Essen-Bredeney. Die rund 100 Jahre alte Villa Kampschulte in Essen-Bredeney war immer ein Ort der Kultur. Warum sie heute Fluch und Segen für ihre Besitzer ist.
- Die Villa Kampschulte in Essen-Bredeney besteht fast 100 Jahre.
- Dort lebte der erste Essener Oberbürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg.
- Jetzt veröffentlicht die Eigentümerfamilie ein Buch über das geschichtsträchtige Haus.
Mit Menschen, Kultur und Geschichte der historischen Villa Kampschulte in Essen-Bredeney beschäftigt sich ein Buch, das im Rahmen einer Vernissage am Samstag, 9. Juli, der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll. Die Villa ist eng mit der Essener Stadtgeschichte verbunden.
In dem 1924-26 erbauten Gebäude an der Graf-Bernadotte-Straße 15 lebte einst der erste Essener Oberbürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg, Hugo Rosendahl. Bis heute wohnen in dem seit 1989 denkmalgeschützten, stark renovierungsbedürftigen Gebäude dessen Tochter Ursula Kampschulte sowie eine Enkelin und ein Enkel. „Meine Mutter wird jetzt 93, ihr Geburtstag war quasi der Anlass für das Buch“, sagt Enkelin Anne Kampschulte (64). Die Bildhauerin lebt teils in Bredeney, teils in Spanien und veranstaltet in regelmäßigen Abständen Ausstellungen, Konzerte und Lesungen in der Villa.
„Zum einen ist die Atmosphäre hier sehr besonders und gut geeignet für einen künstlerischen Austausch, zum anderen ist das eine Gelegenheit, das Gebäude bekannter zu machen und eventuell Sponsoren zu finden“, erklärt die Bildhauerin. Seit Jahren kämpfen sie und ihre Geschwister um den Erhalt der Villa, die aufgrund von Bergschäden seit vielen Jahren Schieflage hat und auch sonst aufwendige und teure Reparaturen benötigt. „Wir improvisieren derzeit“, sagt Anne Kampschulte, die nicht ausschließen kann, dass die Familie die Villa irgendwann verkaufen muss. „Solange meine Mutter hier lebt, wird das aber nicht passieren.“
Die Villa in Essen-Bredeney ist mit der Stadtgeschichte verknüpft
Über die Villa, erbaut nach den Entwürfen der Architekten Eggeling und Schaefer, gibt es viel zu erzählen. „Aus der ursprünglich angedachten Broschüre hat sich in den vergangenen zwei Jahren eine umfangreiche Dokumentation mit vielen Fotos entwickelt“, sagt Anne Kampschulte. Die Texte, die sich mit der Architektur des Hauses beschäftigen, stammen von dem Architekten Klaus Ulaszewski, die Kapitel über die Familie von Anne Kampschultes Cousine, der Journalistin Regine Schulte-Lippern, für Fotografie und Satz ist der Designer und Künstler Markus Jöhring zuständig.
„Das Buch hat meine Mutter vorfinanziert, jetzt hoffen wir, dass sich noch Sponsoren für den Druck finden“, sagt Anne Kampschulte. Für sie und ihre Familie ist das Haus, das sich auch innen einschließlich der Lampen, Schalter und Teppiche noch weitgehend im Originalzustand befindet, gleichzeitig Fluch und Segen. Eine grundlegende Sanierung würde die finanziellen Mittel der Familie übersteigen, andererseits sei es Heimat und erzähle die interessante Familiengeschichte. „Mein älterer Bruder wohnt oben im Haus, aber auch meine jüngeren Geschwister sind jetzt immer öfter hier.“
Das Haus wurde ursprünglich für einen Essener Fabrikanten gebaut
Nicht immer war das Haus Sitz der Kampschultes. Die Villa mit den markanten Deckengewölben und dem großen Garten war ursprünglich für den Fabrikanten Albert Wilhelm Offermann gebaut worden. Der war früh gestorben, so dass seine Familie die Kredite für das Haus nicht mehr bezahlen konnte und ausziehen musste. Der Unternehmer galt als Freund von Kunst und Kultur.
Davon zeugen auch die Stelen am Eingangsportal der Villa, die der bekannte Bildhauer Joseph Enseling gestaltet hat, von dem es zahlreiche Werke in Essen gibt. „Zur Villa Kampschulte existiert ein sogenanntes Bruderhaus, ein Bürogebäude an der Alfredstraße, das ganz ähnliche Merkmale wie unser Haus aufweist“, erklärt Anne Kampschulte, die die Enkelin des Erbauers ausfindig gemacht hat.
Anne Kampschultes Großvater mütterlicherseits, Hugo Rosendahl, übernahm die Villa, die zwei Jahre lang leergestanden hatte, 1933 und machte das eindrucksvolle Backsteindomizil mit rund 560 Quadratmetern Wohnfläche zum Familiensitz. Rosendahl, der von den Nationalsozialisten als Oberbürgermeister von Koblenz in den Ruhestand geschickt worden war, übernahm dieses Amt dann 1945 in Essen – als erster von den Besatzern eingesetzter OB nach dem Krieg. In der Villa empfing er in seinem Büro auch Besuch. „Die Leute warteten dann im Nebenraum, den wir noch heute blauen Salon nennen“, sagt Anne Kampschulte.
1946 musste sich Rosendahl entscheiden, ob er OB bleiben oder Oberstadtdirektor und damit Verwaltungsleiter werden wollte. Er entschied sich für letzteren Posten.
Das Buch wird auf Bestellung nachgedruckt
Das Buch „Villa Kampschulte“ wird am Samstag, 9. Juli, 19 Uhr, im Rahmen einer Vernissage an der Graf-Bernadotte-Straße 15 vorgestellt. Dazu gibt es Lesungen und ein Musikprogramm. Die dazugehörige Ausstellung ist dann bis zur Finissage am Sonntag, 11. September, 16 Uhr, zu sehen.
Die Öffnungszeiten sind jeweils samstags von 16 bis 20 Uhr oder nach Terminabsprache unter 0174 7813066. Es gelten die aktuellen Coronaregeln.
Das Buch hat 115 Seiten und kostet 25 Euro. Es startet mit einer Auflage von 100 Stück, weitere Exemplare werden dann auf Bestellung gedruckt.
1954 heiratete dann Anne Kampschultes Vater, der für die Ruhrkohle AG tätige Kaufmann und ehemalige Bergwerksdirektor Rainer Maria Kampschulte (gestorben 2001) in die Villa ein. Er bekam mit seiner Frau Ursula sechs Kinder, von denen noch fünf leben. Auch zu der Zeit spielte Kultur eine große Rolle im Haus, denn Kampschulte verfasste selbst Gedichte und Prosa.
Die Villa ist seit den 1950er Jahren Mehrgenerationenhaus
Im Grunde sei die Villa schon in den 1950er Jahren ein modernes Mehrgenerationenhaus gewesen, findet Anne Kampschulte. „Das Interesse an unserem Haus ist seit 2013 ständig gewachsen, seit hier im Garten regelmäßig Kunstausstellungen stattfinden. Immer wieder fragen Besucher nach der Geschichte des Hauses, die jetzt in dem Buch nachzulesen ist“, sagt Anne Kampschulte.
Das Buch dokumentiere die Zeitlosigkeit des Hauses. Es sei lesenswert für alle, die sich für Architektur und Stadtgeschichte interessieren, aber auch sinnvoll im Hinblick auf einen möglichen Verkauf des fast 100 Jahre alten Hauses, das so eng mit der Essener Stadtgeschichte verknüpft ist.