Essen. Die Inhalte historischer Essener Zeitungen der Zeitspanne 1801-1945 sind jetzt digitalisiert worden. Wie man in der Stadtgeschichte stöbern kann.
Essen eilt schon seit jeher der Ruf voraus, ein bedeutender Verlagsstandort zu sein. Allein das frühere Zeitungsviertel an der Sachsenstraße steht für ein prägendes Kapitel Essener Pressegeschichte. Kein Wunder, dass im Stadtarchiv jede Menge Schätze aus fast 200 Jahren Zeitungsgeschichte aufbewahrt werden. Es ist ein Schatz, der jetzt zum größten Teil der Öffentlichkeit online zur Verfügung steht.
Rund 600.000 Seiten aus mehr als 500 Essener Zeitungsfilmen sind ab sofort im NRW-Zeitungsportal zeitpunkt.nrw digital und kostenlos erhältlich. „Das ist eine höchst ergiebige Quelle für jedermann“, sagt Claudia Kauertz, Leiterin des Hauses der Essener Geschichte.
Zu sehen sind die digitalisierten Essener Zeitungsseiten auf dem Portal zeitpunkt.nrw
Die Freude über dieses Digitalisierungsprojekt ist der Institutsleiterin anzusehen. Sie spricht von einem immensen Mehrwert für geschichtsinteressierte Menschen – vom Wissenschaftler bis zum Schüler. Per Mausklick vom Sofa aus können sie sich jetzt redaktionelle Texte, Fotos, Anzeigen und Werbung aus der Zeit zwischen 1801 und 1945 bequem ins eigene Haus holen. Ein langer und spannender Zeitraum, der mit dem völligen Zusammenbruch nach Weltkrieg und Nazi-Terror endet und mit den letzten Tagen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation beginnt. Zu sehen sind die digitalisierten Essener Zeitungsseiten auf dem Zeitungsportal zeitpunkt.nrw
Drei der digitalisierten „Zeitungsschätze“ aus dem großen Essener Bestand haben sie bei der Pressekonferenz im Stadtarchiv stellvertretend ausgelegt: die sozialdemokratische „Arbeiterzeitung“ von 1907, die katholisch geprägte „Essener Volkszeitung“ aus dem Weltkriegsjahr 1915 (Auflage 77.000 Exemplare) und – eine echte Rarität - die von der März-Revolution beeinflusste „Essener Volks-Halle“ von 1849.
Claudia Kauertz sieht in den Berichten und Anzeigen der Essener Zeitungen „wichtige Dokumente der Stadtgeschichte“, erst recht, wenn die Aktenüberlieferung Lücken aufweise. Der Tod Friedrich Alfred Krupps 1902, der Beginn des 1. Weltkriegs 1914, der Sturm auf den Wasserturm Steeler Straße 1920, die Machtübernahme Adolf Hitlers 1933: die Essener Zeitungen erhellen bedeutsame städtische, nationale und internationale Ereignisse aus der damaligen Sicht.
Volltextsuche soll für Essener Zeitungsseiten bis Ende 2022 möglich sein
Schon in den 1960er Jahren hat das Essener Stadtarchiv damit begonnen, die Zeitungsbände auf Kilometern von Mikrofilmen zu sichern. Als das Land Nordrhein-Westfalen 2017 damit begann, die systematische Digitalisierung von Mikrofilmmaterial finanziell zu fördern, bekundete schließlich auch die Stadt Essen ihr Interesse an dem Zeitungsprojekt. „Zeitungen als wichtige Quelle zur Regional- und Ortsgeschichte stellen eine wertvolle Ergänzung zur amtlichen Überlieferung dar“, sagt Claudia Kauertz.
Den Etat des Essener Stadtarchivs hat die Digitalisierung übrigens mit keinem Cent belastet. Das Land fördert die Online-Stellung der mikroverfilmten Essener Zeitungen zu 100 Prozent, also umgerechnet mit 30.000 Euro. Betrieben wird das Digital-Projekt von den Universitäts- und Landesbibliotheken Bonn, Münster und Düsseldorf, dem Hochschulbibliothekszentrum des Landes NRW und dem Archivberatungs- und Fortbildungszentrum des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR). Inzwischen sind mehr als 1.000 Zeitungstitel mit über 11,44 Millionen Zeitungsseiten digitalisiert und freigeschaltet. Die LVR-Koordinatorin Sarah Rudolf hob die hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit hervor.
Geschichtsinteressierte Essenerinnen und Essener, die Wert auf die vollständige Volltextsuche legen, müssen sich noch etwas gedulden. Sie soll bis Ende dieses Jahres zur Verfügung stehen – sogar für Texte in alter Frakturschrift. Im gesamten Portal sind schon 50 Prozent der freigeschalteten Seiten im Volltext erfasst.