Essen. . Im Rahmen der Serie „Die WAZ öffnet Pforten“ warfen Leser im Stadion Essen einen Blick hinter die Kulissen: Nicht alles dreht sich um Fußball.
Im Foyer begrüßt Georg Melches die Gäste. Die Büste des Gründervaters von Rot-Weiss Essen ist eine der wenigen Stücke im Stadion Essen, die an die große Vergangenheit des Clubs und an die legendäre Spielstätte an der Hafenstraße erinnern. Denn das Georg-Melches-Stadion ist Geschichte. Seit 2012 rollt der Ball im „Stadion Essen“. Im Rahmen unserer Serie „Die WAZ öffnet Pforten“ warfen Leser einen Blick hinter die Kulissen.
Auch nach fünf Jahren wirkt das Stadion Essen neu und unverbraucht. Als warte alles nur auf die ganz großen Momente, von denen jene, die dabei waren, noch nach Jahrzehnten erzählen werden.
Größere Reparaturen standen bis heute nicht mehr an, seit dem verheerenden Wasserschaden unmittelbar vor der Eröffnung, als das Untergeschoss versank. Die Spuren sind längst beseitigt. WAZ-Leser Wolfgang Strauch ist heute zufrieden mit dem, was er sieht: „Ich kannte das Stadion noch im Rohbau. Wir haben es seinerzeit vermessen. Ich denke, wir haben es ganz gut hingekriegt.“
7000 bis 8000 Zuschauer besuchen die Heimspiele von RWE. Nicht schlecht für einen Verein in der vierten Liga. „Das Stadion wäre auch für die 2. Bundesliga genehmigungsfähig“, erfahren wir von Markus Kunze von der städtischen Grundstücksverwaltung GVE, der die Besuchergruppe durch die Arena führt. Die ließe sich gar auf 35 000 Plätze erweitern.
„Wieviel hat der Bau denn gekostet“, fragt Leser Michael Jakubek und spricht ein heikles Thema an. 64,4 Millionen Euro hat die Stadt in das „Projekt Fußball“ gesteckt. Die eigentlichen Baukosten beliefen sich am Ende laut Rechnungsprüfungsamt auf 56 Millionen Euro – deutlich mehr als ursprünglich geplant waren. Dafür bietet das Stadion beste Voraussetzungen, damit es für RWE sportlich wieder aufwärts geht.
An Komfort mangelt es den Spielern bereits heute nicht. Die Besucher nehmen in der Gästekabine Platz, wo vor wenigen Wochen noch die Stars von Borussia Dortmund die Fußballschuhe schnürten, als sie zum Freundschaftsspiel an der Hafenstraße aufliefen.
Firmen halten Workshops in der Umkleidekabine ab
Die Kabine wird nicht nur von Fußballern genutzt, berichtet Markus Kunze. Die GVE vermietet Räume im Stadion auch an Dritte. Die Kabine werde gerne von Firmen für Workshops gebucht. Ob die Führungskräfte dann die Trainer-Ansprache einüben?
Eine Etage tiefer, in der großen Assindia-Lounge finden bis zu 1000 Gäste Platz. Die CDU und die Kanzlerin waren da, Abiturjahrgänge und Unternehmen. Und ein Bobby-Car-Rennen über 80 Meter, auch das gab’s schon.
Leserin Barbara Beckhoff wundert sich darüber, dass keine Konzerte mehr im Stadion stattfinden. 2015 trat noch die Rockband Black Sabbath auf, feierten tausende im Stadion eine lange Schlagernacht... . Nur die Backstreet Boys sagten dann doch kurzfristig ab.
„Der Konzert-Markt ist ein schwieriger Markt, gerade hier bei uns im Westen“, berichtet Markus Kunze. Künstler hätten die Wahl zwischen einer Reihe von Veranstaltungsorten. Hinzu kommt: Halten sich bis zu 19 000 Besucher im Innenraum auf – so viele dürfen es laut Genehmigung maximal sein – ist der Rasen hinüber. Ein neuer kostet 85 000 Euro. „Das rechnet sich erst, wenn man die Kosten auf mehrere Konzerte verteilen kann“, erläutert Kunze.
Die GVE hat das Konzertgeschäft nicht beerdigt
Aufgegeben hat die GVE das Konzertgeschäft noch nicht. Im kommenden Jahr will der Stadionbetreiber einen neuen Anlauf starten. Denn jeder Euro, der reinkommt, hilft die Betriebskosten von 1,1 Millionen Euro zu decken. Damit sich der Betrieb wirtschaftlich auszahlt, müsste RWE allerdings den Sprung in den Profi-Fußball schaffen. Ab Sonntag nehmen die Rot-Weißen einen neuen Anlauf. „Wir stellen eine Kerze auf, dass es klappt“, sagt Markus Kunze.
Nach zwei kurzweiligen Stunden unter kundiger Führung ist nicht nur WAZ-Leser Michael Jakubek beeindruckt. „Wissen Sie, ich interessiere mich gar nicht für Fußball. Aber ich bin wirklich begeistert. Essen hat ja einiges zu bieten: Die Philharmonie, das Aalto-Theater... . Für mich reiht sich dieses Stadion da nahtlos ein. So etwas hat nicht jede Stadt zu bieten.“