Essen. Ein Essener Politiker arbeitet als Saisonkraft im Freibad. Seine ersten Eindrücke sind gut. Warum er trotzdem einen bösen Blick eingeübt hat.

Ins Wasser musste er noch nicht, aber die Trillerpfeife hat er an manchen Tagen ausgiebig genutzt: Nach einem halben Dutzend Einsätzen als Rettungsschwimmer im Essener Oststadtbad zieht der Grüne Ratsherr Ulrich Pabst eine positive Zwischenbilanz: „Den Job kann ich empfehlen, und das Schwimmbad kann ich auch empfehlen.“

Essener Ratsherr jobbt im Freibad

Mit der Politik und seiner Arbeit als selbstständiger Informatiker ist der 57-Jährige eigentlich ausgelastet. Als sportpolitischer Sprecher seiner Fraktion wollte er jedoch der Frage nachgehen, warum sich Jahr für Jahr weniger Saisonkräfte für die Freibäder finden. Als erste Hürde beschreibt Pabst das Rettungsschwimmerabzeichen in Silber, das alle Saisonkräfte vorlegen müssen. Er selbst meisterte die anspruchsvolle Prüfung im zweiten Anlauf.

[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Essen. Den Essen-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen.]

„Anders als ein Kollege musste ich in der Praxis noch nicht ins Becken springen, um jemanden zu retten“, erzählt er. Allerdings habe er manchen Badegast vorsorglich aus dem Wasser geholt – oder erst gar nicht hineingelassen: Etwa den Jungen, der mit bangem Blick oben an der Rutsche stand. Auf die Frage, ob er schwimmen könne, bejahte der Kleine. Woraufhin Pabst erwiderte: „Dann zeig mir das mal im Becken.“ Das konnte der Junge nicht. Der dann hinzukommende Vater habe seine Sorge nicht ernst genommen, sagt Pabst: „Dabei hatte das Kind nicht mal eine Schwimmhilfe.“

Kleinkinder am Beckenrand – Mutter schaut aufs Handy

Dass er Eltern herbeiholen müsse, weil sie nicht oder nur halbherzig auf ihre Kinder aufpassen, sei ihm wiederholt passiert. „Da turnten drei ganz Kleine mit Schwimmwindeln am Beckenrand ‘rum, vielleicht anderthalb Jahre alt, und die Mutter schaute aufs Handy.“ Wenn es wie am Sonntag (24. Juli) heiß und voll sei, bedeute der Job daher permanente Konzentration. Zumal viele Kinder auch in dem seichten Wasser nicht stehen können. „Wir haben zu zweit das Nichtschwimmerbecken mit 200, 250 Badegästen beaufsichtigt. Da hat man schon Stress.“

Voraussetzung: Rettungsschwimmerabzeichen in Silber

Die Sport- und Bäderbetriebe Essen suchen für die Freibäder Rettungsschwimmer, die ein Deutsches Rettungsschwimmerabzeichen (DRSA) in Silber haben, das nicht älter als zwei Jahre und mindestens bis September 2022 gültig ist. Auskünfte unter: 0201 88-52 234 und0201 88-52 237. Weitere Infos auf: www.essen.de/schwimmen

Unter 18-Jährige können nicht eingestellt werden. Gearbeitet wird im Schichtbetrieb von montags bis sonntags. Es handelt sich um sozialversicherungs- und steuerpflichtige Tätigkeiten, die nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst bezahlt werden.

Im Gespräch mit Kollegen hat Ulrich Pabst erfahren, dass manche lieber auf 450-Euro-Basis arbeiten würden. Andere wünschen sich feste Verträge fürs ganze Jahr: „Die würden auch gern im Winter zehn Wochenstunden im Hallenbad einspringen.“ Die Stadt müsse der Vertragsgestaltung flexibler sein, um Rettungsschwimmer zu gewinnen und zu halten, glaubt der grüne Ratsherr.

Mit dem Grugabad, das am heißesten Tag in diesem Sommer 11.000 Besucher zählte, sei das kleinere Oststadtbad nicht zu vergleichen. Auch brauche es drei heiße Tage, bis der große Ansturm komme. Dann müsse man aufpassen, dass Jugendliche nicht vom – mit Seilen gesperrten – Beckenrand springen. Natürlich versuchen sie es doch, blicken sich um, ob „der Bademeister“ schaut. Und wie der schaut! „Ich hab’ an meiner Autorität gearbeitet und kann jetzt auch mit Sonnenbrille böse gucken.“

Meist versuche er es mit Freundlichkeit und erklärenden Worten: Wenn ein Kind auf dem Bauch oder im Stehen rutschen will, bitte er es, mal das Schild an der Rutsche vorzulesen: „Sitzend rutschen“, stehe da. Vielen Erwachsenen müsse er sagen, dass das Fotografierverbot im Bad auch verhindern soll, dass Bilder fast unbekleideter Kinder im Internet kursieren: „Die Leute sagen dann, dass sie ja nur die eigenen Kinder fotografieren wollen, aber sie verstehen es.“

An heißen Tagen braucht er die Trillerpfeife öfter

Die meisten sähen auch ein, dass Baumwollkleidung im Wasser nichts zu suchen hat, nur wenige bleiben stur. Einem Uneinsichtigen habe er erklärt: „Ich kann auch die Security holen, dann kommste hier gar nicht mehr rein.“ Ganz allgemein helfe die bloße Präsenz der Sicherheitsleute, „und dass viele von ihnen Arabisch sprechen, hilft auch“. Ihm selbst komme zugute, dass er knapp 1,90 Meter groß und 100 Kilo schwer sei.

Pabst selbst sagt, dass er am ersten Tag noch sehr nachgiebig war, während er am Sonntag (24. 7.) oft zur Trillerpfeife griff. Ein Ausnahmetag sei das gewesen, ansonsten sei er überrascht, wie gesittet es zugehe: Er schätze, dass sich 95 Prozent der Leute an die Regeln hielten, von den restlichen fünf Prozent reagiere der Großteil auf Ansprache. „Und dann hat man noch ein paar Spinner.“ Wenn’s heiß ist, steige der Spinner-Anteil, bei den Frühschwimmern liege er praktisch bei Null: „Die Schicht ist beliebt, obwohl man um 5.30 Uhr starten muss. Da sind nur Leute im Wasser, die schwimmen können und ruhig ihre Bahnen ziehen.“