Essen. Nach Baldeneysteig und Kettwiger Panoramasteig hat jetzt auch der Essener Norden seinen eigenen Steig. Was man rund um den Weg wissen sollte.

Wenn es ums Wandern in Essen geht sind Baldeneysteig und Kettwiger Panoramasteig längst feste Tour-Größen mit überregionaler Ausstrahlung. Nun kommt ein weiterer tagesfüllender Rundwanderweg hinzu, diesmal im Essener Norden: Der Zollvereinsteig, der im 3. April nach rund einem Jahr Vorbereitung eingeweiht wird, soll schon vom Namen her an die bekannten Vorbilder im Süden anknüpfen, gleichzeitig aber auch ein völlig anderes Wandererlebnis bieten und sich die Zugkraft des Welterbes Zollverein zunutze machen.

Zollvereinsteig lebt stark von kleinen Naturflächen und neuer Natur

Während die Wege im Süden bei aller spürbaren Stadtnähe doch in weiten Teilen durch Wälder und Felder führen, muss der Zollvereinsteig sich in dieser Hinsicht bescheiden und begnügt sich entweder mit den Naturflächen, die Industrien und Siedlungsbau übrig gelassen haben oder diesen abgetrotzt wurden. „Es ist Wandern durch eine menschengemachte Landschaft“, sagt Ralph Kindel, der in seiner Zeit als Geschäftsführer des Grüne-Hauptstadt-Büros so etwas wie der Essener Wanderpapst wurde und nach dem Kettwiger Weg auch den Zollvereinsteig konzipiert hat.

Das Wanderzeichen des Zollvereinsteigs nimmt die Symbolik der beiden anderen Essener Steige farblich anders wieder auf.
Das Wanderzeichen des Zollvereinsteigs nimmt die Symbolik der beiden anderen Essener Steige farblich anders wieder auf. © Jochen Tack

Gute Ortskenntnis und viele eigene Erkundungstouren sind für ein solches Projekt unerlässlich, um die beste Route zu finden. Die 26 Kilometer lange Runde kombiniert dann auch durchaus geschickt Rest-Natur in einigen Bachtälern mit der angelegten Natur auf Friedhöfen und in Stadtparks sowie der „neuen Natur“, die in Form von Halden erst durch die Kohleförderung entstand.

In der überwiegend ebenen Emscherniederung sind Halden die mit Abstand größten und höchsten Erhebungen, entsprechend weit geht von dort der Blick. Kindel schwärmt besonders von der Schurenbachhalde, die nicht nur bei den Metern über Normalnull im wahrsten Sinne der Höhepunkt des Zollvereinsteigs ist. An klaren Tagen gestattet der Berg den vielleicht besten Fernblick auf die Essener Hochhaus-Skyline.

Allerdings sollte man seine Erwartungen im Rahmen halten und sich vor allem vom etwas dick aufgetragenen Wort „Steig“ nicht täuschen lassen. „Urbanes Wandern“, wie der neudeutsche Fachbegriff heißt, ist etwas anderes als Umherstreifen in der freien Natur. In Kauf nehmen muss man kreuzende Straßen, viele Asphaltwege und stellenweise einen hohen Lärmpegel, etwa am Emscherschnellweg. Und wirklich einsam geht es auf dem Zollvereinsteig gewiss auch nicht oft zu.

Neben der Natur gibt es auch jede Menge Kultur zu entdecken

„Das urbane Wandern hat aber seinen eigenen Charme“, sagt Kindel; eben weil es neben der Natur auch jede Menge gebaute Kultur zu entdecken gibt. Tatsächlich hat die Mischung aus alten Parks, parkähnlichen Friedhöfen, Kleingartenanlagen, Halden, grünen Wege-Bändern und großen ehemaligen Industrieflächen mit den dort typischen baulichen Relikten seinen Reiz für den, der dafür empfänglich ist.

Auf Freizeit-Radwegen, mit denen der Essener Norden schon dank der früheren Güterbahntrassen bestens ausgestattet ist, haben viele die Gegend bereits erkundet, im gemächlicheren Wander-Tempo ließe sich das nun vertiefen. Kindel hat nach eigenen Angaben versucht, wo immer es geht, den Steig und die gängigen Radrouten zu trennen, um neue Wege-Erlebnisse zu ermöglichen, aber auch weil Wanderer und Radfahrer sich nur in relativ kleiner Zahl gut vertragen.

Auch die Halde Zollverein 4/11 in Gelsenkirchen ist Teil des Zollvereinsteigs.
Auch die Halde Zollverein 4/11 in Gelsenkirchen ist Teil des Zollvereinsteigs. © Jochen Tack

Die Runde in groben Zügen: Von Zollverein geht es im Uhrzeigersinn über grüne Stadtstraßen zum Kaiser-Wilhelm-Park in Altenessen, dann an der grün eingebetteten Zeche Carl vorbei zum Nordfriedhof, der wie viele der großen Friedhöfe in Essen längst mehr einen Park-Charakter hat und auch genauso angelegt ist. Über grüne Wege führt der Weg dann weiter zur Schurenbachhalde.

Nachbarstadt Gelsenkirchen wird großzügig einbezogen

Über Wege, die teilweise schon zu Gelsenkirchen gehören, geht es dann Richtung Nienhauser Park, wo die Route lange verweilt - überhaupt wird die Nachbarstadt völlig zu Recht großzügig in den Zollvereinsteig einbezogen, rund ein Viertel führen über ihr Gebiet. Über wiederum viele grüne Wege entlang der Stadtgrenze ist der Hallo-Park und -Friedhof erreicht, ein jenseits der unmittelbaren Umgebung weithin unbekannter Geheimtipp in Essen. Über das Stoppenberger Hangetal führt der Steig dann wieder zurück nach Zollverein.

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Selbst laufstarke Wanderer brauchen für die 26 Kilometer bis zu sechs Stunden reine Gehzeit ohne Pausen. Ein Spaziergang ist das nicht mehr. Da trifft es sich gut, dass die Tour bequem in zwei Hälften teilbar ist. Wer vom Zollverein-Gelände bis zum Nienhauser Busch läuft (oder umgekehrt), hat ungefähr die Hälfte der Runde geschafft, könnte dann mit der Straßenbahn zum Ausgangspunkt zurück und die andere Hälfte ein anderes Mal in Angriff nehmen.

Alte Bergarbeiterhäuser und die Fatih Moschee in Katernberg, an der die Wanderroute vorbeiführt.
Alte Bergarbeiterhäuser und die Fatih Moschee in Katernberg, an der die Wanderroute vorbeiführt. © Jochen Tack

Auch in Zeiten, da sich immer mehr Wanderer der GPS-Führung übers eigene Handy anvertrauen, bleiben Markierungen für unbeschwertes Laufen wichtig. Zuständig dafür ist bei allen Essener Steigen Martin Velling, Bezirkswegewart des Sauerländischen Gebirgsvereins (SGV). „In der ersten Aprilwoche“ will Velling entlang der gesamten Strecke mit dem Anbringen der Wanderzeichen fertig sein. Es orientiert sich am gezackten Symbol der anderen zwei Essener Steige, arbeitet allerdings mit Orange als Grundfarbe.

Ein Seitenblick führt nach Karnap, ein Stadtteil, der viel Grün hat

Ergänzt wird der Zollvereinsteig übrigens noch durch einen 5,4 Kilometer langen, sogenannten Seitenblick nach Karnap, ein Stadtteil, der – für Ortsunkundige vermutlich überraschend – nicht nur am Rhein-Herne-Kanal viel Grün besitzt. Überhaupt soll der neue Wanderweg auch die innerstädtischen Empfindlichkeiten berücksichtigen und interessierte Wanderer in Gegenden locken, die sie bislang vielleicht eher gemieden haben. „Mit Blick auf das gesamte Stadtgebiet ist es für uns zwingend notwendig, den nächsten touristischen Leuchtturm im Norden der Stadt zu installieren“, hieß es nicht zufällig in einem Papier der Essen Marketing GmbH (EMG), das als Entscheidungsgrundlage für den neuen Steig diente.

Karte und GPS-Datei sind ab 1. April erhältlich

Der Zollvereinsteig wird am 3. April, 14.30 Uhr, in Anwesenheit von Ministerpräsident Hendrik Wüst auf dem Zollverein-Gelände eröffnet. Auf dem Platz vor der langen Rolltreppe zum Ruhrmuseum gibt es zunächst einige Reden, dann wird einige Kilometer gewandert. Jeder Interessierte ist willkommen.

Mit 26,3 Kilometern Länge (plus 5,4 Kilometer Seitenblick nach Karnap) und 321 Höhenmetern ist der Zollvereinsteig eine veritable Tageswanderung für konditionsstarke Geher.

In Vorbereitung ist eine Wanderkarte, die ab dem 1. April zum Download auf der Seite der Essen Marketing GmbH (www.visitessen.de) bereit steht, auch eine GPS-Datei ist dort erhältlich. Wer die karte lieber auf Papier mag: Ab Anfang April ist sie in der Tourist-Info an der Kettwiger Straße kostenlos erhältlich.