Essen-Rüttenscheid. Karin Völlenklee verkauft mit 81 Jahren immer noch Obst und Gemüse auf dem Markt in Essen-Rüttenscheid. Ihren Stand gibt es schon seit 1925.
- 1925 gründeten Karin Völlenklees Großeltern ihren Stand für Obst und Gemüse auf dem Rüttenscheider Wochenmarkt.
- Die heute 81-Jährige arbeitete auf dem Rüttenscheider Markt, seit sie 15 Jahre alt war.
- Nach über 60 Jahren als Markthändlerin denkt die Essenerin noch lange nicht ans Aufhören.
Er ist mit Abstand einer der ältesten Marktstände auf dem Rüttenscheider Wochenmarkt: In dritter Generation verkauft Karin Völlenklee, wie schon zuvor ihre Eltern und Großeltern, jeden Mittwoch und Samstag gegenüber vom markanten Brunnen Obst, Salat, Kartoffeln und Gemüse; unverwüstlich, sommers wie winters, dem fortgeschrittenen Alter zum Trotz.
Sorgfältig prüfend, ja fast zärtlich nimmt Karin Völlenklee jeden Apfel, jede Birne, jede Tomate in die Hand, bevor sie in der Papiertüte landen. „Das mache ich auch schon beim Einkauf auf dem Großmarkt so, dafür bin ich bekannt“, sagt die Händlerin und lacht. Die mädchenhaft wirkende Essenerin strahlt trotz ihrer mittlerweile 81 Jahre immer noch eine ansteckende Vitalität, ja Freude aus. Was ihre zahllosen Stammkunden, die ihr zum Teil über Jahrzehnte treu geblieben sind, lieben und schätzen.
Essener Markthändlerin (81): „Früher kamen die Händler noch mit Pferdewagen“
Denn bereits seit ihrem 15. Lebensjahr steht Karin Völlenklee hinter dem Stand, den ihre Großeltern mütterlicherseits 1925 gründeten und den ihre Eltern 1949 übernahmen. „Früher kamen die Händler noch mit Pferdewagen“, sagt sie und kramt zum Beweis alte Schwarz-Weiß-Fotos aus einer Holzkiste, „hier sieht man, dass wir mit unseren Waren schon immer nahe am Brunnen standen“. Damals gab es fast nur regionales Gemüse und Obst, „ich erinnere mich an große Fässer mit Weintrauben und Sauerkraut“.
Aber auch Wurst, Fleisch, Käse und Kleidung wurden bereits auf dem Rüttenscheider Markt angeboten. Der war immer schon gut besucht, „wir hatten und haben ein nettes und solventes Publikum hier“. Dass sich Karin Völlenklee schon in jungen Jahren gegen einen geregelten Job im stets warmen und trockenen Büro und für den Markt entschieden hat, ist einigermaßen erstaunlich. Denn es war und ist ein schweres Geschäft und wahrlich nichts für Langschläfer, Partygänger oder Reisefreudige.
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Ehepaar war jahrzehntelang auf vier Märkten in Essen unterwegs
Auch die sozialen Kontakte beschränken sich fast ausschließlich auf die engste Familie. „Auf vieles müssen wir als Markthändler verzichten können“, bestätigt Roland Völlenklee. Der 84-Jährige ist mit der Heirat ins Geschäft eingestiegen. „Meinen Mann habe ich 1965 aus dem schönen Südtirol in den Ruhrpott entführt. Er war mein Skilehrer“, erzählt Karin Völlenklee und lässt wieder ihr ansteckendes Lachen erklingen.
Markt fand 1906 zum ersten Mal statt
Der Rüttenscheider Markt ist einer der größten und ältesten Wochenmärkte in Essen. Er fand 1906 auf dem extra dafür erbauten Platz an der Klarastraße zum ersten Mal statt.
Der markante Brunnen wurde 1910 eingeweiht, darüber hinaus wurden eine Wartehalle für die damals noch junge Straßenbahn und eine Toilette gebaut.
Die Auswahl an den rund 100 Marktständen (samstags, mittwochs sind es ca. 60 Stände) ist groß: Fleisch, Fisch und Geflügel, Obst und Gemüse, Eier, Gewürze und Blumen, Textilien, aber auch frischen Kaffee, Reibekuchen, Obstsäfte und Backwaren gibt es hier.
Die Marktzeiten: Mittwoch 8 bis 13 Uhr, Samstag 8 bis 14 Uhr.
Tatsächlich waren auch später die Winterurlaube die einzige freie Zeit, die sich die Völlenklees geleistet haben. Auch als nach der Heirat die beiden Kinder kamen, änderte sich daran nichts. Erst mit den drei Enkelkindern verreiste das Ehepaar auch schon mal im Sommer, „aber immer nur für eine kurze Zeit“. Viele Jahrzehnte waren sie vier Tage in der Woche auf den Märkten in Essen zu finden, „Heisingen, Holsterhausen und zwei Mal in Rüttenscheid“, zählt Roland Völlenklee auf.
Nachkömmlinge wollen Marktstand in Rüttenscheid nicht übernehmen
Der Arbeitstag heißt bei ihnen eigentlich Arbeitsnacht: Denn die beginnt um zwei Uhr morgens. Dann heißt es einkaufen, einpacken, aufbauen, um schließlich in der Früh die ersten Kunden mit einem freundlichen Lächeln begrüßen. „Heisingen haben wir nach gut 17 Jahren erst im Alter aufgegeben, sind also nur noch drei Tage unterwegs“, sagt Karin Völlenklee, die noch bis vor ein paar Jahren den großen Lkw mit Anhänger selbst lenkte. Unterstützt werden sie von Kindern, Schwiegerkindern und Enkeln. „Alle helfen mit, das ist bei uns eben Tradition.“
Doch diese Tradition wird wohl nicht weitergelebt: Keiner der Nachkömmlinge will das Geschäft übernehmen, „die Arbeitsbedingungen und der Verzicht auf ein normales Leben schrecken eben ab“, sagt Karin Völlenklee - und ein bisschen hört man ihr das Bedauern darüber an. Denn für sie und ihren Mann sind ihre Arbeit auf den Wochenmärkten, der Austausch mit den Kunden und die Gemeinschaft mit den anderen Markthändlern geradezu unverzichtbar. Denn es hält sie am Leben, davon sind beide überzeugt.
„Viele unserer Kollegen, die mit 65 aufgehört haben, sind kurze Zeit später verstorben“, erzählt Karin Völlenklee, „deswegen machen wir so lange weiter, wie es geht. Schauen Sie sich doch um: Fast alle über 80-Jährigen brauchen einen Rollator. Wir noch nicht. Denn die Arbeit an der frischen Luft hält uns jung“.