Essen. Weil sie Brandschutzmängel haben, müssen 57 Essener Schulen neue Rettungswege einrichten. Jetzt müssen Servicekräfte als lebende Brandmelder ran.
Auf den Fluren von elf Essener Schulen sind derzeit neue Fachkräfte im Einsatz: Mitarbeiter der städtischen Servicegesellschaft RGE übernehmen dort den Brandschutz. Die ungewöhnliche Maßnahme sei notwendig geworden, weil die Feuerwehr bei den betroffenen Schulgebäuden Brandschutzmängel festgestellt habe, heißt es im Schulamt. Bis die Mängel behoben sind, setzt die Stadt auf die menschlichen Brandmelder. Insgesamt müssen 57 Essener Schulen millionenschwer nachgerüstet werden.
Servicekräfte sitzen in Essens Schulen und arbeiten als Brandmelder
„Bei der Brandverhütungsschau Anfang Februar mit Vertretern von Feuerwehr und Stadt ist aufgefallen, dass einige Räume nur an ein Treppenhaus angebunden sind und es keinen zweiten Fluchtweg gibt“, erklärt zum Beispiel Thorsten Korthaus, der Direktor des Maria-Wächtler-Gymnasiums in Rüttenscheid. Nach dem Ortstermin am 4. Februar habe die Stadt schnell gehandelt und vier RGE-Mitarbeiter geschickt, die nun in Warnwesten auf den Schulfluren sitzen und regelmäßige Rundgänge machen. „Die beobachten, ob es eine Rauchentwicklung gibt oder sie Brandgeruch wahrnehmen.“
Man könnte womöglich auf die Idee kommen, es handle sich um eine Strafmaßnahme gegen renitente Schüler, die den Klassenraum verlassen mussten. Doch solchen Missverständnissen hat die Schule vorgebeugt: Die Schüler und Schülerinnen habe man gleich mit dem Dienstantritt der neuen Servicekräfte per Durchsage über deren Auftrag informiert. Dass mancher Jugendliche den Einsatz vielleicht kurios finde, kümmert Korthaus weniger. „Ich möchte nicht in der Verantwortung stehen, wenn hier bei einem Notfall nicht alle Schüler gerettet werden können.“
An den Schulgebäuden müssen neue Außentreppen angebracht werden
Im Übrigen sei die Aktion, die inzwischen seit einer Woche laufe, ja zeitlich begrenzt: Am Freitag (11. 2.) – also eine Woche nach der Brandschau – sei schon ein Gerüstbauer dagewesen, um eine Ad-Hoc-Lösung zu finden, sagt Korthaus. Dabei dürfte es sich um eine Außentreppe handeln, wie sie in diesen Tagen auch am benachbarten Helmholtz-Gymnasium installiert wird. Denn auch dort sitzen seit Anfang des neuen Halbjahres die menschlichen Brandmelder auf den Fluren; ein Foto zeigt zwei der Servicekräfte, die sich mit dem Smartphone die Zeit verkürzen. „Uns fehlte ein zweiter Rettungsweg“, erklärt Helmholtz-Direktorin Nadine Lietzke-Schwerm. „Darum wird nun eine Treppe außen ans Gebäude gesetzt.“
Alle sechs Jahre müsse an den Schulen eine Brandschau durchgeführt werden, erklärt der Sprecher der Essener Feuerwehr, Mike Filzen. Dabei werde auch geprüft, ob es neben dem Treppenhaus einen zweiten Rettungsweg gibt. In der Regel bringe die Feuerwehr diesen Rettungsweg selbst mit: in Form von tragbarer Leiter oder Drehleiter. „Aber wir können nicht 200 Schüler über eine Drehleiter nach draußen holen.“ Man benötige 15 bis 30 Minuten, um 30 Personen in Sicherheit zu bringen – das wäre gerade mal eine Schulklasse.
Neue Regelungen verschärfen den Brandschutz
Warum dies in der Vergangenheit offenbar kein Problem darstellte, erklärt Filzen mit einer gewachsenen Sensibilität beim Thema Brandschutz. „Wenn es einen neuen Passus in den Vorschriften gibt, müssen wir darauf natürlich reagieren.“ Aktuell schreibt der Gesetzgeber vor, dass es ab 30 Personen pro Nutzungseinheit einen zweiten, zum Gebäude gehörenden Rettungsweg geben muss. Ein Klassenraum sei so eine Nutzungseinheit, sagt Filzen.
Die betroffenen Schulen müssten also baulich entweder so umgestaltet werden, dass es innen einen Zugang zu einem zweiten Rettungsweg gebe. Oder sie installierten am Gebäude eine solide Außentreppe aus Stahl. Weil das schon mal ein Jahr lang dauern könne, werde in der Regel zunächst eine provisorische Gerüsttreppe angebracht. Die steht zwar schon nach ein paar Wochen, doch bis dahin müssen eben die menschlichen Melder ran.
Baumaßnahmen sollen knapp 13 Millionen Euro kosten
Aktuell seien an neun Standorten jeweils zwei der Brandmelder im Einsatz, an weiteren zwei Schulen seien je vier Kräfte eingesetzt, sagt eine Sprecherin der Stadt. Der zweite Rettungsweg werde nach einer Gesetzesänderung seit Anfang 2019 von der Feuerwehr angemahnt. Seit August 2020 arbeite man mit den Brandwachen, um zu verhindern, dass Schulklassen verkleinert oder Klassenräume vorübergehend geschlossen werden müssen. Denn wegen der strengen Abstandsregeln in der Corona-Pandemie könne man sich nicht erlauben, Schulräume ungenutzt zu lassen, bestätigt das Schulamt.
An 47 der insgesamt betroffenen 57 Schulen müsse man außen Stahltreppen anbringen, „die sukzessive in den nächsten Jahren errichtet werden“, sagt die Stadtsprecherin. An den anderen zehn Schulen baue man im Gebäude um. Man rechne insgesamt mit Kosten von knapp 13 Millionen Euro für die Baumaßnahmen.