Essen. Trotz Corona-Krise bildet das Essener Handwerk mehr aus. Doch die Bilanz könnte noch besser sein. Denn viele Ausbildungsplätze sind noch frei.

Das Essener Handwerk ist in weiten Teilen unbeschadet durch die Corona-Krise gekommen. Das zeigt sich aktuell auch bei den Ausbildungszahlen. 460 neue Lehrverträge wurden bis Ende Juli bei der Kreishandwerkerschaft eingetragen. Das sind zehn Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Vor allem bei den Malerbetrieben, den Autohäusern, Dachdeckern und Friseuren wird dieses Jahr wieder mehr ausgebildet.

„Vielleicht trägt unsere Öffentlichkeitsarbeit doch langsam Früchte, dass das Handwerk ein krisensicherer Beruf ist“, mutmaßt der Hauptgeschäftsführer der Essener Kreishandwerkerschaft, Wolfgang Dapprich. Die Corona-Krise jedenfalls habe dies sichtbarer denn je gemacht.

Viele Ausbildungsplätze im Essener Handwerk können nicht besetzt werden

In die Euphorie über das gute Ausbildungsjahr mischt sich aber auch Sorge. Denn es könnten noch weitaus mehr Lehrverträge sein, wenn sich mehr junge Leute für einen Beruf im Handwerk begeistern würden. „Das Handwerk könnte dieses Jahr einen Top-Abschluss hinlegen“, betont auch die Chefin der Arbeitsagentur, Andrea Demler. Denn es sind zum Start des Ausbildungsjahres Anfang August immer noch viele Ausbildungsplätze frei, „die wir derzeit nicht besetzt bekommen“, so Demler.

Material fehlt- Darum ist der Hausbau derzeit so schwierigDapprich verweist dabei auf das Stellenportal der Kreishandwerkerschaft www.ausbildungimessenerhandwerk.de. Dort seien noch über 100 freie Ausbildungsplätze aufgeführt. Vor allem die Sanitär- und Heizungsbranche, aber auch Metall- und Elektrobetriebe sowie Dachdecker suchten noch Azubis für dieses Jahr. Der Elektrotechnikbetrieb Schwalvenberg beispielsweise hat noch eine Lehrstelle zum Elektroniker für Gebäudetechnik kurzfristig zu vergeben. Dass diese noch frei ist, liege daran, dass es zu wenige qualifizierte Bewerbungen gibt, heißt es aus dem 25 Mitarbeiter zählendem Handwerksbetrieb.

Diga Service GmbH setzt auf eigene Fachkräfte-Ausbildung

Jörg Gliese, geschäftsführender Gesellschafter der Diga Service GmbH, hat seine beiden Ausbildungsstellen für dieses Jahr schon besetzt. Damit beschäftigt das in den Bereichen Sanitär- und Heizungstechnik sowie Elektrotechnik tätige Unternehmen 15 Azubis. Bei 105 Mitarbeitern insgesamt kommt der Betrieb damit auf eine besonders hohe Ausbildungsquote. „Und in der Regel übernehmen wir auch alle“, sagt Gliese.

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Das scheint sich herumzusprechen, denn Gliese mag nicht klagen, dass er nicht genügend Nachwuchsfachkräfte findet. Als Gliese im Jahr 2000 einen Teil der Diga aus dem Ruhrgas-Konzern übernahm, startete er mit 32 Mitarbeitern. Seither habe er nahezu alle neuen Mitarbeiter durch Ausbildung gewonnen.

Arbeit gibt es für die Diga momentan genügend, so dass Gliese jeden guten Mitarbeiter gebrauchen kann. Am Bau brummt es. Bis Oktober/November ist das Auftragsbuch des Unternehmens voll. Neben seinem Mitarbeiterstamm arbeitet Gliese daher noch mit rund 60 Leihkräften zusammen. Das Einzige, das ihm momentan große Sorgen bereitet, sind die Materialpreise, die in die Höhe schnellen. „Wenn das so weiter geht, stehen wir vor einem Kollaps, weil keiner zu den Preisen mehr Aufträge gibt“, warnt er davor, dass die gute Konjunktur im Bauhandwerk bald auch einen Dämpfer erfahren könnte.