Essen. Andere beklagen den Mangel an Saisonkräften – ein Essener Ratsherr packt an: Er hat das Rettungsschwimmabzeichen gemacht und startet im Freibad.
Händeringend sucht die Stadt Essen nach Saisonkräften für die Freibäder, nun hat sich ein unvermuteter Kandidat gefunden: Ulrich Pabst ist Grünen-Politiker, Ratsmitglied, selbstständiger Informatiker – und bald Rettungsschwimmer im Oststadtbad in Freisenbruch. Seine Motivation bringt der 57-Jährige auf eine schlichte Formel: „Ich ärgere mich immer, wenn alle nur sagen, was nicht klappt.“
Essener Ratsherr bald am Beckenrand im Einsatz
Pabst ist sportpolitischer Sprecher seiner Fraktion und weiß aus dem Sportausschuss nur allzu genau, was in Sachen Saisonkräfte nicht klappt: Seit Jahren gestaltet sich die Personalgewinnung schwierig, in der aktuellen Saison hatte das gar zur Folge, dass mit dem Grugabad Anfang Mai nur eins von drei städtischen Freibädern pünktlich an den Start gehen konnte. Die Kombibäder Kettwig und Oststadt folgten erst Wochen später und mit eingeschränkten Öffnungszeiten.
„Es kann doch nicht sein, dass die Freibäder in der Ferienzeit nicht aufmachen“, sagte sich Pabst und bewarb sich eine Woche vor Beginn der Schulferien bei den Sport- und Bäderbetrieben. „Ich wollte mal verstehen, was da schiefläuft.“ Einen Teil des Problems hat er inzwischen erkannt: Anders als es das gern gepflegte Klischee vom Bademeister will, braucht man für die Aufgabe mehr als Sonnenbrille, weiße Shorts und laute Stimme („Obwohl ich die auch habe.“). Nötig ist etwa das durchaus anspruchsvolle Rettungsschwimmabzeichen in Silber: Dafür muss man zum Beispiel 200 Meter Rückenschwimmen ohne Armtätigkeit, 300 Meter in Kleidung schwimmen oder 25 Meter Streckentauchen.
Ulrich Pabst sparte sich den zeitraubenden Vorbereitungskurs und meldete sich gleich zur Prüfung bei der DLRG an; einen Termin habe er binnen weniger Tage bekommen. Er meisterte die genannten Aufgaben, nur um dann beim Abschleppen einer zu rettenden Person zu scheitern. Das sei über 50 Meter doch ziemlich kraftraubend. Dabei ist Pabst gut trainiert: Er geht zwar nicht oft schwimmen, hat aber eine gute Kraul-Technik und auch schon mal am Ruhrschwimmen teilgenommen. Außerdem fährt er Jahr für Jahr 6000 bis 7000 km mit dem Rad. Kurz: „Kondition ist nicht das Problem.“
Tochter schenkte ihm ein Goldkettchen für den Job im Freibad
Also trat er die Prüfung Anfang Juli – eine Woche nach dem ersten Versuch – erneut an, diesmal mit Erfolg. Auch einen Erste-Hilfe-Kurs hat er absolviert. „Insgesamt habe ich fast 30 Stunden gebraucht, bis ich meinen Vertrag unterzeichnen konnte.“ Wer erst noch den Rettungsschwimmkurs mache, brauche deutlich länger bis er als Saisonkraft einsatzfähig sei. Und mancher werde wohl die sportliche Herausforderung nicht bewältigen. Dass die Stadt Essen bislang keine 450-Euro-Verträge vergab, dürfte ein weitere Hürde sein, vermutet Pabst.
Er selbst wolle seinen 19,5-Stunden-Vertrag mit der Stadt übrigens erfüllen, zumindest während der Sommerferien: Solange der Politikbetrieb ruht, bleibt ihm neben dem Beruf die nötige Zeit. Am Samstag (16. Juli) hat Pabst seinen ersten Einsatz im Oststadtbad; das sei für ihn von seinem Wohnort Schonnebeck, gut mit dem Rad zu erreichen. „Vermutlich kommen einige Leute vorbei, um sich das anzugucken.“ Sie werden Pabst nicht in weißen Shorts sehen: In Essen trägt das Freibadpersonal blaue Shorts zu roten Shirts. „Meine Tochter hat mir dazu ein Goldkettchen besorgt.“ So viel Klischee muss sein.