Essen. Die Folgen des Ukraine-Kriegs könnten nicht nur internationale Konzerne treffen, sondern auch den Mittelstand – wie ein Beispiel aus Essen zeigt.

Der Essener Klebstoffhersteller CPH schaut mit großer Sorge auf die aktuelle Zuspitzung des Russland-Ukraine-Konflikts. Noch laufen die Geschäfte des Unternehmens mit Russland uneingeschränkt weiter. Doch das könnte sich ändern, „wenn es generelle Exportbeschränkungen gibt“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Gerwin Schüttpelz.

Der Ukraine-Krieg und seine Folgen könnten, wie das Beispiel zeigt, nicht nur große international aufgestellte Konzerne treffen, sondern auch viele mittelständische Unternehmen in Essen. Die Industrie- und Handelskammer schätzt, dass fast 200 Firmen aus Essen, Mülheim und Oberhausen Exportbeziehungen nach Russland unterhalten.

CPH macht nach eigenen Angaben in Russland etwa ein Viertel seines Umsatzes. „Wir sind Marktführer dort“, sagt Schüttpelz. Außerdem hat CPH seit 22 Jahren einen eigenen Fertigungsstandort in dem Land. Am Rande von Moskau stellt CPH mit 25 Mitarbeitern Klebstoffe her, die unter anderem für Verpackungen in der Lebensmittelindustrie gebraucht werden. Den größten Teil der Produkte, die CPH nach Russland liefert, kommen jedoch aus dem Essener Werk. Jede Woche verlassen mehrere Lkw die Fabrik in Dellwig gen Osten.

Essener Klebstoffproduzent hofft, dass ihn die Boykotte nicht treffen

Schüttpelz hofft, dass die vom Westen angekündigten Boykotte sein Unternehmen nicht treffen werden. Bislang geht man davon aus, dass Europa und die USA vor allem die Lieferung von Hightech-Produkten nach Russland stoppen werden, um die Wirtschaft – vor allem die Militärwirtschaft – wirksam zu treffen. „Unser Klebstoff ist in dem politischen Kontext eher ein lächerliches Produkt, auf das man hoffentlich nicht zugreift“, sagt Schüttpelz.

Am frühen Donnerstagmorgen hatte die russische Armee damit begonnen, die Ukraine militärisch anzugreifen. Für den Essener Unternehmer, der einige Jahre selbst in Russland gelebt hat, kam der Schritt nicht überraschend. „Damit hatte ich zu hundert Prozent gerechnet. Die Frage ist aber nun, wie weit Putin gen Westen vordringt. Dann könnte es richtig heiß werden.“

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Schüttpelz verfolgt die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine mit gemischten Gefühlen. „Ich bin in der Nachkriegszeit, 1949, geboren und für mich ist es unvorstellbar, was dort jetzt passiert“, meint er. Putins Einmarsch in die Ukraine sei völlig unverständlich.

Essener Unternehmer: Die Boykottankündigungen sind verlogen

Gleichzeitig kritisiert er die Rolle des Westens. Die bisherigen Boykott-Ansagen hält Schüttpelz für „verlogen“ und in weiten Teilen für reinen Aktionismus. Über Ankündigungen beispielsweise, russisches Kapital in Europa einzufrieren, „lachen die Russen doch nur“. Kommen wie angekündigt härtere Sanktionen, schlagen zwei Herzen in der Brust des Unternehmers. Ein Stillschweigen in dem Konflikt könne es nicht geben, andererseits würden scharfe Boykotte „sofort uns und auch die russische Bevölkerung treffen“.

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Für den Fall, dass Exporte von Deutschland nach Russland nicht mehr möglich sind, hat Gerwin Schüttpelz bereits einen Plan B in der Schublade, wie er sagt. Was dieser beinhaltet, darüber möchte der Unternehmer momentan allerdings keine Details verraten.