Essener Süden. Entstehen in einem Baugebiet in Essen-Kettwig nur Wohnungen für Reiche? Warum die SPD-Fraktion diesen Vorwurf in der Bezirksvertretung erhebt.
Die Bezirksvertretungen (BV) haben als politische Gremien des Rates im Bereich Stadt- und Verkehrsplanung oft nur ein eingeschränktes Mitspracherecht. So auch bei den Neubauplänen für das Areal Am Stammensberg/Ringstraße und die Anbindung des Ruhrtalradwegs an den Panoramaradweg Niederbergbahn, beides auf Kettwiger Stadtgebiet. „Anhörung“ beziehungsweise „Kenntnisnahme“ stand denn auch auf der Tagesordnung der BV IX am Dienstag im Rathaus Kettwig.
Dennoch sparte die SPD-Fraktion nicht mit Kritik am Bebauungsplan Am Stammensberg/Ringstraße. Wobei nicht eine Bebauung an sich in Frage gestellt wird, vielmehr der geringe Anteil an öffentlich gefördertem Wohnraum auf diesem einstigen Bahngelände. Von den dort geplanten circa 53 Wohneinheiten (23 Einfamilienhäuser und 25 bis 30 Wohnungen) seien lediglich acht bis neun Wohneinheiten mit dem Label „öffentlich gefördert“ versehen, so die SPD.
Zu hohe Flächenversiegelung wird moniert
Der Bezirksvertretung sei dieser Plan im November 2021 aber von der Verwaltung vorgestellt worden mit der Angabe, es werde „50 Wohneinheiten mit einem 30-prozentigen Anteil an sozialem Wohnungsbau geben“. Nun stelle sich auf Nachfrage heraus: Öffentlich geförderter Wohnungsbau sei lediglich „eine Anregung“ der Verwaltung und gegenüber dem Investor nicht vertraglich gesichert.
4500 Quadratmeter Wohnfläche in diesem Neubaugebiet, rechnete SPD-Vertreter Heinz Schnetger vor, würden somit hochpreisig auf dem Immobilienmarkt angeboten, dagegen nur 675 Quadratmeter Wohnfläche preisgedämmt. „Damit werden sich 85 Prozent der wohnungssuchenden Normalverdiener diesen Wohnraum in Kettwig nicht leisten können“, erklärte er die Interpretation der Sozialdemokraten. Für seine Fraktion „geht dieser B-Plan am Bedarf nahezu komplett vorbei“. Die von der Verwaltung den Gremien vorgelegte Planung sei eine „große Mogelpackung“ und nicht am Gemeinwohl orientiert.
„Auch im Sinne der Nachhaltigkeit haben wir ein Problem mit diesem Plan. Die Verwaltung spricht hier von einer kompakten, energetisch günstigen Bauweise. Das ist schlicht falsch, denn Einfamilienhäuser sind a priori keine energetisch günstige Bautypologie“, führte Heinz Schnetger weiter aus.
Den Bedenken der Sozialdemokraten schließt sich die Grünen-Fraktion an. Deren Vertreterin Hildegard Demmer monierte in der BV-Sitzung die erhebliche Flächenversiegelung durch Einfamilienhäuser auf dem Areal Am Stammensberg: „Wir sehen keine zukunftsgerichtete Planung an dieser Stelle.“
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Bezirksbürgermeisterin Gabriele Kipphardt (CDU) merkte an, dass auch ihre Fraktion Nachbesserungsbedarf sehe. Dies aber vor allem die Straßenführung betreffend: Die Anbindung an die Ringstraße und das angrenzende Gewerbegebiet Montebruchstraße weise mit seinem Verkehrsaufkommen schon jetzt Probleme auf. Hierzu erwarte man Lösungsvorschläge.
Entscheidung in den Gremien
Beraten wird der Bebauungsplan Am Stammensberg bereits am heutigen Donnerstag, 2. Juni, im Ausschuss für Stadtentwicklung, -planung und Bauen. Der Ausschuss tagt um 15 Uhr im Rathaus Essen, Porscheplatz. Die Sitzung ist öffentlich. Zu einer abschließenden Entscheidung kommt der Rat der Stadt Essen am 22. Juni.
Der frühestmögliche Beginn der Radwege-Anbindung wird von der Verwaltung für das dritte Quartal 2023 angekündigt. Zuvor muss die Sanierung der Charlottenhofstraße erfolgt sein, die jedoch noch nicht terminiert ist. Die Bauzeit beträgt ungefähr ein Jahr.
Über die genaue Ausführung der Radwege-Anbindung entscheidet der Ausschuss für Verkehr und Mobilität aber schon am 9. Juni.
Gremium äußert Bedenken zu den Plänen
Auf Grund der Einlassung der SPD-Fraktion wurden Bedenken erhoben wurden gegen den Bebauungsplan Am Stammensberg – bei Gegenstimmen der CDU. „Mit Bedenken“ wurde auch ein weiterer Tagesordnungspunkt verabschiedet: die Anbindung des Ruhrtalradwegs zum Panoramaradweg in Heiligenhaus auf dem Gebiet von Kettwig vor der Brücke.
Ausführlich stellte die Verwaltung die Planungen dem Gremium vor, nicht ohne jedoch zu betonen, dass die von der Stadt Essen anvisierte Verkehrswende mit einem jeweils 25-prozentigen Anteil der Verkehrsarten (Fußgänger, Radfahrer, ÖPNV, Autoverkehr) „seinen Preis hat“, wie es Dirk Thomas vom Stadtplanungsamt formulierte.
Parkplatz-Anzahl in den Wohngebieten wird halbiert
Dieser besteht im vorliegenden Fall in dem Verlust von einer Vielzahl von Parkmöglichkeiten. Und dies nicht nur an den Hauptverkehrsachsen Ringstraße und Heiligenhauser Straße, sondern auch in den Wohngebieten Landsberger Straße, Arndtstraße, Volckmarstraße und Mintarder Weg: Diese werden zu Fahrradstraßen.
Die maximale Anzahl der dort gleichzeitig parkenden Fahrzeuge liege, laut Zählung der Behörde, bei 85 Fahrzeugen, wobei diese überwiegend ordnungswidrighalb auf dem Gehweg und halb auf der Fahrbahn bzw. ganz auf dem Gehweg parken würden. Nach dem vorliegenden Plan sind nur noch 41 markierte Längsparkstände vorgesehen. Ob das letztlich ausreiche, bezweifeln die Fraktionen. Andererseits begrüßen, bis auf den AfD-Vertreter, alle die Förderung des Radverkehrs.