Essen-Karnap. Die Idee ist so einfach wie erfolgreich: Spazierpaten laden Senioren jede Woche zum Mitlaufen ein – für mehr Bewegung und weniger Einsamkeit.
Seit zehn Jahren sind die Spaziergruppen unter dem Motto „Willst du mit mir geh’n?“ im Stadtgebiet unterwegs. Start war damals in Essen-Karnap. Dort wurde jetzt der Jahrestag gefeiert und Christel Panten (81), Spazierpatin der ersten Stunde geehrt – stellvertretend für alle weiteren ehrenamtlichen Patinnen und Paten. Wie eine einfache Idee zur echten Erfolgsgeschichte geworden ist.
An einem Montagvormittag im März 2012 machte sich Christel Panten mit einer kleinen Gruppe in Karnap erstmals auf den Weg, nachmittags folgte eine Gruppe am anderen Ende der Stadt, in Kettwig. Was mit 36 Paten in zwölf Stadtteilen begann, ist heute in Essen eine fast flächendeckende Bewegung: Inzwischen unternehmen 145 Paten über 40 Spaziergänge pro Woche in 36 Stadtteilen. Und weit über 1000 Seniorinnen und Senioren laufen mit.
Dass Christel Panten Spazierpatin wurde, hatte einen Grund: „Mein Mann war als Maschinenbauer früher ständig in der ganzen Welt unterwegs, da musste ich auch etwas tun.“ Sie engagierte sie sich zuerst im Turnverein Karnap, war dort Vorstandsmitglied und organisierte Wandergruppen. „Mit Wandern kenne ich mich aus, da hab ich mich gemeldet, als ich den Aufruf für die Spazierpaten in der Zeitung gelesen habe.“
Spazierpaten bringen Essener Senioren in Bewegung
In der Corona-Zeit sei es nicht immer einfach gewesen. Vieles habe sich verändert, inzwischen seien sechs ihrer knapp 30 Spaziergänger auf den Rollator angewiesen. „Die älteste Teilnehmerin ist 92. Meist sind es alleinstehende ältere Menschen, die mitgehen“, sagt Christel Panten. Ihr ist es wichtig, die Seniorinnen und Senioren in Bewegung zu bringen, aber auch, ihnen zu sozialen Kontakten oder gar neuen Freundschaften zu verhelfen. Gelaufen werde auch bei Regen, aber: „Wenn es zu sehr schüttet, machen wir halt Stuhlgymnastik im Seniorenzentrum.“
Auch bei der Stadt hatte offenbar niemand erwartet, dass die Idee, sich an einem festen Treffpunkt zu einer festen Uhrzeit ohne vorherige Anmeldung zu treffen, so erfolgreich sein würde. „Dass nicht alle Stadtteile abgedeckt sind, ist kein Problem“, sagt Susanne Asche, Vorsitzende des Seniorenbeirats, unter dessen Dach die Spazierpaten agieren. „In Stadtteilen, in denen weniger als 3000 Senioren leben, gibt es keine Spaziergruppen.“ Dazu zählen Schuir, Fulerum, Byfang und Vogelheim.
In großen Stadtteilen wie Frohnhausen, Altendorf, Altenessen, Freisenbruch und Heisingen gebe dafür sogar zwei. „Hier in Karnap haben wir die Gruppe in drei Untergruppen unterteilt, die einen kurzen, einen mittleren und einen längeren Weg laufen“, erklärt Christel Panten. Bei Kaffee und Brötchen komme man dann im evangelischen Altenzentrum am Emscherpark wieder zusammen.
Schwerpunkt sind die Spaziergänge im eigenen Stadtteil
Auch Ausflüge und kleine Urlaubsfahrten stehen auf dem Programm. Schwerpunkt sind aber die Runden durch Karnap, denn die älteren Menschen sollen mit ihrem Stadtteil vertraut werden. „Sogar ich kenne mich inzwischen hier ganz gut aus“, sagt Christel Pantens Ehemann (87), der früher eher in Südamerika als im eigenen Stadtteil unterwegs war, heute aber seine Frau gelegentlich begleitet.
Das Projekt wurde bereits mehrfach ausgezeichnet
Das Projekt „Willst du mit mir geh’n?“ war 2012 als gemeinsame Initiative von Seniorenbeirat, Seniorenreferat des Amtes für Soziales und Wohnen und der Essener Gesundheitskonferenz gestartet. Inzwischen sind Seniorenreferat und Seniorenbeirat für das Projekt verantwortlich.
Es hat in den vergangenen zehn Jahren schon diverse Auszeichnungen gegeben, darunter 2014 den RWE-Klimaschutzpreis, 2015 als eines von zwölf beispielhaften Projekten der Landesinitiative Gesundes Land NRW und 2021 den AOK-Förderpreis „Gesunde Nachbarschaften“.
Zum zehnjährigen Bestehen der Spaziergruppen übermittelten Bürgermeisterin Julia Jacob und Sozialdezernten Peter Renzel Grußworte der Stadt. Renzel sieht das Projekt als wichtigen Schritt zum Seniorenförderplan, aus dem inzwischen auch die Zentren 60 plus als Anlaufstellen für Senioren entstanden seien. „Und manchmal sehen die Senioren unterwegs Dinge, die verändert werden müssen, wie ein fehlendes Geländer. Das melde ich dann“, sieht sich Gerd Maschun, stellvertretender Vorsitzender des Seniorenbeirats, als Mittler zwischen Bürgern und Verwaltung.
Zur Feier des Tages erinnerte Ingeborg Schrader, damalige Vorsitzende des Seniorenbeirats und treibende Kraft des Projekts, an die Suche nach einem passenden Namen: „Gehen Sie mit ihrem Hund spazieren, auch wenn Sie keinen haben“ sei im Gespräch gewesen. „Die Entscheidung fiel am Ende für ,Willst du mit mir geh’n?’ nach einem tiefsinnigen Lied von Daliah Lavi“, freut sich Schlagerfan Ingeborg Schrader. Und wer die Strecken nachwandern will: Die schönsten Spaziergänge sind zum Jahr der Grünen Hauptstadt 2017 als Broschüre veröffentlicht worden.