Essen. Die Diagnose Brustkrebs war für Christin Ciura ein Schock. Hier erzählt sie, warum sie zur Behandlung ein Brustkrebszentrum in Essen wählte.
Als Christin Ciura einen Knubbel in ihrer Brust entdeckt, denkt sie sich nichts Schlimmes: Der letzte Vorsorgetermin bei der Gynäkologin liegt erst ein paar Monate zurück, sie ist jung, eine familiäre Vorbelastung gibt es nicht. Doch dieser Oktobertag im Jahr 2021 soll ihr Leben dramatisch verändern.
Sie glaubt erst, ihr Brustimplantat könnte für die Veränderung verantwortlich sein, vereinbart einen Termin bei der Frauenärztin, die einen Ultraschall macht. „Ich bin zahnmedizinische Fachangestellte, darum habe ich gleich gesehen, dass auf dem Bild nicht alles ist, wie es aussehen sollte.“ Sofort wird sie zu weiteren Untersuchungen in ein Brustzentrum in ihrem Wohnort überwiesen. Da beruhigt man sie: Die Chance, dass die Veränderung bösartig sei, liege im einstelligen Prozentbereich.
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Umso größer der Schock beim nächsten Termin fünf Tage später: Sie hat triple-negativen Brustkrebs – eine aggressive, schwer zu behandelnde Variante. „Ich konnte nicht mehr denken. Ich war so froh, dass mein Lebensgefährte dabei war.“ Alexander Gegner fragt, wo sich seine Freundin behandeln lassen soll, welche Schritte anstehen. Einer davon: „fruchtbarkeitserhaltende Maßnahmen“. Wenn sich das Paar Kinder wünsche, solle sich Christin Ciura vor der Chemotherapie Eizellen entnehmen und diese einfrieren lassen. „Man hat Angst, dass man stirbt – und will doch Pläne machen, Kinder bekommen.“ Darum sitzt die 37-Jährige einen Tag nach ihrer Diagnose in einer Kinderwunschpraxis, nimmt eine Hormonbehandlung auf sich. Seit Juli 2021 trägt das in solchen Fällen die Krankenkasse.
Essener Klinikdirektor: „Der Griff zur Türklinke entscheidet über die Überlebenschance“
Alexander Gegner hat inzwischen recherchiert, dass das Huyssensstift der Evangelischen Kliniken Essen Mitte (KEM) die nächste Adresse ist, an der Ciura nach besten medizinischen Standards behandelt werden kann. Das Brustkrebszentrum der KEM ist von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert: An solchen Zentren überleben deutlich mehr Patientinnen den Krebs. Bestätigt hat das eine im April veröffentlichte Studie, die vom AOK-Bundesverband, den Deutschen Tumorzentren und der Technischen Universität Dresden durchgeführt wurde. „Verkürzt kann man sagen: Mit dem Griff zur Türklinke entscheiden die Frauen über die Überlebenschance“, sagt Prof. Dr. med. Sherko Kümmel, der das Brustkrebszentrum der KEM leitet.
Hier schaut man, dass Patientinnen binnen 48 Stunden ihren ersten Termin bekommen. „Den Frauen soll rasch geholfen werden: In dieser lebensbedrohlichen Situation sind die Ängste groß. Eine Krebsdiagnose löst ein Erdbeben im Kopf aus“, sagt Klinikdirektor Kümmel. Genauso erlebt es Christin Ciura: Sie habe so viele Entscheidungen treffen müssen, Gedanken gewälzt: „Dann musste ich meinen Eltern die Diagnose mitteilen. Das war Horror.“ Nach Essen sei sie mit tausend Fragen im Gepäck gefahren – „und alle wurden beantwortet.“
Beim triple-negativen Brustkrebs müsse man sofort handeln, die Chemotherapie sollte zügig in den nächsten vier Wochen starten, erklärt Prof. Kümmel. An den KEM verfolge man im Austausch mit den „Krebs-Tempeln der Welt“ höchste internationale Standards. So verbinde man die Chemo- mit einer Immuntherapie durch das Medikament Pembrolizumab, dessen europäische Zulassung gerade erteilt wurde. Die Krankenkasse hat nach einem Sonderantrag der KEM für Christin Ciura die Kosten übernommen; als Einzelfallentscheidung noch bevor die Zulassung in Europa vorhanden war.
Die Kühlkappe hilft Krebspatientinnen, ihre Haare zu erhalten
Kostenlos ist für Patientinnen im Huyssensstift die Behandlung mit einer Kühlkappe, die hilft, die Haare zu erhalten. Viele Frauen leiden darunter, ihr Haar zu verlieren, zumal sie dann oft auf den Krebs angesprochen werden. „Ich hab’ sofort an meine Haare gedacht, ich hatte immer lange Haare“, sagt Ciura. Sie ist eine gut aussehende Frau, war Bodybuilderin, ist auf TikTok aktiv: Sie ist es gewohnt, Blicke auf sich zu ziehen – bewundernde Blicke.
Zwischen November 2021 und April 2022 hat sie 16 Chemotherapien. Sie weint, bevor es losgeht. Auch vor der Kühlkappe, die parallel zur Chemo eingesetzt wird, hat sie Angst. Daher möchte sie nun andere Frauen ermutigen: „Die Kopfhaut wird schon extrem runtergekühlt, das schmerzt. Aber nach zehn Minuten habe ich nichts mehr gemerkt.“ Bei den heftigeren Chemos verliert sie Wimpern und Brauen: „Aber ich habe Haare auf dem Kopf, auch wenn die dünner sind.“
Was ihre Brüste angeht, trifft Ciura eine radikale Entscheidung: „Seit der Diagnose hatte ich keine Beziehung mehr zu ihnen. Darum wollte ich, dass mir nicht nur die befallene Brust abgenommen wird, sondern beide. Ich wollte sicher sein, dass da nichts mehr ist.“ Medizinisch notwendig sei das nicht gewesen, betont Dr. Kümmel. „Aber wenn die Patientin denkt, sie könne anders nicht leben, machen wir das.“ Der Eingriff war Anfang Mai.
Per Blutuntersuchung wurde geklärt, dass Christin Ciura – anders als etwa die Schauspielerin Angelina Jolie – keine Genmutation hat, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Eierstockkrebs auslösen würde. Sie lebt, sie darf hoffen. „Wir hatten mal so viele Zukunftspläne“, sagt sie und schaut Alexander Gegner an. Vor zwei Jahren ist sie aus Hessen zu ihm ins Ruhrgebiet gezogen. Nun ist sie krankgeschrieben, und der Wirtschaftswissenschaftler hat viele Arbeitsstunden vor der Klinik verbracht: am Laptop im Auto. Brustkrebs sei für Partnerschaften eine Herausforderung, sagt Kümmel: „Es gibt Konflikte, Trennungen.“
Eine Diagnose, die das ganze Leben umwirft
Alexander Gegner ist immer an der Seite seiner Lebensgefährtin, steht ihr bei in schlaflosen Nächten oder bei „bürokratischen Tantalusqualen“: von Pflegegrad bis zum Krankengeld, das nicht reiche, um den alten Lebensstil zu halten. Es helfe, dass das Brustkrebszentrum auch beim Papierkram berät und psychologische Hilfe anbietet. Wie soll man sonst klarkommen mit diesem Bruch im Leben. „Gerade noch war unser größtes Problem die Wahl der Blumenzwiebeln für den Vorgarten“, sagt Gegner. „Und plötzlich ist es der Schwerbehindertenausweis.“