Essen. Nach Massentumulten spricht die Polizei von einer außerordentlich dynamischen Lage. Vermummte und bewaffnete Clan-Mitglieder in Borbeck gestoppt.

Die Essener Polizei hat womöglich eine blutige Eskalation der weiter schwelenden Fehde zwischen zwei arabischen Großfamilien verhindert: Wenige Tage nach den Massentumulten mit rund 400 und 100 Beteiligten am Samstag und Sonntag in Altendorf stellten Einsatzkräfte in der Nacht zum Mittwoch auf dem Borbecker Markt eine Gruppe von elf vermummten Clan-Mitgliedern - und dabei scharfe Waffen sicher.

Wie Polizeisprecher Pascal Schwarz-Pettinato berichtete, handelte sich um zwei Handfeuerwaffen und dazugehörige Munition. Auch ein Einhandmesser und ein Teleskopschlagstock wurden in einem Auto entdeckt. Bei den Verdächtigen handele sich ausnahmslos um Angehörige einer der beiden verfeindeten Sippen, so Schwarz-Pettinato. Was die Verdächtigen planten, verrieten sie der Polizei natürlich nicht. Viel lieber leugneten sie, dass ihnen die Waffen gehören sollten.

Hinweise von Anwohnern auf eine Zusammenrottung auf dem Borbecker Markt

Die Polizei hatte im Vorfeld Hinweise von Anwohner bekommen, dass sich auf dem Borbecker Markt augenscheinlich etwas zusammenbraute. Mehrere Autos unter anderem mit auswärtigen Kennzeichen wurden der Leitstelle gemeldet. Es sollen jedenfalls deutlich mehr als jene fünf Fahrzeuge gewesen sein, die beim Eintreffen der Beamten dort noch standen.

Es war nicht der erste Waffenfund nach den gewaltsamen Ausschreitungen mit einem Schwer- und mehreren Leichtverletzten am Wochenende auf der Altendorfer Straße. Am Montag bereits hatten Polizisten diverse Schlagwerkzeuge, Messer, Macheten und einen Elektroschocker aus dem Verkehr gezogen, als sie in den Abendstunden einen 1er BMW auf der Körnerstraße kontrollierten.

Die vier Insassen, junge Männer im Alter von 17 bis 20 Jahren, „wiesen Clan-Bezüge auf“, sagt der Sprecher der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) Clan. Drei von ihnen sind Deutsche, einer hat die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft.

Während die drei Volljährigen ihre Nacht im Polizeigewahrsam verbrachten, wurde der 17-Jährige seinen Eltern übergeben.

Drei weitere Verletzte bei einer Straßenschlacht

Die Essener Polizei hat am Mittwoch erstmals eine Chronologie der Gewaltausbrüche im Essener Clan-Milieu veröffentlicht, in der sich einige wenige neue Details finden. Etwa, dass es bei der zweiten Straßenschlägerei am Sonntag an einer unbeobachteten Stelle der Haskenstraße in Altendorf ebenfalls Verletzte gegeben hat.

Drei Beteiligte erlitten bei der Straßenschlacht Blessuren, wenn auch nur leichte. Um diese neuerliche Ausschreitung zu unterbinden, wurden mehrere Platzverweise durch die eingesetzten Beamten ausgesprochen und zwei 19 und 20 Jahre alte Rädelsführer mit ungeklärter Staatsbürgerschaft in Gewahrsam genommen - „was zu einer schnellen Beruhigung der Situation führte“, so Schwarz-Pettinato.

Am Dienstagabend dann hat die Polizei davon Wind bekommen, dass ein sogenannter „Friedensrichter“ zur Beilegung des Konflikts durch die beiden beteiligten Familienclans eingeschaltet worden sein soll. Die Polizei Essen macht in ihrem Bericht deutlich, dass sie keine solche Paralleljustiz dulde. „Friedensrichter missachten wissentlich das Rechtssystem unseres Staates“, sagt der Polizeisprecher.

Die Hintergründe des Konflikts sind nach wie vor unklar

Mit dessen Einsatz und der Anerkennung seiner Entscheidung durch die verfeindeten Parteien werde das Ermittlungsverfahren der rechtsstaatlichen Behörden massiv erschwert und ein wichtiges Fundament der Gesellschaft untergraben.

Insgesamt sprechen die Behörden von einer „außerordentlich dynamischen Lage“, die man im Blick behalte und immer dann konsequent einschreite, wenn Rechtsverstöße festgestellt werden. Und davon gibt es mittlerweile eine ganze Reihe. Fast 100 an den Massentumulten Beteiligte sind identifiziert. Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln unter anderem wegen gefährlicher und einfacher Körperverletzung, schweren Landfriedensbruchs und Verstößen gegen das Waffengesetz in zig Fällen.

Die genauen Hintergründe des Clan-Konflikts, der sich weiter zuzuspitzen scheint, sind nach wie vor unklar, heißt es.