Essen-Bergerhausen. Ukrainerin (66) mit Hund war bei einem Essener Ehepaar untergekommen. Das hat die Rentnerin liebgewonnen. Warum der Umzug trotzdem notwendig ist.
- Rentnerin aus der Ukraine ist seit gut drei Wochen in Essen.
- Sie hat keine Angehörigen und spricht kein Deutsch.
- Inhaber des Schürmannhofs will eine Wohnung zur Verfügung stellen.
Zwei neue Bewohnerinnen werden in Kürze in den Seniorenwohnungen auf dem Schürmannhof in Essen-Bergerhausen einziehen. Irina Veli (66) und Hündin Lisa (7). Die beiden sind vor dem Krieg aus der Ukraine geflohen und haben die vergangenen Wochen bei einem Ehepaar in Kettwig verbracht. Warum jetzt eine andere Lösung gefunden werden muss.
Überraschung für die Mieterinnen und Mieter des Schürmannhofs: Beim Mitgliedertreffen, das erstmals nach zwei Jahren Coronapause wieder in Präsenz stattfinden konnte, stellt Eigentümer Dieter Ochel eine potenzielle neue Mitbewohnerin vor. Mit Unterstützung eines Dolmetschers erzählt die 66-Jährige äußerst bewegt von ihrem bisherigen Leben in der Ukraine. Für die Umstände ihrer Flucht findet sie kaum Worte, immer wieder kommen ihr die Tränen.
Ukrainerin ist seit gut drei Wochen bei einem Essener Ehepaar zu Gast
Durch Vermittlung des Vereins „Werden hilft“ ist Irina Veli zu Nicolas (58) und Beate (53) Korte nach Kettwig gekommen. „Die Bilder aus der Ukraine haben uns einfach sehr berührt, wir wollten unbedingt etwas tun“, sagt Nicolas Korte. Gerade Menschen mit Tieren hätten es schwer, unterzukommen, auch weil der Impfstatus der Vierbeiner oft unklar sei und viele Unterkünfte nicht für Haustiere ausgerichtet seien. Die 66-Jährige von ihrem Hund zu trennen, hätten die Kortes nie übers Herz gebracht, sagen sie. Schließlich haben sie selbst einen einjährigen Labrador.
Die Ukrainerin schläft derzeit im Arbeitszimmer. „Irina ist uns wirklich ans Herz gewachsen, sie und Lisa sind total unkompliziert, wir haben sie gern bei uns, nicht sie als Mensch ist die Belastung“, betont Nicolas Korte, ebenfalls hörbar bewegt. „Aber mit den ganzen Ämtergängen, Arztbesuchen und was sonst noch so anfällt, sind wir inzwischen wirklich überfordert.“ Beide sind voll berufstätig, er als selbstständiger Coach und systemischer Berater, sie als medizinische Fachangestellte. Da fehle es irgendwann an Zeit, zumal Irina Veli durch diverse Krankheiten nicht komplett mobil sei und deshalb oft begleitet werden müsse.
Ämtergänge und Arztbesuche gestalten sich sehr zeitaufwendig
„Zum Glück konnte ich einige berufliche Dinge zurückstellen, aber ich habe in den letzten Wochen bestimmt fünf Tage nicht gearbeitet, an denen ich das eigentlich hätte tun sollen“, erklärt Korte. Viele bürokratische Dinge von der Registrierung der Geflüchteten über Anträge für Sozialleistungen wie Wohngeld bis hin zur Kontoeröffnung seien einfach sehr zeitaufwendig. Das Ehepaar will die Ukrainerin weiterhin unterstützen. „Wir brauchen jetzt erstmal eine Pause“, sagt der Kettwiger, schließt aber nicht aus, dass sie irgendwann wieder jemanden aufnehmen würden.
Seit 2009 ist der Schürmannhof die Heimat von Senioren
Die Geschichte des denkmalgeschützten Fachwerkensembles Schürmannhof an der Kaninenberghöhe geht bis ins Mittelalter zurück. Seit 2009 ist der renovierte und umgebaute Bauernhof die Heimat von 14 Senioren, die ihren Lebensabend in Gemeinschaft und mit Tieren verbringen möchten – mit eigenen Haustieren, aber auch mit Hühnern, Enten, Gänsen und Schafen.
„Wir sind wir unglaublich dankbar, dass Irina mit Lisa hier auf dem Schürmannhof die Chance auf eine tolle Wohnung bekommt. Hier hat sie auch Kontakt zu anderen Menschen in ihrem Alter, wir wollen ja nicht, dass sie vereinsamt“, so Korte. Auf dem ehemaligen Bauernhof an der Kaninenberghöhe gehört das Wohnen mit Tieren zum Konzept.
Irina Veli kommt aus Odessa und hat als Ingenieurin gearbeitet, berichtet sie ihren künftigen Mitbewohnerinnen und -bewohnern. Seit einem Jahr sei sie in Rente. Ihr Mann sei vor vier Jahren an Krebs gestorben, sie habe außer Hund Lisa niemanden mehr, keine Kinder, Eltern oder Geschwister. „Ich bin ja in der Sowjetunion aufgewachsen, habe dort auch gearbeitet. Für mich ist es jetzt so, dass Brüder auf Brüder schießen“, sagt sie traurig. Irina Veli dankte unter dem Applaus ihrer künftigen Mitbewohnerinnen für die Aufnahme. „Ich werde mir Mühe mit der deutschen Sprache geben, auch wenn es mir schwerfällt.“
Ukrainerin besichtigt Dachgeschosswohnung
Ein erster Rundgang über den Schürmannhof und die Besichtigung der Dachgeschosswohnung mit Nasszelle und Küchenzeile, die in den Tagen nach Ostern für die Ukrainerin hergerichtet werden soll, zauberte ihr dann doch ein Lächeln ins Gesicht. Dieter Ochel, Inhaber des Schürmannhofes, freut sich schon auf Irina Veli und Lisa, die er gleich ausgiebig kraulte: „Dass Sie hier einziehen können, haben sie Lisa zu verdanken.“ Wichtig sei, dass beide zusammenbleiben könnten. Geld sei erstmal zweitrangig. „Wenn die Stadt nichts dazutut, übernehme ich die Miete und der Verein Schürmannhof trägt die Kosten für die Verpflegung.“