Kupferdreh. Unwirtlich, angsteinflößend, abstoßend: Der Kupferdreher Bahnhof entstand vor zehn Jahren. Alle Einzelheiten zu Essens jüngster Bausünde.

Der Bahnhof Kupferdreh zählt täglich etwa 6000 Fahrgäste, die Bus und Bahn fahren. Es ist ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt im Essener Süden, denn er vereint einen Busbahnhof (errichtet 2017 bis 2019, sechs Linien) und einen Haltepunkt der Deutschen Bahn (entstanden bis 2012, zwei Linien). Der Bahnhof liegt westlich vom Kupferdreher Marktplatz.

Taktung der Bahnen

Es verkehren: Die Abellio-Linie RE 49 (montags bis freitags stündlich in Richtung Wuppertal und in Richtung Wesel über Essen Hauptbahnhof) und die S 9 (montags bis sonntags halbstündlich bis Wuppertal, stündlich bis Hagen; Gegenrichtung: halbstündlich bis Haltern am See, stündlich bis Recklinghausen über Wuppertal).

Über den Dächern von Kupferdreh: Die S 9 verkehrt halbstündlich. Gefahren wird Richtung Süden bis Wuppertal oder Hagen; Richtung Norden bis Haltern oder Recklinghausen.
Über den Dächern von Kupferdreh: Die S 9 verkehrt halbstündlich. Gefahren wird Richtung Süden bis Wuppertal oder Hagen; Richtung Norden bis Haltern oder Recklinghausen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Verbindung der Busse

Der Bahnhof Kupferdreh ist an folgende Buslinien angeschlossen: 141 nach Hattingen, 153 nach Kupferdreh Altersheim; Gegenrichtung: Heisingen Baldeneysee. 155 nach Gelsenkirchen, 177 nach Steele; Gegenrichtung: Byfang Marienbergstraße; 180 nach Burgaltendorf; Gegenrichtung Kettwig. Nachtexpress NE 6 zum Hauptbahnhof Essen

Fahrräder abstellen

Praktisch für Pendler: Die „Neue Arbeit“ der Diakonie betreibt am Bahnhof Kupferdreh eine Radstation mit 250 Stellplätzen. Man kann dort sein Fahrrad sicher ab- und unterstellen. Das kostet 70 Cent am Tag oder 7 Euro pro Monat oder 70 Euro pro Jahr. Kontakt: Radstation Kupferdreh: 0201 17132460, geöffnet montags bis freitags von 7 bis 19 Uhr, samstags von 10 bis 19 Uhr.

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Carsharing

Für noch mehr Mobilität sorgt das Carsharing-Unternehmen „Stadtmobil“, das seit Herbst 2020 direkt am Bahnhof Kupferdreh zwei Pkw abgestellt hat. Sie können von dort gebucht und gefahren werden, müssen aber an Ort und Stelle zurückgebracht werden. Wie geht Carsharing? Informationen gibt es unter www.rhein-ruhr.stadtmobil.de.

Atmosphäre

Die Aufenthaltsqualität am Bahnhof Kupferdreh bezeichnet selbst der VRR als „verbesserungswürdig“. Dabei wurden im Frühjahr 2021 mit viel Geld und Aufwand die Wände und Pfeiler am Bahnhof Kupferdreh von einem Graffiti-Künstler verschönert. Das soll den Vandalismus und das wilde Geschmiere, unter dem der Bahnhof seit seiner Errichtung leidet, dauerhaft eindämmen.

Doch der Bahnhof Kupferdreh hat ein Problem, das nicht durch bunte Farbe behoben werden kann: Es ist das Bauwerk selbst. Jetzt wird ein kurzer Blick in die Geschichte notwendig. Der Bahnhof Kupferdreh ist gerade mal zehn Jahre alt und somit eine der jüngsten Bausünden im Stadtgebiet.

Die Entstehung des Bahnhofs Kupferdreh

Bis 2009 war der Bahnhof Kupferdreh ein schlichter Haltepunkt mit zwei Gleisen, ebenerdig, unauffällig. Weil die Gleise die Poststraße kreuzten, gab es eine Schranke, Autos mussten regelmäßig halten. Man hielt das offenbar für unzumutbar, schwadronierte davon, Kupferdreh „näher an den Baldeneysee“ anzubinden und ersann die „Aufständerung“ des gesamten Bahnhofs.

„Aufständerung“ ist Ingenieurdeutsch für: Man baut monströse Brücken für tonnenschwere Gleise, die noch schwerere Züge aushalten müssen. So rammte man bis 2012 gigantische Pfeiler ins Erdreich, schuf neben der Autobahnbrücke (A44) ein weiteres, gigantisches Bauwerk – und schuf, oh Wunder, neue Angst-Räume mit einer beklemmenden Atmosphäre, wie sie unter grobschlächtigen Brückenbauten nun mal gedeiht. Das ist der Bahnhof Kupferdreh. Auch wenn man der Idee, Bahnen und Busse in Kupferdreh an einem Ort zentral zusammenzuführen, sicher etwas abgewinnen kann. Kundige Bürger berichten: Dass Gleise Autostraßen kreuzen, war schon damals nicht mehr zulässig; es habe zu einer Höherlegung der Schienen keine Alternative gegeben.

Überall Taubendreck, da helfen auch bunt bemalte Wände nichts: So sieht es an allen Ecken des Bahnhofs Kupferdreh aus.
Überall Taubendreck, da helfen auch bunt bemalte Wände nichts: So sieht es an allen Ecken des Bahnhofs Kupferdreh aus. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Unter grobschlächtigem Beton sollen die Menschen jetzt auf Bus und Bahn warten. Alle Ränder hier sind voller Taubendreck. Federn fliegen herum, häufig auch Flaschen und Verpackungen. Der Ort entwickelte sich spätestens in den Lockdown-Monaten zum Hotspot für gelangweilte Jugendliche, die die Abende mit Alkohol verbrachten und anderen Stoffen, die die Sinne trüben.

Mit dem Bahnhof Kupferdreh hat man im Sinne eines längst überwunden geglaubten Beton-Brutalismus und Machbarkeitswahn der 60er-Jahre exakt den gleichen Fehler wiederholt, an dem Kupferdreh schon seit Jahrzehnten leidet: Man zerstörte um 1968 die eigentlich dörfliche Atmosphäre des Kupferdreher Marktplatzes, indem man eine Umgehungsstraße auf Pfeilern durch die Landschaft zog – die B227, heute A44.

Barrierefreiheit

Weil der Bahnhof jetzt ein Brückenbauwerk ist, die Gleise also quasi im ersten Stock liegen, braucht es einen Aufzug. Der ist erstaunlich oft heile. Doch wenn er nicht funktioniert, haben Menschen mit Gehbehinderung sofort ein Problem.

Atmosphäre am Gleis

So abstoßend das Erdgeschoss des Bahnhofsbaus auch ist: Oben, am Gleis, kann man’s gut aushalten. Zumindest bei trockenem Wetter. Alles ist sauber, hell, funktional. Beim Ortstermin waren die Bordsteine recht ordentlich, eine Eispackung, zwei Flaschen flogen herum. Wahrscheinlich ein normaler Schnitt für einen beliebigen Morgen an einem Wochentag. Drei Sitzgelegenheiten pro Fahrtrichtung erscheinen uns etwas wenig. Immerhin sind sie windgeschützt mit Glaswänden. Graffiti hat oben am Bahnsteig zum Glück noch keine weite Verbreitung gefunden.

Grober Beton verbaut sie Sicht zum Himmel: Hier sollen Menschen auf Bus und Bahn warten. Kein Wunder, dass in dieser beklemmenden Atmosphäre der Vandalismus gedeiht.
Grober Beton verbaut sie Sicht zum Himmel: Hier sollen Menschen auf Bus und Bahn warten. Kein Wunder, dass in dieser beklemmenden Atmosphäre der Vandalismus gedeiht. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Bei Hunger und Durst

Getränke- oder Snackautomaten sucht man vergeblich. Ist vielleicht auch besser so: Sie wären wohl sofort verdreckt oder kaputt. Wer sich versorgen will, müsste etwa 100 Meter weit laufen bis zum Edeka am Kupferdreher Marktplatz.

Vorsicht im Winter!

Die Liste der Pannen beim Kupferdreher Bahnhof ist noch nicht zu Ende. Seit Jahren soll unter dem monströsen Beton-Bauwerk der Deilbach offen fließen. Spätestens 2021 sollte alles fertig sein. Doch die Kupferdreher haben sich längst daran gewöhnt, dass seit zehn Jahren trotz fertig gestellten Bahnhofs Bauzäune das Bild bestimmen. Zu allem Überfluss geriet die Stadt in juristische Streitigkeiten mit der Bahn über die Kosten. Und wer bei Nässe oder leichtem Schneefall den Bahnhof betritt: Vorsicht, der schmucke Stein, der am Busbahnhof verlegt wurde, ist total rutschig. Viele Bürgerinnen und Bürger haben sich schon beschwert. Schwacher Trost: In den Wintermonaten warnt jetzt ein Schild.

Trotz seiner Fertigstellung vor zehn Jahren prägen immer noch Bauzäune das Bild. Die Offenlegung des Deilbachs wird nicht fertig.
Trotz seiner Fertigstellung vor zehn Jahren prägen immer noch Bauzäune das Bild. Die Offenlegung des Deilbachs wird nicht fertig. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Fazit

Der Bahnhof Kupferdreh: unwirtlich, ungemütlich, angsteinflößend – und ein Magnet für Dreck und Vandalismus. Weil der Bahnhof so jung ist: Man hat ohne Not einen neuen Anziehungspunkt für Zerstörung und Schmutz geschaffen. Das sinnvolle Vorhaben, Bus und Bahn in Kupferdreh zentral zusammenzuführen, hat man mit einer gigantischen Bausünde bezahlt, in deren Umfeld man Aufenthaltsqualität weder herbeireden noch -malen kann.