Essener Süden. Auf dem Mühlenbergshof in Oefte diskutierten die Essener Liberalen mit Landwirten. Das sagen die Betroffenen zu Preissteigerungen bei Rohstoffen.

Auf dem Mühlenbergshof in Oefte diskutierte die Essener FDP mit hiesigen Landwirten. Der Krieg in der Ukraine lässt die europäische Agrarpolitik und den Green Deal der EU neu betrachten. Artenvielfalt, Blühstreifen und Stilllegung von Ackerflächen? Ist das etwa „Ökokram“ und nur etwas für Friedenszeiten?

Für Nikolas Weber vom Oberschuirshof mittlerweile eine existenzielle Frage: „Jetzt kippt das Ganze. Man soll uns Bauern sagen, was unsere Aufgabe ist. Sollen wir die Welt retten oder die Menschen satt machen?“ Seine These: „Wir bekommen eine zweistellige Inflation. Das Brötchen kostet bald einen Euro. Das macht uns Sorgen.“

Kreisbauernschaft spricht von „absurden Verzerrungen“

Der Mülheimer Andreas Bolten ist Vorsitzender der Kreisbauernschaft: „Wir sind Unternehmer und wollen davon leben können mit unseren Familien. Und das ist jetzt in Gefahr, weil es absurde Verzerrungen auf den Weltmärkten gibt.“ Der zu trockene März sei da noch die geringste Sorge. Die Preise für Diesel und Dünger schießen durch die Decke, wichtige Rohstoffe und Futtermittel fehlen.

Zum Konzept von Benedikt Kaschinski gehört es, seinen Hühnern genügend Auslauf zu gewähren.
Zum Konzept von Benedikt Kaschinski gehört es, seinen Hühnern genügend Auslauf zu gewähren. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Grund genug für eine FDP-Gruppe um den Landtagsabgeordneten Ralf Witzel, in der Scheune von Landwirt Benedikt Kaschinski nachzuhaken. Europaabgeordneter Moritz Körner ist der Ansicht, dass „von der EU viel Unsinn“ komme: „So wollen wir die ab 2023 geplante Stilllegung von vier Prozent der Ackerflächen zumindest aussetzen.“ In der Krise sei es doch besser, die Potenziale der Landwirtschaft voll nutzen. Aber die Weizenpreise steigen doch? Freut das die Landwirte nicht?

Auch interessant

Kein bisschen, konterte Kaschinski. Die gestiegenen Kosten fräßen die Gewinne auf: „Die Düngerpreise haben sich verfünffacht. Ich habe nur einen kleinen Betrieb, doch ich muss 200 Tonnen Futter kaufen. Bei mir kostet ein Ei 46 Cent, das müsste ich für 60 Cent verkaufen. Aber wir können die Preissteigerungen nicht komplett umlegen auf unsere Kunden. Die Leute haben keine Kohle mehr.“

Die hiesigen Landwirte setzen auf Direktvermarktung. Hier der Hofladen des Mühlenbergshofs.
Die hiesigen Landwirte setzen auf Direktvermarktung. Hier der Hofladen des Mühlenbergshofs. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Die Gewinne würden ganz woanders gemacht, legte Nikolas Weber nach: „Der Weizenpreis hat sich um 50 Prozent erhöht, aber der Mehlpreis um 100 Prozent. Das wandert nicht in unsere Geldbeutel. Die Kräfte am Markt sind einfach krank.“ Kaschinski ergänzte, jede Tonne Weizen werde bis zu neun Mal virtuell an der Börse gehandelt, bevor sie auch physisch den Hof verlasse: „Reine Spekulation. Wie beim Speiseöl. Die Ernte war doch im Herbst und noch kein Krieg in der Ukraine. Da macht sich jemand die Taschen voll.“

Hiesige Landwirte setzen auf Direktvermarktung

Die hiesigen Landwirte setzten auch deswegen auf Direktvermarktung, so Weber: „Viele Menschen machen sich inzwischen Gedanken über ihre Lebensmittel. Wir sind nahe dran an unseren Verbrauchern.“ Allerdings kauften höchstens fünf Prozent in Hofläden ein. Durch Corona seien die Zahlen zwar kurzfristig gestiegen, inzwischen aber längst wieder gefallen, so Kaschinski: „Die Lebensmittel sind billig in deutschen Discountern. Alle wollen Tierwohl und kaufen dann doch das Hack im Angebot.“

Sein Nachbar Thomas Leuchten warf ein: „Ich kann nicht verstehen, warum die Restaurants so voll sind. Da gucken die Leute nicht aufs Geld.“ Moritz Körner versprach, die Sorgen der Landwirte mit ins Europaparlament zu nehmen, verwies aber auf die harten Bandagen, mit denen dort um die Agrarpolitik gerungen werde.

>>> Das Tierwohl wird großgeschrieben

Die Ei- und Fleischprodukte des Oefter Hofes gibt es in den Verkaufsautomaten des Hofladens.
Die Ei- und Fleischprodukte des Oefter Hofes gibt es in den Verkaufsautomaten des Hofladens. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Auf dem Mühlenbergshof werde das Tierwohl großgeschrieben, betont Benedikt Kaschinski: „Unsere Tiere haben ein gutes Leben. Die Pferde haben Riesenboxen und die Hühner jede Menge Auslauf.“ In mobilen Ställen mit modernster Technik hält Kaschinski seine Legehennen, lässt sogar ein paar Hähne dabei, ohne dass es nötig wäre: „Aber die gehören dazu, finde ich.“

Kleiner Laden hat Verkaufsautomaten

Nun sollen noch Masthähnchen dazukommen. Auch sie freilaufend, versteht sich: „Und zwar eine langsam wachsende Rasse.“ Alles zu erwerben in den Verkaufsautomaten des kleinen Ladens des von mehreren Generationen bewohnten Hofs. Was Nikolas Weber indes anmerken ließ: „Was kriegt so ein Altbauer an Rente? Viel zu wenig. Dabei haben sie ihr Leben lang geschuftet.“

Auch interessant

Zurzeit bietet so mancher Bauer Geflüchteten die zurzeit nicht genutzten Unterkünfte für Saisonarbeitskräfte an. Altbauer Alfons Kaschinski weiß noch ganz genau, wie das war mit dem Krieg. Von daher fühle er mit den Ukrainern. Der rüstige Landwirt ist Jahrgang 1933 und wurde aus der Heimat vertrieben: „Ich bin Ostpreuße. Als die Russen kamen, wurde unser Hof ausgeraubt. Aber wir haben überlebt und konnten sogar noch 40 Flüchtlinge mit ernähren. Als es nicht mehr ging, sind wir weg.“ Seine Familie habe einen Hof verloren und nichts geschenkt bekommen. Nach der Lehre habe er diesen Hof übernommen. „Er ist jetzt erst abbezahlt. Der Rücken ist auch kaputt vom Kartoffelschleppen. Aber ich bin ja jetzt Rentner und kann länger schlafen.“