Essen. Im Schwarzbuch Krankenhaus berichten Pflegekräfte von Katastrophen in ihrem Alltag. Die Uniklinik Essen bittet Mitarbeiter, Missstände zu melden.

Die Berichte sind verstörend: Da geht es um werdende Mütter, für die kein Kreißsaal frei ist; um Patienten, die mit Luftnot ringen, in Todesangst geraten, vergeblich klingeln. Oder die gar in einem Wartezimmer ersticken, „weil kein Personal da war, welches bemerkt hatte, dass eine Sauerstoffflasche leergelaufen war“. Beschäftigte der sechs Unikliniken in NRW schreiben auf der Seite „Schwarzbuch Krankenhaus“, warum sie gerade streiken, was Personalmangel für ihren Arbeitsalltag bedeutet – und für das Wohl der Patienten. Auch an der Uniklinik Essen haben sie ihre Schwarzbuch-Flyer plakatiert. Allerdings kann niemand sagen, ob sich einzelne der Vorfälle in Essen zutrugen, denn alle Protokolle sind anonym.

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Auf Anfrage sagt die Uniklinik Essen daher nur allgemein, dass man „seit vielen Jahren permanent und intensiv an der Verbesserung der Patientensicherheit“ arbeite. „Als eine von wenigen Unikliniken werden bei uns sämtliche gemeldete Fälle systematisch aufgearbeitet und analysiert, um fehlerbeeinflussende Faktoren zu identifizieren und abzustellen.“

Hilfreiche Konsequenzen für den Klinikalltag kann eine solche Analyse selbstredend nur haben, wenn möglichst viele Betroffene melden, sobald etwas schief läuft. Dazu will die Uniklinik Essen sie ermutigen: „Besonders wichtig ist uns dabei eine auf Vertrauen basierende Fehler- und Sicherheitskultur.“ Seit 2019 verantworte Dr. Ruth Hecker als „Chief Patient Safety Officer“ das wichtige Thema. Gleichzeitig sei sie Vorsitzende des deutschlandweit präsenten Aktionsbündnisses Patientensicherheit.

Uniklinik Essen plant Studie zur Belastungssituation

Glaubt man den Berichten von Pflegekräften, Hebammen oder Mitarbeitern im Patiententransport auf der Schwarzbuch-Seite, liegt da manches im Argen. So berichtet eine Pflegekraft, wie sie einem hochbetagten Covid-Patienten am Bildschirm beim Sterben zusehen musste, statt sich zu ihm zu setzen: Sie habe auch die Monitore anderer Patienten im Blick behalten müssen. Eine andere sagt, sie habe einer Patientin mit Oberschenkelhalsbruch nicht zur Toilette helfen können, weil andere Patienten in der Notaufnahme um ihr Leben rangen und ihre Hilfe dringender brauchten. Stundenlang habe die Frau in ihrem Urin gelegen.

Protokolle aus dem Arbeitsalltag der Beschäftigten an den Unikliniken in NRW listet das Schwarzbuch Krankenhaus auf. Plakate hängen auch an der Uniklinik Essen.
Protokolle aus dem Arbeitsalltag der Beschäftigten an den Unikliniken in NRW listet das Schwarzbuch Krankenhaus auf. Plakate hängen auch an der Uniklinik Essen. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Überprüfen lassen sich die Vorfälle nicht, doch sollten sie sich so zugetragen haben, illustrieren sie eindrücklich, was Pflegenotstand bedeutet. Am Uniklinikum Essen wüsste man es gern aus erster Hand: Derzeit plane man mit weiteren Akteuren eine wissenschaftliche Studie zur Arbeits- und Belastungssituation von Klinikpersonal und zur Patientensicherheit an den Unikliniken im Land. „Diese Studie wird alle Berufsgruppen aktiv miteinbeziehen“, kündigt die Uniklinik an.

Gewerkschaft fordert Entlastung für sämtliche Beschäftigte in den Kliniken

Damit folgt sie dem Ansatz der Gewerkschaft Verdi, die mit dem aktuellen Streik für sämtliche Beschäftigte an den Unikliniken Entlastung fordert. Das hiesige Klinikum setzt nun darauf, dass die Ergebnisse der Studie zusammen mit den bereits praktizierten Standards und Kontrollmechanismen dazu beitragen, „die Patientensicherheit an der Universitätsmedizin Essen noch weiter zu verbessern“.

Die Protokolle der Beschäftigten finden sich auf: https://schwarzbuch-krankenhaus.net/