Essen. Als wichtigen Baustein im Gesundheitssystem sieht die Stadt Essen den Gesundheitskiosk. Diese konkreten Aufgaben hat die neue Einrichtung.
„Hallo, mein Name ist Julia Grabemann vom Team Gesundheitskiosk – ich freue mich auf Ihren Besuch, kommen Sie einfach vorbei!“ Diese nette Einladung steht nicht nur auf dem Flyer. Julia Grabemann begrüßt am Samstag tatsächlich auch persönlich die Passantinnen und Passanten vor dem Gesundheitskiosk in Altenessen, der am 30. April seine offizielle Eröffnung feiert. Die Personalisierung schafft Vertrauen, schafft Nähe und ist Teil der Strategie, dieses komplett neue Angebot der Gesundheitsförderung dauerhaft in der Stadt zu verankern.
Gesundheitskiosk ist ein wichtiger Baustein
Lange wurde darum gerungen: Nach den Klinikschließungen entlud sich der heftige Unmut der Bürger im Essener Norden, angeprangert wurde die immer weiter fortschreitende medizinische Unterversorgung in den Stadtteilen Altenessen, Stoppenberg und Katernberg. Betroffen: immerhin rund 120.000 Essener Einwohner. Die Politik wurde wachgerüttelt und reagierte. Ein bereits in Hamburg erfolgreiches Modell, ein Gesundheitskiosk, ist in Essen installiert worden.
Nun kann und soll dieser kein Klinikersatz sein, betont Oberbürgermeister Thomas Kufen bei der Einweihung. Aber: „Wir wollen einen Fahrplan Gesundheit für den Essener Norden entwickeln. Ein wichtiger Baustein ist dabei der Gesundheitskiosk.“
Gut erreichbar mit Bus und U-Bahn
Das niederschwellige Angebot, das sich in der Alten Badeanstalt an der Altenessener Straße befindet, könnte nicht besser gewählt sein: Zwischen Markt und Allee-Center liegt der Gesundheitskiosk quasi auf dem Weg, ist überdies durch Bus und U-Bahn sehr gut angebunden. Um von dem Angebot Gebrauch zu machen, bedarf es für die Nutzerinnen und Nutzer also kaum eines Aufwands. Das haben Julia Grabemann und ihr Team bereits in den ersten Tagen positiv registriert.
Denn eigentlich hat die Einrichtung bereits am 12. April ihre Arbeit aufgenommen. „Es sind natürlich Neugierige vorbeigekommen, um sich zu informieren, was es hier so gibt. Wir haben aber auch schon einige Klienten gehabt, die konkrete Probleme hatten“, berichtet Julia Grabemann. Die 31-Jährige ist Sozialarbeiterin und examinierte Krankenschwester. Ihre Kolleginnen und Kollegen kommen ebenfalls aus medizinischen bzw. sozialen Berufen. Ihre Aufgabe: Lotse zu sein in einem Gesundheitssystem, das für viele Patienten doch schwer durchschaubar ist.
Hilfestellung bei Anträgen für Pflegeleistungen
Was muss bei einer Diabetes-Erkrankung beachtet werden? Welcher Facharzt ist der richtige? Welche Vorsorgeuntersuchungen gibt es? Was ist für die Beantragung einer Pflegestufe notwendig? Wie bekommt man eine Reha-Maßnahme? Diese und viele andere Fragen beantworten die Lotsen. Grabemann: „Wir helfen zum Beispiel dabei, Anträge zu stellen, wenn es um Pflegeleistungen oder Hilfsmittel geht.“ Oft seien Betroffene einfach überfordert im Umgang mit Behörden und Krankenkassen. „Wir kennen die Formulare und wissen, worauf es beim Ausfüllen ankommt.“
So habe sie etwa einem alleinstehenden Herren, der beide Ellenbogen gebrochen hat, schnell und unkompliziert die erforderliche Pflegehilfe organisieren können, erzählt Julia Grabemann. Auch für eine ukrainische Mutter, deren Baby an einer Hüftfehlstellung leidet, konnten entsprechende Hilfsmittel organisiert werden.
Die Vermittlung an Ärzte und Gesundheitsangebote in der Stadt ist eine weitere Aufgabe der Lotsen, jedoch nicht Diagnostik und Behandlung. „Wir können helfen, wenn beispielsweise Diabetes-Patienten nicht mit ihrer Spritze zurechtkommen. Aber wir ersetzen nicht den Arzt“, so Grabemann. Es sollten mit dem Gesundheitskiosk schließlich keine Doppelstrukturen aufgebaut werden.
Angebot ist kostenlos und mehrsprachig
Geöffnet ist der Altenessener Gesundheitskiosk, Altenesser Straße 393, montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr. Termine gibt es auch außerhalb der Sprechzeiten nach Vereinbarung. Im Büro stehen zwei separate Beratungsräume zur Verfügung. Das Angebot ist kostenlos. Gesprochen wird neben Deutsch auch Englisch, Französisch, Polnisch, Russisch und Arabisch,Getragen wird der Gesundheitskiosk von der AOK Rheinland/Hamburg, der gemeinnützigen Caritas-SkF-Essen GmbH (cse), dem Sport- und Gesundheitszentrum Altenessen e.V. sowie dem Ärztenetz Essen Nord-West e.V.. Die Finanzierung erfolgt derzeit zur Hälfte durch die Stadt Essen.In der Alten Badeanstalt sind bereits Gesundheitsangebote verortet: Das im Obergeschoss gelegene Mehrzweckbecken wird durch das Sport- und Gesundheitszentrum (SGZ) betrieben. Zusätzlich gibt es Kraft- und Fitnessräume.In Katernberg soll im Sommer ein weiterer Gesundheitskiosk an den Start gehen. Dort, so Andreas Bierod (cse), könnten die Räumlichkeiten eventuell sogar etwas größer gestaltet sein. Avisiert sei wohl eine Immobilie in Marktnähe.
Kiosk fungiert als Bindeglied zu den Behörden
Darauf verweist auch Matthias Mohrmann vom Vorstand AOK Rheinland/Hamburg: „Es geht um pragmatische Hilfe und den sozialen Aspekt der Gesundheitsvorsorge.“ Alle seien willkommen, die Beratung im Haus auszuprobieren. „Es greifen verschiedene Angebote ineinander“, betont Andreas Bierod, Geschäftsführer der gemeinnützigen Caritas-Gesellschaft cse und zugleich der neuen Managementgesellschaft Gesundheit für Essen gGmbH.
Für ihn zeigten bereits die ersten Tage, dass der Gesundheitskiosk gut angenommen werde im Stadtteil: „Jeden Tag sind Leute hier, der Standort hat sich schnell herumgesprochen, auch unter den Einwohnern mit Migrationshintergrund. Inzwischen verweisen Ärzte ganz konkret auf uns.“ Der Kiosk fungiere als Bindeglied zudem zu den Behörden, etwa dem Jobcenter.
Gesundheitsvorsorge in den Schulen
Weiteres Ziel sei es, so Bierod, mit dem niederschwelligen Angebot demnächst in die Schulen zu gehen, dort „auch ohne Anlass“ präventive Gesundheitsvorsorge zu betreiben. Den Schülerinnen und Schülern sollen Tipps an die Hand gegeben werden, die diese dann wiederum in den familiären Alltag hineintragen. So spreche sich die Einrichtung weiter herum. Zusätzlich setzt der Gesundheitskiosk auf Außenwirkung durch Plakate im Stadtteil – mit dem Konterfei der Losten: „Ich freue mich auf Ihren Besuch, kommen Sie einfach vorbei!“