Essen. Rot-Weiss Essen ist aufgestiegen. Das setzte Emotionen frei und weckt Erwartungen – an die Wirtschaft und an den Ausbau des Stadions.
Der RWE ist wieder da! Wer nicht glauben mochte, welche Wucht dieser Club entfalten kann, welcher Emotionen er freizusetzen in der Lage ist nach all den Jahren in der sportlichen Bedeutungslosigkeit, in der Schweineliga, wie sie die ungeliebte Regionalliga West titelten, der konnte es am Samstag erleben. Zu Tausenden feierten die Fans im Stadion und auf den Straßen den Aufstieg ihres RWE in die dritte Liga. Der Traditionsverein von der Hafenstraße hat besagte Schweineliga hinter sich gelassen. Endlich.
„Die Mannschaft hat eine ganze Stadt stolz gemacht“, fasste RWE-Vorstand Marcus Uhlig die Gemütslage am Sonntagnachmittag zusammen beim Empfang in der 22. Etage des Rathauses, wohin Oberbürgermeister Thomas Kufen die Mannschaft und das Betreuerteam aus gegebenem Anlass geladen hatte. Er sei froh, dass der Aufstieg in seiner Amtszeit falle, sagte Kufen, seit 2015 erster Bürger dieser Stadt. In Essen dauern Wunder eben etwas länger, Fußballwunder allemal.
Ex-Vorstand Michael Welling beglückwünscht die 3. Liga zum Aufstieg von RWE
Aber was heißt hier Wunder! Der Verein hat sich diesen Aufstieg über Jahre hart erarbeitet. Kufen ließ den langen weiten Weg noch einmal Revue passieren von der verpassten Qualifikation 2008 zur damals neu eingeführten 3. Liga durch ein 0:1 gegen den als Absteiger feststehenden VfB Lübeck, was bei dem ein oder anderen, am Samstag vor dem Anpfiff böse Ahnungen weckte. Sie werden es doch nicht schon wieder…
Nein, diesmal haben sie nicht verkackt, wie man im Revier sagt. RWE hat sein Trauma bewältigt. Vergessen sind die Insolvenz und die 14 langen Jahre Abstinenz vom Profifußball. Der RWE ist wieder da. Auf Facebook gratulierte Michael Welling der 3. Liga zur Rückkehr seines Ex-Vereins. Welling, inzwischen beim VfL Osnabrück der Chef, hatte Rot-Weiss aus der Insolvenz geführt und der Stadt erst wieder salonfähig gemacht. Nun gibt es ein Wiedersehen in der kommenden Saison.
Die Mitgliederkartei von Rot-Weiss Essen wuchs seit dem Aufstieg auf 7330 Namen
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Dort soll die Reise für Rot-Weiss Essen weitergehen. Oberbürgermeister Kufen gab die Richtung vor: „Wir fangen jetzt erst an. Wir haben noch einiges vor.“ Die Vorfreude ist groß, die Erwartungshaltung auch, nicht nur beim OB. Auf der Geschäftsstelle an der Hafenstraße freuen sie sich seit Samstag über 170 neue Mitglieder, damit stehen 7330 Namen in der Kartei.
6200 davon besaßen eine Dauerkarte für die abgelaufene Saison. Sie werden bald Post bekommen von ihrem RWE und damit die Möglichkeit, sich auch für die kommende Spielzeit einen Platz im Stadion zu sichern. Die Nachfrage dürfte steigen, und ein paar Euro werden sie drauflegen müssen in Liga 3. Davon sei auszugehen.
Die Fans haben Rot-Weiss Essen stets getragen, in guten wie in schlechten Tagen. Um erfolgreich mitspielen zu können auf der größeren Bühne eine Etage höher bedarf es der Mithilfe von Sponsoren. Mit dem Aufstieg sei der richtige Moment gekommen, um sich am weiteren Weg von RWE zu beteiligen, richtet Richard Röhrhoff, Chef der Essen Marketing Gesellschaft (EMG) an die heimische Wirtschaft.
„Es ist der richtige Zeitpunkt für ein Bekenntnis zum Standort Essen“, so Röhrhoff an die Adresse jener Unternehmen mit großem Namen, die sich bislang zurückgehalten haben. Sei es, weil das schlechte Image vergangener Jahrzehnte nachhalte oder weil RWE nicht die Strahlkraft besitzt, die aus Sicht von Marketing-Experten braucht, damit sich eine Investition auch auszahlt. RWE hätte es verdient, betont Röhrhoff. Längst werde an der Hafenstraße seriös gearbeitet. „Der Verein hat seine Hausaufgaben gemacht.“ Und seit Samstag strahlt der Name Rot-Weiss Essen wieder heller.
Durch das Schließen der Ecken könnten bis zu 25.000 Zuschauer im Stadion Platz finden
Auch Ulrich Kanders, dem Geschäftsführer des Essener Unternehmensverbandes, ist das nicht verborgen geblieben. Kanders fieberte am Radio mit, als es im Fernduell mit Preußen Münster um den Aufstieg ging. Am Montag habe er mit Personalleitern mehrerer Unternehmen gesprochen, die sich mit dem Gedanken tragen, Dauerkarten oder Logenplätze zu buchen, um Kunden oder Geschäftspartner an die Hafenstraße einzuladen. RWE habe schließlich ein tolles Stadion, so Kanders. Es wäre schon mal ein Anfang.
Andere träumen von mehr. „Wann macht ihr die Ecken zu?“ Immer wieder sei ihm diese Frage gestellt worden, sagte OB Kufen beim Empfang im Rathaus und gab selbst die Antwort. „Das ist eine Frage, die uns beschäftigen wird, die uns beschäftigen muss.“ Das mag augenzwinkernd gemeint sein. Doch die Pläne liegen in der Schublade seit dem Bau des Stadions in den Jahren 2011 und 2012.
Der war von Beginn an so angelegt, dass es sich technisch mit vergleichsweise geringem Aufwand erweitern ließe in einer ersten Ausbaustufe mit geschlossenen Ecken auf 25.000 Plätze. In einem zweiten Schritt käme ein Oberrang auf die Tribünen, so dass 35.000 Zuschauer Platz fänden.
Jetzt bloß nicht abheben, heißt es dazu bei RWE. Immer schön einen Schritt nach dem anderen gehen. Damit sind sie gut gefahren an der Hafenstraße. Auch Dirk Miklikowski, Geschäftsführer der städtischen GVE, der das Stadion gehört, tritt auf die Euphoriebremse.
Ja, ein Ausbau der Ecken sei machbar, sagt Miklikowski und verrät, dass sich die GVE gemeinsam mit dem Verein schon vor zwei Jahren darüber Gedanken gemacht hat. Die Pläne seien aber schon zehn Jahre alt. Bis es konkret werden könnte, wenn man denn wollte, bis Planungs- und Genehmigungsverfahren über die Bühne seien, „ist die erste Saison in der dritten Liga schon rum“, sagt der Miklikowski. Und über allem stehe die Frage, wer bitteschön soll’s bezahlen?
Aber träumen ist erlaubt. Und es muss ja nicht immer 14 Jahre dauern, bis Fußballträume in Essen wahr werden.