Essen-Holsterhausen. Die Aufstellung von Parklets in Holsterhausen sorgt für massive Kritik von Anwohnern und Politikern. Eins steht auf einer gesperrten Fahrspur.
- Im Rahmen eines Stadtentwicklungsprojektes sind in Holsterhausen modulbasierte Sitzmöbel aufgebaut worden – unter anderem auf einem gesperrten Rechtsabbiegerstreifen.
- Diese Standortwahl sorgt bei Anwohnern und Politikern aus Holsterhausen für Unverständnis.
- Darüber hinaus beklagen Anwohnerinnen und Anwohner, dass an den Parklets nachts schon Alkohol getrunken und Lärm gemacht werde.
Nach der Aufstellung der sogenannten Stadtterrassen in Holsterhausen hagelt es Kritik von Anwohnerinnen und Anwohnern. Besonders für Unmut sorgt dabei ein Parklet, das auf der Rechtsabbiegerspur aus der Holsterhauser Straße in die Kahrstraße steht – direkt auf der Fahrbahn also. „Das kann doch nur ein Scherz sein“, schreibt beispielsweise ein Nutzer in einer Holsterhausen-Facebook-Gruppe. „Warum????“, fragt ein anderer schlicht.
Die Parklets – modulbasierte Sitzmöbel und Tische – sind im Rahmen des Projektes „Be-MoVe“ aufgebaut worden. Das Projekt hat unter anderem das Ziel, Möglichkeiten zur Stärkung des Fuß- und Radverkehrs sowie zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität zu entwickeln. Im Laufe der nächsten drei Jahre werden in Holsterhausen und im Stadtkern sogenannte Reallabore geschaffen, um verschiedene Möglichkeiten dafür zu testen.
Parklets an verschiedenen Standorten in Essen-Holsterhausen
Die Stadtterrassen stehen nun im August und September vorübergehend auf vier Parkplätzen in der Gemarkenstraße (Höhe Hausnummer 82, 102 und 110), an der Kahrstraße (Höhe Hausnummer 82) und auf dem Rechtsabbiegerstreifen aus der Holsterhauser Straße in die Kahrstraße, der nun gesperrt ist. Bestandteil des Projektes „Be-MoVe“ ist es, die Bürgerinnen und Bürger in den Stadtentwicklungsprozess mit einzubeziehen. Die genauen Standorte der Stadtterrassen wurden laut Stadt dementsprechend in mehreren Schritten erarbeitet, unter Berücksichtigung des vor Ort Möglichen und nach Information und Beratung mit der Politik und Bürgern in einem Workshop Ende Juni 2022.
Anwohnerin Petra S., die ihren vollen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, fühlt sich von der Stadt allerdings überhaupt nicht informiert und einbezogen. „Ich wusste von nichts, als am Sonntag die Rechtsabbiegerspur vor meinem Haus gesperrt wurde“, sagt die 57-Jährige. Erst am Dienstag (2.8) – einen Tag, nachdem die Parklets aufgebaut wurden – habe sie einen Flyer in ihrem Briefkasten gehabt. Sie ärgert sich: „Ich bin total schockiert, dass das so hintenrum gemacht wurde.“
„Stinksauer“ ist auch ihre Vermieterin Annegret von Trostorff-Schuster. „Das ist doch ohne Sinn und Verstand gemacht. Wir haben kein Vertrauen mehr“, sagt die 75-Jährige. Sie habe den Eindruck, dass das Viertel durch den Wegfall von Parkplätzen systematisch kaputt gemacht werde. „Es kann ja sein, dass es Leute gibt, die diese Sitzmöbel toll finden. Aber die wohnen nicht hier.“
Auch interessant
Essener Anwohner beschweren sich über Lärm
Für Unmut haben bei den Anwohnerinnen auch Gruppen von jungen Menschen gesorgt, die gleich am Montag (1.8.) die Sitzmöbel vor ihrem Haus bis nach 24 Uhr besetzt, Alkohol getrunken und Lärm gemacht hätten, sagt Petra S.: „Wenn das so weitergeht, bekomme ich zwei Monate lang keinen Schlaf.“ Deshalb hat sie schon eine Protestmail an den Oberbürgermeister geschrieben und eine Unterschriftenaktion in ihrem Haus gestartet. Arndt Kaufmann (53), der ebenfalls direkt an der Kahrstraße wohnt, sieht das gleiche Problem: „Je höher der Alkoholpegel ist, desto lauter wird es am Abend. Und die Leute lassen ihren Müll einfach liegen.“
Wer sich die Ankündigungen der Stadt zu den Parklets anschaut, dem fällt zudem auf: Die nun aufgestellten Terrassen sehen anders als die in der Innenstadt, die als Beispiel präsentiert wurden. Diese sind massiver und bieten zum Teil deutlich mehr Sitzfläche und Schutz zur Fahrbahn hin. Laut Stadt liegt die Abweichung daran, dass es sich in Holsterhausen um ein anderes System handelt – nämlich ein Modulsystem, das vom Zukunftsnetz Mobilität NRW an Kommunen verliehen wird.
Benno Justfelder, Vorsitzender der SPD Holsterhausen, findet die Parklets grundsätzlich sinnvoll, den Standort auf dem Rechtsabbieger aber falsch gewählt: „So wird die Aufenthaltsqualität nicht besser.“ Tatsächlich sitzt bei einem Vor-Ort-Besuch am Mittwochmittag (3.8.) niemand dort, weder an der Kahrstraße noch an der Gemarkenstraße. Das zweite Parklet an der Kahrstraße ist schon mit Graffiti beschmiert.
Essener Bezirksbürgermeisterin (Grüner): Standort „sehr glücklos platziert“
Bezirksbürgermeisterin Doris Eisenmenger (Grüne) ist ebenfalls eine Befürworterin des Projektes, findet den Standort auf der Rechtsabbiegerspur allerdings „sehr glücklos platziert.“ An dieser Stelle atme man lediglich Abgase ein, so die Politikerin. Andreas Kalipke, Vorsitzender der CDU Holsterhausen, hatte das Projekt schon im Vorhinein kritisch betrachtet.
Zwar betont auch Kalipke: „Auch wir wollen schauen, wie man die Verkehrswende voranbringt.“ An der Umsetzung hapere es aber. „Man fragt sich, wie viel Erfolg dieses Projekt haben kann, wenn die Parklets so wenig einladend aussehen und die Anwohner nicht mitgenommen werden“, so der CDU-Politiker. Bei dem Projektworkshop im Juni sei ein Standort wie der auf dem Rechtsabbiegerstreifen nicht diskutiert worden.
Auf Anfrage erklärt die Stadtverwaltung, man habe über das Projekt per Pressemitteilung und in den Sozialen Medien informiert. Aber: „Aufgrund von Abstimmungsprozessen standen die genauen Standorte der Parklets dann leider erst recht kurzfristig final fest, so dass hier nicht stärker vorab informiert werden konnte“, räumt Stadtsprecherin Maike Papenfuß ein. Eine Verbesserung der Anrainerinformation nehme man gerne als Anregung auf. Auch nicht gewünschte Nebeneffekte wie nächtliche Ruhestörungen würden im Rahmen des Pilotprojektes berücksichtigt und auf dieser Basis gegebenenfalls Anpassungen beim Aufbau von weiteren Parklets vorgenommen.
Stadt Essen: Verkehrssicherheit für Fußgänger soll verbessert werden
Was den Standort auf dem Rechtsabbiegerstreifen betreffe, so sei dieser das Ergebnis eines Fußverkehrschecks, der im vergangenen Herbst gemeinsam mit Experten und Bürgern durchgeführt wurde, so Papenfuß. Ziel sei es unter anderem gewesen, Problemstellen aus Sicht der Verkehrssicherheit für Fußgänger zu ermitteln und Vorschläge zur Verbesserung zu machen. Papenfuß: „Im Ergebnis wurde unter anderem angeregt zu prüfen, ob der freie Rechtsabbieger nicht gesperrt werden sollte, um die Verkehrssicherheit für Zufußgehende zu verbessern.“
Laut Stadt gab es bereits Rückmeldungen von Anliegerinnen und Anliegern, dieser Rechtsabbieger sei in der Tat gefährlich, da dort sehr schnell gefahren werde. Auch zu den Stadtterrassen grundsätzlich habe man schon positives Feedback erhalten. „Ob man sich an der Ecke auf die Straße setzen möchte, muss natürlich jeder selbst entscheiden, in der Gastronomie tun das allerdings auch viele Menschen gerne“, so Papenfuß. Die Stadtterrassen böten die Besonderheit, dass sie Aufenthaltsmöglichkeiten im öffentlichen Raum ohne Konsumzwang schafften.