Warum es so schwer ist, gegen Polizisten zu ermitteln, erzählt Camilla Gerstners Stück „Der Einzelfall der Stephanie K.“ im Theater Freudenhaus.
Camilla Gerstner ist an politischem Theater interessiert. Da ist sie am Theater Freudenhaus genau an der richtigen Adresse. Neben den beliebten Komödienstoffen stellt sich die Steeler Bühne seit zwei Jahren neu auf mit lokal verorteten Stücken („Stillstand“) und positioniert sich gegen rechte Gewalt („Kriegerin“).
„Es ist sehr spannend an dieser Entwicklung beteiligt zu sein“, sagt die Regie-Studierende Camilla Gerstner, die im Rahmen der Kooperation mit der Folkwang Universität ein eigenes Stück schreiben und inszenieren konnte: „Der Einzelfall der Stephanie K.“ hat am Donnerstag Premiere.
Inspiriert wurde sie von realen Fällen wie dem rechten Chatnetzwerk von Essener und Mülheimer Polizisten und Polizistinnen, das 2020 aufgedeckt wurde, oder dem unverhältnismäßigen Einsatz von Polizeigewalt. Camilla Gerstner ist der Frage nachgegangen, „was die Ermittlungsarbeit gegen Polizisten so schwierig macht“. Die Studierende im Abschlussjahr hat in ihrer Recherche unter anderem mit ehemaligen Polizisten, sowie mit einem Anwalt und einer Polizeiforscherin der Ruhr Universität gesprochen. „Ich finde es absurd, dass in diesem Zusammenhang oft von Einzelfällen die Rede ist. Es ist ein strukturell bedingtes Problem“, so Gerstner.
Fiktion trifft auf Fakten in ihrem Stück. Im Fokus steht eine suspendierte Polizistin. Sie ist ganz in Grau gekleidet und will doch Aufmerksamkeit erregen. Sie will ihr Geheimnis loswerden, ihren Namen reinwaschen. Stephanie K. trifft sich mit einem jungen, aufstrebenden Journalisten in dessen Wohnzimmer. Sie war Mitwisserin einer rechten Chatgruppe und hat lange geschwiegen. Nun will sie auspacken. Und natürlich fällt auch der vielzitierte Satz des Essener Polizeipräsidenten Frank Richter: „Wer Dienstgeheimnisse verrät und/oder rechtes Gedankengut verbreitet, hat in der Polizei nichts zu suchen.“
Bereits in ihrer Abschlussarbeit und damit in ihrem ersten Stück hat sie ein reales Problem aufgegriffen. In „Die verlorene Ehre des ( . . )“ geht es um sexualisierte Gewalt. Vorbild sind für sie Regisseure wie Volker Lösch, der regelmäßig am Schauspiel Essen arbeitet. Hart an der Wirklichkeit und am Publikum zeigt er mit Betroffenen und Ensemblemitgliedern soziale Ungerechtigkeiten und Zukunftsfragen auf. Derzeit sorgt er mit „AufRuhr!“ für Aufsehen. Auch Simon Solberg nennt sie, der am Theater Bonn ein Projekt zum Geheimdienst BND umsetzte.
Hart an der Realität arbeitendeRegisseure sind Vorbilder
„Die beiden haben mir gezeigt, dass man die Realität auf die Bühne holen kann“, erklärt Camilla Gerstner. Und genau so möchte sie nach ihrem Studium weitermachen. „Ich würde mich gerne noch beim Schreiben von Stücken ausprobieren und mit politischem Theater und dokumentarischen Formen beschäftigen“, sagt sie. Und wenn sie zum Nachdenken anregen könnte, wäre das nicht nur mit dem aktuellen Stück ganz in ihrem Sinne.