Essen-Holsterhausen. Was macht das Wohnen in Essen lebenswert? Bei einem Hörspaziergang in Holsterhausen finden Teilnehmer Antworten. Unsere Autorin hat mitgehört.

Wie sieht eine lebenswerte Stadt von morgen aus? Und was hat die Akustik eines Viertels damit zu tun? Beim geführten Hörspaziergang durch den Essener Stadtteil Holsterhausen sollen diese Fragen ein Stück weit beantwortet werden – und zwar von den Bürgerinnen und Bürgern selbst.

„Wir wollen erfahren, wie die Menschen die Umgebung und Akustik um sich herum wahrnehmen“, erzählt Leiter Jonas Hornberg, während er mir ein Klemmbrett und einen Stift in die Hand drückt. „Hier können die subjektiven Eindrücke, die man an insgesamt sechs Stationen sammelt, in eine Tabelle eingetragen werden.“

Ich muss zugeben: In Holsterhausen kenne ich mich ganz gut aus, habe aber bislang noch nie bewusst auf die Geräusche um mich herum geachtet. Wenn ich hier draußen im Café sitze, ist der einzige Störfaktor ab und an die Sirene eines Krankenwagens, der vom Uniklinikum die Holsterhauser Straße entlang rast. Doch der kann natürlich nicht von der Straße geholt werden. Genauso wenig wie die U-Bahn, die das Viertel durchquert. Umso gespannter bin ich deshalb, ob und welche Möglichkeiten es gibt, die Aufenthaltsqualität im Viertel zu steigern.

Holsterhausen: Gemeinsam das Leben im Viertel gestalten

Wir stehen in einer Gruppe von fünf Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Kreis und studieren die Fragebögen, die am Klemmbrett haften. Auf einer Skala von eins bis fünf kann man unter anderem den Verkehrslärm, Naturgeräusche oder menschliche Geräusche bewerten.

Wichtig sei, an jeder Station drei Minuten lang aktiv zuzuhören, betont Hornberg, bevor es losgeht. „Hört also erst einmal auf euer unmittelbares Umfeld, also auf das, was neben euch ist. Dann könnt ihr dieses Feld ausweiten und in die Ferne lauschen.“

Jonas Hornberg (links) und Kai Schröer vom Institut für Urban Public des Universitätsklinikums Essen führen Bürgerinnen und Bürger im Rahmen eines Hörspaziergangs durch Essen-Holsterhausen – und messen dabei die Lautstärke an sechs Standorten.
Jonas Hornberg (links) und Kai Schröer vom Institut für Urban Public des Universitätsklinikums Essen führen Bürgerinnen und Bürger im Rahmen eines Hörspaziergangs durch Essen-Holsterhausen – und messen dabei die Lautstärke an sechs Standorten. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Jonas Hornberg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Urban Public Health (InUPH) des Universitätsklinikums Essen. Dort befasst er sich mit der akustischen Qualität in Stadträumen und führt automatische akustische Messungen durch. „Wir berechnen, wie laut es an dem jeweiligen Ort wirklich ist und welche Frequenzen vorherrschen.“

Im Rahmen des Stadtentwicklungsprojektes „Be-MoVe“ leitet er kostenlose Hörspaziergänge durch Holsterhausen und die Innenstadt an, „weil der subjektive Eindruck von Lautstärke wichtig ist, wenn es darum geht, gemeinsam ein Viertel zu gestalten.“ Eine bloße Messung könne die Gefühle der Menschen nicht ersetzen, die sie verspüren, wenn sie durch ihren Stadtteil laufen.

Hoher Parksuchverkehr in Holsterhausen

Unsere erste Station ist eine Seitenstraße nahe der der vielbefahrenen Hufelandstraße. Zu Beginn fällt es mir schwer, die Augen zu schließen und mich nur auf die Geräusche um mich herum zu konzentrieren. Viel zu ablenkend ist die Mutter, die ihr Kind im Wagen vorbeischiebt oder der Hund, der am Baum gegenüber schnüffelt. Ich merke, dass ich vor allem auf das achte, was ich sehe und weniger auf die Geräuschkulisse.

Autorin Laura Lindemann hält ihre Eindrücke beim Hörspaziergang auf einem Zettel fest.
Autorin Laura Lindemann hält ihre Eindrücke beim Hörspaziergang auf einem Zettel fest. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

„Eine angenehme akustische Umgebung wird durch Mobilität bewirkt – und kann Mobilität fördern“, erklärt Hornberg. Denn schließlich müsse man sich fragen, ob man an einer lärmenden Straße gerne entlang laufen möchte.

Gerade Holsterhausen habe ein prägnantes Problem mit der Parksituation, fügt er hinzu. „Viele Arbeitnehmende fahren mit dem Auto zu ihrer Arbeit, so entsteht hier ein hoher Parksuchverkehr.“

Hörspaziergang: An keinem Ort ist es still

Hornberg führt uns zur nächsten Station, mitten auf die Hufelandstraße. Wo dreißig Meter weiter noch Kinder lachten und Vögel zwitscherten, höre ich hier ausschließlich den Lärm der Hauptstraße. Die Natur ist gänzlich verschwunden. Auf meinem Zettel kann ich ankreuzen, ob es hier lebendig oder chaotisch klingt. Fast hätte ich ein klares „Ja“ angekreuzt. Doch: Wenn ich genauer hinhöre, klingt der Motorenlärm auf der Straße eher monoton.

Ähnlich laut ist es auch an den folgenden Stationen. Mal stehen wir an einer Hauptstraße, mal in einer verkehrsärmeren Umgebung. Doch niemals ist es still.

Hörspaziergang durch Holsterhausen: Eindrücke sammeln und auswerten

Um einen ausgewogeneren akustischen Eindruck des Viertels zu bekommen, hätte ich mir gewünscht, an ruhigeren Orten, wie der Fahrradstraße Gemarkenstraße, dem Haumannpark oder Friedhof zu halten. Denn auch diese Ecken gibt es in Holsterhausen.

„An den Orten, die wir besuchen, sollte man die Möglichkeit haben, etwas verändern zu können“, erklärt Hornberg daraufhin. Ein Besuch auf dem Friedhof passe daher nicht ins Konzept. Denn schließlich gehe es darum, an verkehrsintensiven Orten Konzepte zu finden, die die Aufenthaltsqualität erhöhen. Einen konkreten Handlungsansatz gibt es am Ende des Spaziergangs allerdings noch nicht. Das Team des Instituts für Urban Public Health wertet nun die Eindrücke der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus, um Ideen zu entwickeln, wie Mobilität hier künftig aussehen kann.

>>> Infos zu den Hörspaziergängen

Die nächsten Hörspaziergänge finde am 2., 3., und 4.8., jeweils von 18 bis 19 Uhr in der Innenstadt statt. Alle Infos unter uk-essen.de.

Die Hörspaziergänge sind Teil des Forschungs- und Praxisprojektes „Be-MoVe“. Ziel dieses Projektes ist laut Stadt, „mithilfe eines beteiligungsorientierten Ansatzes aktive Mobilität zu stärken“. Als Teil des Förderprogramms „Mobilitäts-WerkStadt 2025“ des Bundesforschungsministeriums (BMBF) möchte die Stadt Essen demnach öffentliche Räume und Verkehrsinfrastrukturen neu gestalten, um die Aufenthaltsqualität und Mobilität zu verbessern. Besonders der Fuß- und der Radverkehr soll dabei in den Fokus gerückt werden.