Essen. Seit Corona haben sich viele Essener ein Tier angeschafft. Das bekommt das Tierheim Essen zu spüren: Die Zahl der Fundtiere ist enorm gestiegen.
Wenn sie angeschafft werden, sind Balou und Minka zunächst die liebsten Schmusetiere, die man sich sehnlichst gewünscht hat. Doch sobald der lang ersehnte Sommerurlaub naht, werden sie öfter behandelt wie ein lästiger Wegwerfartikel. „Die Zahl der Fundtiere hat sich in Essen zu Beginn der Sommerferien enorm erhöht“, berichtet Jeanette Gudd, Chefin des Albert-Schweitzer-Tierheims an der Grillostraße. Aus der nüchternen Feststellung der Tierschützerin ist ihr Unmut über diesen Missstand deutlich herauszuhören.
„Als Corona ausbrach, haben sich immer mehr Menschen ein Tier angeschafft“
„Die Leute machen sich einfach keine Gedanken über das Tierwohl“, fügt sie hinzu. Normalerweise werden in der Grillostraße acht bis zehn Fundtiere pro Woche angenommen. „In der ersten Hälfte der Sommerferien waren es mehr als 23 pro Woche.“ Über die Neuankömmlinge wird genau Buch geführt. Und auch über die Anfragen derer, die ihr Tier abgeben wollen.
In einer Ferienwoche gab es beim Tierheim Anfragen für zehn Hunde, 20 Katzen und acht Kleintiere. Zahlen, die unterstreichen, welcher Druck auf das Tierheim lastet. Die zunehmende Not der Tiere an der Grillostraße hat indirekt auch mit der Pandemie zu tun. „Als Corona ausbrach, haben sich immer mehr Menschen ein Tier angeschafft“, so die Leiterin. So sei es jetzt keine Überraschung, dass sich die Zahl der Fundtiere stark erhöhe.
Tier-Hotels sind in den Ferien oft bereits ausgebucht
Eine typische Situation: Während die Koffer für den Flug in den Süden gerade gepackt werden, sagen der Nachbar oder die beste Freundin, die den Hund oder Katze eigentlich in Pflege nehmen wollten, plötzlich ab. Eine Tierpension oder ein Tierhotel wären an sich eine sinnvolle Alternative.
Doch die sind in den Sommerferien meistens längst ausgebucht. In der Abwägung Urlaub oder Vierbeiner seien letztere viel zu oft die großen Verlierer. Gudd: „Der Urlaub geht für viele dann leider vor.“ Und dann werden die Vierbeiner, weil oft auch nicht gechippt, einfach an den nächsten Laternenmasten gebunden und kaltblütig abgeschoben oder nachts nahe dem Tierheim abgestellt.
Keine Verpflichtung Abgabetiere anzunehmen
Eine Verpflichtung, Abgabetiere anzunehmen, gebe es für das Tierheim nicht. „Das ist ein Service unseres Tierheims“, stellt Jeanette Gudd klar. Als städtisches Tierheim sei man hingegen verpflichtet, Not-Inobhutnahmen vorzunehmen oder sichergestellten Tieren ein Dach über dem Kopf zu geben. Abgabetiere dürften nur in der Grillostraße bleiben, wenn das Tierheim ausreichend Platz habe.
Eine Not-Inobhutnahme liege beispielsweise vor, wenn Frauchen nach einem Unfall oder wegen einer schweren Erkrankung für längere Zeit ins Krankenhaus müsse oder schlimmstenfalls verstorben sei. Wenn es keine Verwandten oder Bekannten gibt, nehme das Tierheim den Vierbeiner in Obhut. Dasselbe gilt für sichergestellte Tiere, die möglicherweise eine Gefahr darstellen oder selbst misshandelt werden und deshalb auf Geheiß der Ordnungsbehörde dem Halter weggenommen würden.
Katzen werden im Tierheim vor der Vermittlung kastriert
Das Team des Albert-Schweitzer-Tierheims versucht, die Fundtiere in der Aufnahmestation wieder aufzurichten. „Sie werden entwurmt, entfloht und geimpft“, so die Tierheim-Leiterin. Katzen würden auch kastriert werden. „Danach kommen sie in die Vermittlung“, so Gudd. Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Zu Beginn der zweiten Ferienhälfte habe sich das Fundtier-Problem ein wenig entspannt.