Essen. Vier Tage Wandern im Revier. Das geht wunderbar. Der Baldeneysteig und der Kettwiger Panoramasteig sind die jungen Wilden unter den Wanderwegen.

Schon mal von Fischlaken gehört? Selbst viele Essener haben noch nie die Südhänge des Baldeneysees besucht. So wie sie auch Schuir im Norden über der Ruhr nur vom Durchfahren kennen oder vom Besuch beim Bauern. Dabei beginnt wenige Minuten hinter der Essener City das Bergische Land, zumindest in der Anmutung: Fachwerk, Pferde, idyllische Bachtäler.

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Mit der Eröffnung des Kettwiger Panoramasteigs Ende Mai und dem auch erst drei Jahre jungen Baldeneysteig erschließen nun zwei gut markierte Rundwege das wohl überraschendste Wanderrevier der Region. Es hat das Zeug zum Klassiker.

Panorama 1: Hoch überm See

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Das Segel killt, der Baldeneysee ist wegen der wechselnden Winde kein leichtes Revier. Von hier oben sehen wir die Flächen, wo das Wasser sich stärker kräuselt; doch der spielzeugkleine Sportsegler setzt seine Fahrt schon fort zur Marina von Heisingen. Ein Schattenbaum sichert mit seinen freigewaschenen und picknickgeglätteten Wurzeln unseren Aussichtspunkt, er war nicht ausgeschildert, aber wer rund um die Neue Isenburg, stattliche hundert Meter über dem See, den Schleichpfaden ins Gebüsch folgt, findet manchmal mehr als ein wildes Klo.

Wir blicken auf Felder und wissen doch so viele Großstädte im Rücken. Die Marinas, der Motorradtreff Haus Scheppen, die Nadel des Senders Langenberg, die in der Elfringhauser Schweiz die Wolken piekst – sie zeugen nur indirekt von dieser Ballung. Hier oben haben wir gute Chancen auf ein paar Minuten Stille am steilen Nordhang zwischen Villa Hügel und Korte-Klippe.

Ein Revier für vier Tage

Rund 60 Kilometer sind die beiden Rundwege zusammen lang, die sich in Werden mit kleiner Überschneidung zu einer recht krakeligen Acht fügen, wobei der Kettwiger Steig mit 34,4 Kilometern und 760 Höhenmetern im Anstieg auch für Wanderer mit strammen Wadln eine Herausforderung darstellt, will man ihn an einem Tag gehen. Da er sich zwischen den S-Bahnhaltestellen Kettwig und Werden auf beiden Seiten der Ruhr erstreckt, kann man ihn jedoch hervorragend teilen – wie auch den Baldeneysteig mit seinen 26,7 Kilometern und 600 Höhenmetern; hier sind Werden und Kupferdreh die Scheitelpunkte.

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So kann man sehr gut auch vier Tage lang den Essener Süden erwandern. Besonders am See lässt sich der Steig darüber hinaus in kleineren Abschnitten erkunden, wenn man eine der zahlreichen Querverbindungen nutzt und über den rundumgehenden Uferweg eine Runde nach Gusto bildet. Von Werden zum Haus Scheppen und hoch über Fischlaken zurück sind es zum Beispiel rund zehn Kilometer.

Panorama 2: Die rapsgelben Felder

Weite Blicke in Schuir.
Weite Blicke in Schuir. © Jochen Tack | Jochen Tack

Im Grunde kann der Anblick der (demnächst wieder rapsgelben) Felder von Schuir keinen Ruhrgebietsbewohner überraschen. Man sieht sie ja von der A52, wenn man die Ruhr überquert. Und doch ist es seltsam, nun zu Fuß die Autobahn zu kreuzen und ohne Übergang vor diesen bunten Wellen zu stehen, die Wegesränder rot gesprenkelt von Klatschmohn. Von solchen Ausblicken hat der Kettwiger Panoramasteig seinen Namen. Dort hinten ist der Flugplatz mit seiner Luftschiffhalle. Das Rauschen der Autobahn begleitet uns schon eine ganze Weile, doch nur wenige hundert Meter neben der Bahn grasen die Pferde, die Pollen in der Sonne erzeugen dieses besondere Raumgefühl.

„Urbanes Wandern“ – so wirbt Essen um Urlauber, ja: „Urlaub in Essen“. Das hört sich arg nach Slogan, nach Beschönigung an. Tatsächlich verläuft der Kettwiger Kurs zu einem weit größeren Teil auf kleinen Straßen und asphaltierten Wegen als der Steig am See, weit mehr als die 15 Prozent Versiegelung die noch erlaubt sind, um das Label „Premium-Wanderweg“ zu bekommen. Aber urban bedeutet hier tatsächlich: Kontrast und Überraschung.

Panorama 3: Wo sind all die Städte hin?

“Die Oefte“ werden die Felder und Wälder südlich über der Ruhr auch genannt – nach Schloss Oefte, dass nun ein Golfplatz ist.
“Die Oefte“ werden die Felder und Wälder südlich über der Ruhr auch genannt – nach Schloss Oefte, dass nun ein Golfplatz ist. © Jochen Tack

Der Fluss drängt sich nicht in den Mittelpunkt auf weiten Teilen des Kettwiger Steigs. Im Süden, in der „Oefte“, muss man gar einen Abstecher machen, um die Ruhr überhaupt zu Gesicht zu bekommen, außer beim An- und Abstieg. Dann sieht man drunten Schloss Oefte am Südhang. Hier zwischen den Stauwehren von Werden und Kettwig fügt sich die Ruhr ins Panorama, statt es zu dominieren wie am Baldeneysee, dem fraglos spektakuläreren der beiden Wege. Wir wandern weiter durch Wälder und Felder, durch Pferdeland. Ja, das ist hier der definierende Blick: Pferd vor Tal. Und wieder einmal kommt selbst der Ruhri ins Staunen: Wo sind all die Städte hin? Haben sich einfach versteckt in all dem Grün und Gelb und Braun. (mit F.S.)

>> Info: Die Wanderkarten

Die „Dörfer“ Werden und Kettwig sind natürlich mehr als Abstecher wert und werden als „Seitenblicke“ auf den Wanderkarten der Stadt empfohlen, wie auch die Hespertalbahn oder der Rutherhof. Die Karten bekommt man bei der Touriinfo (0201/8872333) oder als Datei für Navigationsgeräte auf www.visitessen.de, hier finden sich auch weitere Wandervorschläge in der Stadt. Die Strecken sind gut markiert vom Sauerländischen Gebirgsverein.

Im Klartext-Verlag ist der Wanderführer „Urbane Steige in Essen – der BaldeneySteig und der Kettwiger Panoramasteig“ erschienen (16,95 Euro, 176 Seiten). Die Texte stammen von Ralph Kindel und Frank Stenglein, die Fotos von Jochen Tack.

Die Elfringhauser Schweiz und das weitere Ruhrgebiet

Eines der schönsten Wanderreviere in den Grenzen des Ruhrgebiets ist die „Elfringhauser Schweiz“ zwischen Hattingen, Velbert und Sprockhövel. Schweiz hört sich natürlich besser an als ein vielleicht angemesseneres Elfringhauser Alpenvorland, aber ganz so abwegig ist der Vergleich nicht, wenn man hier die Kühe auf den Hängen grasen sieht.

Eine Vielzahl an Wegen durchzieht das Gebiet, die offizielle Wanderkarte ist leider etwas unübersichtlich. Besser man wandert mit GPS-Unterstützung, etwa 30 Touren sind hier verfügbar. Oder man plant seiner Tour gleich mit einer komfortablen App wie Komoot, Outdooractive oder Alpenvereinaktiv, der offiziellen App des Deutschen Alpenvereins. Ein guter Startpunkt sind Touren in und um das Felderbachtal und den Bergerhof.

Die Elfringhauser Schweiz mitsamt des gesamten Südrandes des Reviers wird abgedeckt vom Wanderführer Ruhrgebiet 2“ . Er vereint „Die schönsten Touren zwischen Hagen und Mülheim an der Ruhr“ (Klartext, 16,95 Euro, 144 Seiten). Entsprechend geht es im „Wanderführer Ruhrgebiet 1“ um den nördlichen Rand des Ruhrgebiets und „Die schönsten Touren im Naturpark Hohe Mark zwischen Rhein und Halterner See“ (Klartext, 16,95 Euro, 144 Seiten).

Wer weiter hinaus will, findet auch im restlichen NRW ein üppiges Angebot: Rheinsteig, Neanderlandsteig, Briloner Kammweg und die Via Adrina, ein Rundweg durch das Rothaargebirge … der Bergische Weg, der Wittgensteiner Schieferpfad, ach, es sind so viele, aber nrw-tourismus.de beschreibt sie zum Glück alle.

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