Essen. Der Klebstoffhersteller CPH steckt im Generationenwechsel. Gründer Gerwin Schüttpelz und Sohn Andreas berichten, wie der Übergang beide fordert.

In dieser Woche hat Gerwin Schüttpelz etwas für ihn völlig Verrücktes getan. Zum ersten Mal in über 40 Jahren Unternehmertum hat er sich an einem Arbeitstag morgens keinen Wecker gestellt. Wach war er trotzdem wie an jedem Tag um 5.30 Uhr. „Doch dann habe ich mich bewusst nochmal rumgedreht, bis 7 Uhr geschlafen und in Ruhe gefrühstückt.“ Erst dann ist er nach Dellwig in die Firma gefahren.

Für den 70-jährigen Gerwin Schüttpelz gehört das „Nicht-Wecker-Stellen“ zu einer Art Training, als Unternehmer langsam loszulassen. „Das ist ein Prozess, an dem ich aktiv arbeiten muss“, sagt er und man ahnt, wie schwer ihm das fällt. Vor 45 Jahren hat er sein Unternehmen CPH gegründet und es in dieser Zeit zu einem international operierenden Klebstoff-Hersteller entwickelt. CPH ist heute weltweit Marktführer bei Etikettenklebern. 80 Mitarbeiter stehen bei Gerwin Schüttpelz in Lohn und Brot.

Er selbst will nicht an seinem Stuhl kleben. Vor etwa einem Jahr ist deshalb sein Sohn Andreas in die Firma eingestiegen und kümmert sich zur Zeit um das Afrika-Geschäft. Das Unternehmen wird also in Familienhand bleiben. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Nach einer KfW-Studie planen bis zum Jahr 2022 rund 511.000 Inhaber von kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland eine Unternehmensnachfolge, das sind 13,7 Prozent der Unternehmen. Mehr als die Hälfte der Inhaber wollen ihre Firma möglichst innerhalb der eigenen Familie weitergeben. Doch das gelingt in nur wenigen Fällen. Nur etwa jedes zehnte Unternehmen wird tatsächlich von der nächsten Generation übernommen, so die Erfahrungen aus der jüngeren Vergangenheit.

Unternehmer müssen loslassen können

Warum dies häufig scheitert, liegt auch am Inhaber selbst. Soziologen sprechen vom Alpha-Syndrom, wenn der Senior nicht bereit ist, sich zurückzuziehen. Davor ist auch Andreas Schüttpelz bange. Offen sagt der 27-Jährige: „Ich bin nicht gekommen, um mir von meinem Vater bis ans Lebensende sagen zu lassen, was ich tun soll. Ich kenne solche Gruselgeschichten aus anderen Familien.“

Zur Zeit sitzen Vater und Sohn Schüttpelz noch zusammen in einem Büro. Das klappt gut, sagen beide, auch wenn es einzelne Tage gebe, wo sie wenig miteinander sprechen. Für Gerwin Schüttpelz gehört das gemeinsame Büro zur Ausbildung dazu, seinen Sohn ins Unternehmen einzuarbeiten. „Ich bin wirklich erstaunt, wie schnell Andreas reingefunden hat“, betont er. Aus dem Lob lässt sich auch ein wenig Skepsis herauslesen, die bei ihm anfangs offenbar mitschwang.

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Schließlich steht noch nicht lange fest, dass sein Sohn einmal sein Nachfolger werden wird. Andreas Schüttpelz musste – wie viele Kinder von erfolgreichen Unternehmern auch – erst einmal überlegen, ob sie in diese Rolle schlüpfen wollen. Mit aller Verantwortung und mit allem Risiko. „Ich hatte Angst, ob ich dieser Rolle gerecht werden würde“, räumt Andreas Schüttpelz ein, der sich früher in der Schule schwer tat, der Leistungserwartung seines Vaters gerecht zu werden. Erst im Laufe seines BWL-Studiums in Rotterdam und der anschließenden Arbeit bei einer Unternehmensberatung sei sein Selbstvertrauen gereift.

CPH-Chef stellte seine Kinder vor die Wahl

Erst vor zehn Jahren, als er 60 wurde, hat sich Gerwin Schüttpelz das erste Mal gefragt, wie er seine Nachfolge regeln will. „Bis dahin hatte ich kein Ende gesehen, dafür war ich noch zu sehr im Geschirr“, sagt er. Es sei aber nie seine Erwartung gewesen, dass seine Kinder das Unternehmen fortführen sollen. Neben Sohn Andreas hat Schüttpelz noch eine ältere Tochter. Doch nachdem der Versuch vor einigen Jahren gescheitert war, einen externen Manager als Nachfolger in der Geschäftsführung zu etablieren, lud er seine Kinder an einem Wochenende auf den Petersberg nach Bonn ein.

Dort legte er zusammen mit einem Berater die Karten auf den Tisch, zeigte wie das Unternehmen da steht und stellte dann die entscheidende Frage: Ob sich einer der beiden vorstellen könne, das Unternehmen weiterzuführen. Seine Tochter habe energisch abgelehnt. Sein Sohn aber antwortete: „Ich kann es mir vorstellen, aber nicht sofort. Vielleicht in vier oder fünf Jahren.“ An den anschließenden Abend kann sich Gerwin Schüttpelz noch gut erinnern. Als er mit seinem Sohn vom Petersberg über das Rheintal blickte, wurde er fast etwas pathetisch: „So einen Weitblick musst du als Unternehmer haben.“

Ende 2020 soll mit der operativen Führung Schluss sein

Ahnte Andreas Schüttpelz damals, was auf ihn zukommen würde? Schließlich wuchs er nach der Trennung der Eltern bei seiner Mutter auf. Er erlebte somit gar nicht, wie der Vater Tag für Tag morgens zeitig ins Büro aufbrach und abends spät nach Hause kam oder gar tage- oder wochenlang auf Dienstreise durch die halbe Welt jettete. Auf die Frage, ob er auch er bereit ist, dieses Opfer zu bringen und sein Privatleben hinten an zustellen, schaut er fast erstaunt auf. „Ich sehe das nicht als Opfer. Wenn man Unternehmer ist, dann macht man das freiwillig.“

Gerwin Schüttpelz ist erleichtert, dass die Nachfolge für sein Lebenswerk gesichert ist. Ein Verkauf wäre für ihn undenkbar gewesen. Angebote dafür habe es genügend gegeben. „Aber man hat doch sein ganzes Leben gegen die Konkurrenz gearbeitet.“

Ende 2020 will er sich aus dem operativen Geschäft bei CPH ganz herausziehen und dann nur noch in einzelnen Projekten mitarbeiten. Bis dahin wird er sein Training wohl fortsetzen und noch an anderen Tagen den Wecker mal auslassen.