Essen-Südviertel. Viele Handwerksberufe klagen über Nachwuchsprobleme. Doch beim Essener Goldschmied Zeno Ablass stapeln sich die Bewerbungen. Die Gründe.
Langsam dreht Angelina De Bellis den silbernen Armreif hin und her, prüft ein letztes Mal, ob sie noch etwas ausbessern muss. Sägen, feilen und montieren: Seit knapp einem Jahr erlernt sie bei Zeno Ablass im Essener Südviertel das Handwerk einer Goldschmiedin.
Dass sie einmal in einer Schmiede arbeiten wird, stand für die heute 21-Jährige bereits in der siebten Klasse fest. „Schon als Kind habe ich es geliebt zu basteln. Und das ist jetzt wie Basteln für Fortgeschrittene“, sagt sie.
Goldschmieden in Essen: Mehr Bewerber als Ausbildungsplätze
Einen Ausbildungsplatz in ihrem Traumberuf zu ergattern, sei allerdings alles andere als leicht gewesen. De Bellis schrieb zahlreiche Bewerbungen – und erhielt eine Absage nach der anderen. Das liegt vor allem daran, dass lediglich ein Drittel der insgesamt 15 Goldschmieden, die in der Essener Innung vertreten sind, überhaupt ausbildet, sagt Wolfgang Dapprich, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Essen.
Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitsagentur, des Jobcenters, des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Industrie- und Handelskammer stattete Dapprich im Rahmen der sogenannten Ausbildungstour der Goldschmiede von Zeno Ablass einen Besuch ab.
Initiative versucht, junge Essener für Ausbildung begeistern
Seit mehr als 25 Jahren sind die Akteurinnen und Akteure zusammen im Rahmen des „Ausbildungskonsens“ unterwegs. Ursprünglich war das Ziel der Initiative, Betriebe davon zu überzeugen, selbst Nachwuchskräfte auszubilden. Denn für die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten „Baby-Boomer“, mangelte es an Plätzen.
In einigen Handwerksbranchen, wie etwa der Goldschmiede, gibt es diese Problematik weiterhin, so Dapprich. Mittlerweile gehe es jedoch vor allem darum, überhaupt junge Menschen für einen Handwerksberuf zu begeistern.
Fachkräftemangel: 1300 freie Ausbildungsplätze in Essen
Laut Agentur für Arbeit sind derzeit 1300 Ausbildungsstellen in Essen nicht besetzt. Hatten sich im vergangenen Jahr noch mehr als 100 junge Menschen auf eine kaufmännische Ausbildung beworben, sind es in diesem Jahr nur rund 30, so Dapprich: „Wir suchen händeringend junge Menschen, die bereit sind, eine Ausbildung anzufangen.“
Dafür kooperiere der Ausbildungskonsens bereits mit Lehrkräften. Die Möglichkeit, nach dem Schulabschluss eine Ausbildung zu beginnen, soll wieder mehr ins Bewusstsein der Schülerinnen und Schüler rücken.
Essener Goldschmied bildet aus – um Handwerk zu bewahren
Denn dass sich wie bei Goldschmied Zeno Ablass die Bewerbungen stapeln, bleibt in Essen die Ausnahme. Der Gold- und Silberschmiedemeister sieht sich selbst in der Verantwortung, Nachwuchskräfte auszubilden – um das Handwerk zu bewahren.
Dass viele seiner Kolleginnen und Kollegen keine Lehrlinge einstellen, liegt laut Ablass an fehlenden Kapazitäten. Außerdem kritisiert er, dass seit diesem Schuljahr die Auszubildenden nicht mehr einmal wöchentlich die Schule besuchen müssen, sondern fortan im Block unterrichtet werden und somit für längere Zeit am Stück nicht in der Schmiede mitarbeiten können.
Ein weiterer Grund: 2020 hat die Bundesregierung einen Mindestlohn für Auszubildende festgelegt, den sich nicht alle Betriebe leisten können oder wollen. Derzeit liegt der Mindestlohn für Azubis im ersten Lehrjahr laut Landesinnungsverband der Gold- und Silberschmiede bei 585 Euro pro Monat, 2023 soll er auf 620 Euro steigen.
Goldschmied als „Traumberuf“ für viele Essener
Die überdurchschnittlich gute Bewerberlage bei Goldschmieden ist laut Ablass aber auch darauf zurückzuführen, dass der Beruf für viele immer noch ein „absoluter Traumberuf“ ist. Seine Auszubildende Angelina De Bellis begeistert an der Arbeit vor allem, dass sie dabei so kreativ sein kann.
Für sie ist das Schmieden von Gold mehr als ein Job. Erst vor kurzem habe sie sich extra drei Tage freigenommen, um ein ganz persönliches Schmuckstück herzustellen: „Ich habe Partnerringe für mich und meinen Freund gemacht. Auch wenn das vielleicht etwas kitschig ist, mir hat es total viel Spaß gemacht.“