Essen. Einen Monat nach den Ausschreitungen auf der Altendorfer Straße ist die Lage aus Sicht der Polizei ruhig - aber nach wie vor unübersichtlich.
Der Ausnahmezustand weicht nach und nach dem Alltag in Essen-Altendorf: Nach den Massenschlägereien vor vier Wochen herrscht wieder reger Betrieb bei der Gastronomie wie in den Geschäften. Umsatzeinbußen scheinen entlang der Altendorfer Straße kein Thema mehr zu sein, und es gibt sogar etwas für umsonst: Das soziale Projekt Mobilitea bringt mit seinem kostenlosen Getränkeausschank genau dort die Menschen zu Gesprächen zusammen, wo die Gewalt ihren Lauf nahm und danach fast ängstliches Schweigen herrschte.
Vor dem Restaurant „Tava“ heißt es nun jeden Dienstag zwischen 15 und 18 Uhr Tee trinken und miteinander ins Gespräch kommen. Dort, an der Altendorfer Straße 323, hatte Ende Juni die erste Massenschlägerei mit rund 400 Beteiligten begonnen, bevor sich tags drauf etwa 100 Clan-Mitglieder erneut eine Straßenschlacht lieferten. Ein 30-Jähriger erlitt dabei eine schwere Stichverletzung.
Die Verunsicherung im Stadtteil war groß
„Das ist ein Supersignal für die normalen Leute“, ist Wolfgang Zacheja überzeugt, der nach seiner Pensionierung als Polizist nun als Streetworker im Auftrag des Diakoniewerks im Stadtteil unterwegs ist: „Ansprechpartner sind wichtig.“
Zumal die Verunsicherung groß war, nachdem die Gewaltausbrüche nicht nur das Quartier und seine Bewohner erschüttert hatten. Die Polizei war mit einer Mobilen Wache vor Ort, zeigte verstärkt Präsenz mit Streifenwagen und hat nach wie vor alle Hände voll zu tun, Licht ins Altendorfer Dunkel zu bringen, um die Straftaten am Ende hoffentlich ahnden zu können.
„Die Lage hat sich beruhigt, wir hoffen, es bleibt so“, bestätigte deren Sprecher Matthias Werk am Montag. Allerdings ist sie nach wie vor unübersichtlich: Auch nach einem Monat laufen die Ermittlungen wie die Vernehmungen weiter, Videomaterial wird ausgewertet, mit dem Ziel möglichst viele an den Tumulten Beteiligte zu identifizieren und sie mittels gerichtsfester Beweise auf die Anklagebank zu bringen.
Die Erkenntnisse reichen für Haftbefehle nicht aus
Den durchschlagenden Erfolg hat die Polizei bislang nicht zu verkünden, noch reichen die Erkenntnisse für Haftbefehle nicht aus und der zumindest identifizierte mutmaßliche Messerstecher konnte ebenfalls nicht gefasst werden.
Kurz nach dem Gewaltexzess am 25. Juni war für Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen klar: „Solche Taten sind nicht nur strafbar, sie schaden auch massiv dem Ansehen des Stadtteils Altendorf und der Stadt Essen und nicht zuletzt schaden sie auch allen in diesem Zusammenhang unternommenen Integrationsbemühungen der vergangenen Jahre.“
Worte, die bei den Rädelsführern natürlich nicht ankamen. Nicht einmal eine Woche nach den Straßenkämpfen drohte der Konflikt zu eskalieren: Die Polizei stellte nächtens auf dem Borbecker Markt eine Gruppe von elf vermummten Clan-Mitgliedern - und dabei scharfe Waffen sicher.
Mit den Behörden will offenbar niemand sprechen
Wie Polizeisprecher Pascal Schwarz-Pettinato nach dem Zugriff berichtete, handelte sich um zwei Handfeuerwaffen und dazugehörige Munition. Auch ein Einhandmesser und ein Teleskopschlagstock wurden in einem Auto entdeckt. Bei den Verdächtigen handelte sich ausnahmslos um Angehörige einer der beiden verfeindeten Clans. Was die Verdächtigen planten, verrieten sie der Polizei natürlich nicht. Viel lieber leugneten sie, dass ihnen die Waffen gehören sollten.
Weil mit den Behörden nicht wirklich jemand sprechen will, blieben die Hintergründe der angeblich schon seit längerem schwelenden Clan-Fehde den Ermittlern bislang ebenso verborgen. Und dass es am Ende womöglich ein Friedensrichter war, der für Ruhe im Sprengel sorgte, ist inzwischen auch nicht mehr als nur eine Vermutung.