Essen. In Essen sind zum Jahresstart so wenige Büros vermietet worden, wie seit Jahren nicht. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe.

Zu Beginn des Jahres ist in Essen so wenig Bürofläche wie lange nicht vermietet worden. Makler sprechen von einem äußerst schwachen Jahresstart. „Es ist so viel Unsicherheit im Markt, die Mieter derzeit abhält, Verträge abzuschließen“, berichtet Markus Büchte, Vorstand der Cubion Immobilien AG.

Neben den Corona-Nachwehen sieht er vor allem die Ukraine-Krise sowie die steigenden Baupreise als Gründe für die deutliche Zurückhaltung. All das bremse auch neue Bauprojekte aus. „Eine solche Gemengelage habe ich in über 20 Jahren noch nicht erlebt“, meint Büchte.

11.000 Quadratmeter Büros im ersten Quartal in Essen vermietet

Coronabedingt waren 2020 und 2021 schon mäßige Jahre gewesen. Doch wer auf eine schnelle Erholung 2022 gehofft hatte, sah sich getäuscht. In den ersten drei Monaten mieteten Unternehmen und Behörden rund 11.000 Quadratmeter Bürofläche im Stadtgebiet neu an. Das war gerade einmal halb soviel wie im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor. Damit sei auch der zehnjährige Durchschnitt deutlich unterschritten worden, stellte das Maklerunternehmen BNP Paribas Real Estate jüngst in seiner Analyse fest.

Markus Büchte, Vorstand des Maklerunternehmens Cubion.
Markus Büchte, Vorstand des Maklerunternehmens Cubion. © Cubion

Der Büromarkt gilt gemeinhin als Frühindikator für die wirtschaftliche Entwicklung. Denn läuft es in den Unternehmen gut und wollen sie deshalb expandieren, dann suchen sie sich größere Flächen. Herrscht dagegen große Unsicherheit, halten sie sich zurück. Darauf deute einiges hin, meint Büchte. Denn auch in den Nachbarstädten sei der Jahresstart ähnlich enttäuschend verlaufen. Dort wie auch in Essen fehlen vor allem die sogenannten Großabschlüsse, das sind Vermietungen jenseits von 10.000 Quadratmetern. Diese beeinflussen die Flächenumsätze in kleineren Büromärkten wie Essen stark.

Vor allem kleine Büros werden zurzeit in Essen gesucht

„An Umtriebigkeit fehlt es eigentlich nicht, wenn ich auf die Anfragen schaue“, so Büchte. Allerdings suchen die meisten nur kleine Büroflächen zwischen 500 und 1000 Quadratmetern. Darüber hinaus sei momentan sehr „wenig in der Pipeline“, was daraufhin deuten könnte, dass das Jahr insgesamt besser werden wird. „Ich reche daher mit einem schwachen Jahresergebnis.“

Welche „Großgesuche“ momentan unterwegs sind, darüber sprechen Makler nicht. Öffentlich bekannt ist bislang nur, dass die Polizei etwa 20.000 Quadratmeter Fläche als Ersatz für ihr Präsidium in der Büscherstraße sucht. Das würde den Essener Büromarkt zwar ein Stück nach vorn bringen, aber er wäre immer noch weit von Rekordjahren mit 150.000 Quadratmetern und mehr Flächenumsatz entfernt.

Projektentwickler leiden unter hohen Baukosten und Materialmangel

Große Mietabschlüsse fehlen vor allem deshalb, weil es derzeit kaum Neubau in der Stadt gibt. Die Projektentwickler erleben die Auswirkungen des Ukraine-Krieges: hohe Inflation, weiter steigende Preise für Rohstoffe und Materialknappheit. Wegen der Entwicklung bei den Baupreisen „ist praktisch kein Entwickler in der Lage, einen festen Mietpreis für ein Objekt zu benennen, das in zwei oder drei Jahren fertiggestellt ist. In dieser unsicheren Lage schließt kein Mieter einen Vertrag ab“, betont Büchte. Damit sei derzeit kaum Vermietung möglich, vor allem dann nicht, wenn die Mieten wie häufig üblich an den Baukostenindex gekoppelt sind.

Gleiches gelte für vorhandene Flächen, die vielfach erst modernisiert werden müssen, bevor sie weiter vermietet werden können. Oft fehlen Handwerker oder Material, so dass Vermieter keine festen Bezugstermine zusagen könnten.

Leerstand am Essener Büromarkt wächst weiter

Amedeo Augenbroe, Essener Niederlassungsleiter der BNP Paribas Real Estate
Amedeo Augenbroe, Essener Niederlassungsleiter der BNP Paribas Real Estate © BNPPRE

Auch Corona hat offenbar noch Auswirkungen. Auch wenn es keine Homeoffice-Pflicht mehr gibt, arbeiten viele Beschäftigte wegen hoher Inzidenzen weiter von zu Hause aus. Viele Unternehmen wissen daher immer noch nicht, wie viele Büroarbeitsplätze sie in der Zukunft tatsächlich brauchen werden. „Prozesse verzögern sich dadurch“, meint Amedeo Augenbroe, Essener Niederlassungsleiter bei BNP Paribas Real Estate. Dennoch glaubt er, dass Corona einen Nachfrageschub vor allem nach modernen Büro auslösen wird: „Unternehmen werden Mitarbeitern mehr Qualität im Büro bieten müssen.“

Die aktuelle Zurückhaltung lässt derweil den Leerstand weiter wachsen. Momentan stehen laut BNP rund 224.000 Quadratmeter Büros leer, das sind 7,1 Prozent und damit so viel wie seit Jahren nicht. Augenbroe sieht das allerdings auch positiv: „In den Jahren davor konnten wir kurzfristige Gesuche nicht bedienen, weil es kaum Flächen gab. Jetzt aber sind wir wettbewerbsfähig gegenüber anderen Städten.“ Augenbroe blickt weniger pessimistisch in das laufende Jahr: „Ich denke, wir können zumindest ein durchschnittliches Ergebnis erreichen.“