Essen. Wer waren die Teenager, die von einem Parkhaus in Essen-Borbeck in den Tod stürzten? Versuch einer Spurensuche am dritten Tag nach dem Unglück.

Auch am dritten Tag nach dem tödlichen Unfall im Essener Stadtteil Borbeck, ist die Betroffenheit und die Trauer bei den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort immer noch groß. Am Ostersonntag waren zwei junge Männer (19 und 16) mit einem VW Golf vom Oberdeck eines Parkhauses 18 Meter in die Tiefe gestürzt und gestorben. Auch am Mittwoch kommen noch viele Männer und Frauen an die Unglücksstelle und legen Blumen ab oder zünden Kerzen an.

Jemand hat auch weiß gerahmte Fotos der Opfer aufgestellt: Reda (19), ein junger Mann im dunklen Polo-Shirt, der den Daumen hebt, und Zayn (16) aus Herne, schwarze Daunenjacke, Käppi, ein „Selfie“ mit dem Handy vor einem Spiegel, offenbar in einem Aufzug. Zumindest den Älteren, so viel wird schnell klar, kannte man hier im Stadtteil, in Borbeck-Mitte rund um den Germaniaplatz.

Parkhaus Essen: Reda (19), das ältere Opfer, trieb sich viel in der Gegend herum

Lesen Sie auch:

„Er wollte immer endlich mit einem richtigen Job anfangen und hatte wohl auch was in Aussicht“, sagt die Mitarbeiterin einer Spielhalle im Erdgeschoss auf der anderen Seite des Parkhauses. Sie gibt an, den Toten „gut gekannt“ zu haben, „denn der hat viel Zeit im Parkhaus verbracht.“ Womit denn? „Mit Chillen.“ Also damit, sich die Zeit zu vertreiben.

In weiß gerahmten Bildern sind die Opfer des Parkhaus-Dramas von Essen zu erkennen – Ostersonntag starben Zayn (16) und Reda (19) beim Sturz im VW Golf vom Oberdeck eines Parkhauses in Essen-Borbeck.
In weiß gerahmten Bildern sind die Opfer des Parkhaus-Dramas von Essen zu erkennen – Ostersonntag starben Zayn (16) und Reda (19) beim Sturz im VW Golf vom Oberdeck eines Parkhauses in Essen-Borbeck. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Klar ist, dass das Parkhaus schon lange ein Treffpunkt für Jugendliche war, die nur wenig Gutes mit ihrer Zeit anzufangen wissen. Zerstörte Scheiben und Graffiti an den Wänden zeugen davon; Anwohner hatten schon lange gewarnt. Am Mittwoch ist das Parkhaus weiter frei zugänglich; immerhin hat die Sicherheits-Firma, die für die Bewachung des Objekts zuständig ist, einen Mann in gelber Warnweste vor dem Gebäude abgestellt. „Ganz nach oben darf niemand mehr“, sagt er.

Reda, das berichten mehrere junge Menschen am Mittwochmorgen, hatte nach seinem Abgang von der Geschwister-Scholl-Realschule in Borbeck keine ordentliche Ausbildung begonnen, sondern viel Zeit rund um den Germaniaplatz verbracht – im Sportwett-Büro, im Döner-Imbiss und eben im Parkhaus. „Den kannte hier jeder“, sagt die Spielhallen-Angestellte.

Parkhaus Essen: Gerüchte machen weiter die Runde durch Borbeck

Vieles, was sich hier und jetzt erzählt wird, ist bloßes Gerücht: Dass der grüne VW Golf, mit dem Reda und Zayn vor dem tödlichen Unfall durch Borbeck gefahren seien, gestohlen gewesen war, zum Beispiel. Dass sie den Wagen einem Schrotthändler abgekauft hätten, zum Beispiel. Fakt hingegen: Die beiden Teenager waren ohne Führerschein und amtliche Kennzeichen unterwegs. Die Polizei äußert sich zu all diesen Gerüchten nicht; derzeit würden noch viele Zeugen vernommen.

Immer wieder ist die Rede davon, dass die jungen Männer auf dem Parkdeck „driften“ wollten, also mit viel Tempo anfahren, dann abrupt abbremsen, um seitlich mit dem Fahrzeug über den Boden zu gleiten. „Das glaube ich nicht“, sagt die Angestellte der Spielhalle. „Ich glaube, die wollten überhaupt einfach mal nur Auto fahren.“ Denn Reda, ihr toter Bekannter, habe zuvor nie etwas mit Autos zu tun gehabt. „Das war Ostersonntag das allererste Mal.“

Der junge Mann, der in Altendorf gewohnt haben soll, soll einen kleinen Bruder im Teenager-Alter haben. „Der war bei der Fahrt mit dabei, ist aber vorher ausgestiegen, bevor sie ins Parkhaus gefahren sind“, sagt die Angestellte. Dieser Ausstieg habe ihm offenbar das Leben gerettet. Auch diese Beobachtung wird derzeit von der Polizei noch nicht bestätigt.

Unterdessen kommen weiter Männer und Frauen an die Unglücksstelle und legen Blumen ab, obwohl sie die Opfer häufig gar nicht kannten: „Einfach nur tragisch“, sagt eine Frau und zündet ein Grablicht an. „Ich habe selbst einen Sohn, der ist 20.“