin regelmäßig auflaufen: auf dem Fußballplatz. In der kommenden Spielsaison wird der Dachdeckermeister die Trikots der Damenmannschaft vom ESC Preußen Essen sponsern. Das Team hat sich nach mehreren Anläufen in der Vergangenheit gerade wieder neugegründet und ist für jede Unterstützung dankbar.

Dachdecker sponsert Trikots der Damenmannschaft vom ESC Preußen

In den kommenden Spielen haben sie mit Dachdeckermeister Becker hoffentlich nicht nur sportlich Erfolg, sondern sorgen mit ihren Trikots bei der Damenwelt für Aufmerksamkeit. Bei Kollegen erntete der 29-Jährige nach eigenem Bekunden viel Zustimmung für seine Werbeaktion aber auch das eine oder andere Schmunzeln. Becker ficht das nicht an: „Frauenfußball hat offenbar noch nicht viele Fans.“

Auch er selbst hatte bislang wenige Berührungspunkte, räumt er ein. Der Kontakt zum ESC Preußen Essen kam über Miriam Gajewiak zustande. Mit der 24-Jährigen, die im Verein seit über 20 Jahren spielt, ist Becker befreundet. Der Nachwuchsmangel im Handwerk einerseits und im Frauenfußball andererseits treibt beide gleichermaßen um.

Miriam Gajewiak erzählt, wie schwierig es ist, regelmäßig genügend Spielerinnen aufzustellen. Die Trainingszeiten meist am frühen Abend und die Spiele am Wochenende seien für Frauen oft schwierig zu leisten, weil viele in Berufen mit Schichtdiensten arbeiten. Gerade einmal 15 Spielerinnen zählt die neue Damenmannschaft vom ESC Preußen. Wenn Teammitglieder beruflich oder verletzungsbedingt ausfallen, wird es schon einmal schwer, die geforderte Mindestanzahl für die Ligaspiele auf den Platz zu bringen. „Wir brauchen deshalb noch Frauen“, wirbt Miriam Gajewiak. Ob die erfolgreiche Fußball-EM des deutschen Frauenteams dem Sport hilft? Miriam Gajewiak hofft es zumindest.

Kreishandwerkschaft registriert mehr weibliches Interesse

Miguel Beckers Nachwuchswerbung indes scheint nicht aussichtslos zu sein. Bei der Kreishandwerkerschaft registriert man zunehmend, dass sich junge Frauen für vermeintliche Männerberufe interessieren und Unternehmen auch offen sind, Mädchen anzustellen. Im Maurerhandwerk zum Beispiel, bei den Dachdeckern und den Zimmerleuten gebe es dieses Jahr weibliche Azubis, zählt Wolfgang Dapprich auf. Freilich seien Frauen damit immer noch weit unterrepräsentiert, aber „wir stellen erfreut fest, dass mittlerweile mehr Frauen in klassische Männerberufe gehen“.

Unterdessen hat das Frauenteam vom ESC Preußen nicht nur einen Förderer gewonnen, sondern auch einen neuen Unterstützer am Spielfeldrand. „Ich werde mir sicher, einige Heimspiele ansehen“, verspricht Miguel Becker. Und ein weiteres Projekt hat er schon in Arbeit: für den 3. Dezember organisiert er mit weiteren Handwerkern eine Auszubildenden-Börse, die speziell Frauen in Industrie und Handwerk ansprechen soll.