Essen-Heidhausen. Ein 1971 zerstörtes Heiligenhäuschen der Flurprozession in Essen-Werden wird rekonstruiert. Wer die Idee hatte und wie die Neuauflage aussieht.

Auf der Straße Pastoratsberg in Heidhausen stoßen Wanderer unweit der Jugendherberge derzeit auf eine Baustelle. Sind das Kanalarbeiten, werden dort Leitungen verlegt? Definitiv nicht. Vielmehr soll hier ein vor 50 Jahren zerstörtes kleines Denkmal, das dem Heiligen Ludgerus gewidmet war, wieder errichtet werden. Die Idee dazu hatte ein Werdener Unternehmer, die Unterstützung kommt vom Bürger- und Heimatverein.

Heiligenhäuschen oder Bildstock werden solche Bauwerke genannt. Der einst am Pastoratsberg befindliche Bildstock, um den es hier geht, wurde 1721 erbaut und 1971 zerstört. Er war bis dahin Teil der Flurprozession, die durch Werden und Heidhausen führte. Und er war Teil von Horst Giesens Kindheit und Jugend, weshalb der Unternehmer die Rekonstruktion des Heiligenhäuschens anstrebte.

Horst Giesen will aus Dankbarkeit der Heimat etwas zurückgeben

Das ursprüngliche Heiligenhäuschen.
Das ursprüngliche Heiligenhäuschen. © Tekolf

„Mein Bruder Günter und ich verbrachten eine glückliche Jugend in unserem Elternhaus am Pastoratsberg. Mein Vater durfte dort ein Behelfsheim errichten, nachdem unsere Familie ausgebombt war“, erzählt Giesen. Auch lebten kinderreiche Familien in der Nachbarschaft.

Der 87-Jährige berichtet stolz: „Wir hatten eine richtig gute Fußballmannschaft, den FC Pastoratsberg, und sogar ein eigenes Fähnlein der Pfadfinder.“ Geschäftlich erfolgreich, wolle er nun aus Dankbarkeit der Heimat etwas zurückgeben: „Das Heiligenhäuschen muss wieder her.“

Werdener Flurprozession war eine Tradition

Als Lokalpatriot sprach er beim Bürger- und Heimatverein vor: „Alle waren dafür. So kam ich mit Frau Tekolf und Herrn Baumgartner zusammen.“ Die Heimatforscherin Edith Tekolf hatte sich 2018 intensiv mit dem Rätsel um den Bildstock der Clemenskirche beschäftigt, war so zwangsläufig auf die traditionelle Werdener Flurprozession gestoßen. Die Gläubigen schritten seit 1721 auf dem St. Lürsweg jährlich die vier baugleichen barocken Heiligenhäuschen ab, für jede Himmelsrichtung eines. Um 1900 kam ein weiteres Häuschen an der Ludgerusstraße hinzu.

Bis ins Jahr 1967 wurde die unter Abt Theodor Thier begonnene Tradition aufrecht erhalten, dann ereilte die Bildstöcke unterschiedliche Schicksale. Der an der Ludgerusstraße wurde 1974 von einem Lastwagen umgefahren, der an der Fischlaker Straße wurde 1981 renoviert und dabei neu interpretiert. Noch weitgehend original erhalten sind die Heiligenhäuschen an Viehauser Berg und Jacobsallee, beide unter Denkmalschutz.

Der Bildstock am Pastoratsweg wurde mutwillig umgestoßen

Historikerin Edith Tekolf und Architekt Michael Baumgartner vor der Baustelle am Pastoratsberg in Essen-Werden. Hier soll das 1971 zerstörte westliche Heiligenhäuschen wiedererrichtet werden.
Historikerin Edith Tekolf und Architekt Michael Baumgartner vor der Baustelle am Pastoratsberg in Essen-Werden. Hier soll das 1971 zerstörte westliche Heiligenhäuschen wiedererrichtet werden. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Der Bildstock am Pastoratsberg verschwand, nachdem er wohl mutwillig von Jugendlichen umgestoßen wurde. Rund 50 Jahre später lag eine Neuauflage in der Luft, findet Edith Tekolf: „Dieser Ort hatte eine Bedeutung für die Menschen, hat sie heute noch. Ein paar Steine und ein Sack Mörtel reichen da nicht. Man muss möglichst nahe am Original bleiben. Das ist eine Frage des Respekts. Auch wenn es ein sehr aufwendiges und zeitraubendes Projekt wird.“

Architekt Michael Baumgartner stellt den Bezug zur Straße her

Ursprünglich sollte der neue Bildstock zur 300-Jahresfeier eingeweiht werden, doch das ließ sich nicht realisieren. Nun ist der 18. Juni angedacht. Horst Giesen übernimmt die Finanzierung, Tekolf und Baumgartner die fachliche Beratung. Für den Bildstock selbst konnte der Kettwiger Steinmetz Thorsten Stegmann gewonnen werden. Edith Tekolf lobt die Qualität der Arbeit: „Er hat die überlieferte lateinische Inschrift von Hand eingemeißelt.“

Das Rätsel der Inschrift

Heimatforscherin Edith Tekolf betont, dass die Inschriften der vier Bildstöcke in der richtigen Reihenfolge gelesen werden müssen: „So ergeben sie theologisch und liturgisch einen Sinn.“ Am Pastoratsberg wurde Ludgerus gebeten, Werden vor dem Bösen zu schützen: „Der Westen stand für das Dunkle, für die Hölle.“

Die Inschrift berge mit den Buchstaben F.L.M.P. ein weiteres Rätsel: „Was heißt das?“ Die Heimatforscherin vermutet einen Hinweis auf den barocken Steinmetz. Dessen „Nachfolger“ Thorsten Stegmann hat eine Ludgerus-Figur gestiftet, das sie schützende Gitter wird von der Kupferdreher Kunstschmiede Michael Stratmann ausgeführt.

Architekt Michael Baumgartner übernahm die Bauleitung, verzichtete aufs Honorar, zeichnete Pläne, stellte die nötigen Anträge: „Untere Naturschutzbehörde, Obere Forstbehörde, Straßenamt, Kampfmittelräumdienst und andere.“ Mit den Arbeiten fürs dreieckige Fundament wurde der Ausbildungsbetrieb von Grün und Gruga beauftragt, die Bodenarchäologie begleitete die Ausschachtungen.

Baumgartner wollte auch den ursprünglichen Bezug zur Straße wieder herstellen. Der Bildstock wird nun 60 Zentimeter tiefer stehen, damit Besucher ihm auf Augenhöhe begegnen können: „Man sollte nicht hochschauen müssen zum Heiligen. Das passt nicht in heutige Zeiten.“ Zwei Steinbänke mit Sitzbohlen werden zum Verweilen einladen. Sicherlich wird Horst Giesen oft dort sitzen und an seine glückliche Jugend zurückdenken.