Essen. Seit 2022 sind bestimmte Tattoo-Pigmente verboten. Die Kunden sind verunsichert. Ein Essener erklärt, warum farbige Bilder trotzdem möglich sind.
Seit Jahresbeginn gilt eine neue EU-Richtlinie, nach der viele der bisher verwendeten Tattoo-Farben nicht mehr verwendet werden dürfen. Die Kundinnen und Kunden sind verunsichert, glauben, dass farbige Tätowierungen jetzt nicht mehr möglich sind – und bleiben dem Tattoo-Studio fern. Diese Erfahrung macht zum Beispiel Erik Puzig vom Tattoo-Studio „Lebenslänglich“ im Essener Nordviertel. Falsche Kommunikation kann die gesamte Branche zerstören, findet er und will aufklären.
Die Zeiten seien sowieso gerade sehr schwierig: Erst habe er sein Studio an der Bersonstraße 225 Tage wegen Corona schließen müssen. Jetzt kämen deutlich weniger Kunden als zuvor, weil sich immer noch das Gerücht halte, man könne sich keine farbigen Tattoos stechen lassen. Puzig spricht von 60 Prozent Umsatzverlust. „Der Januar war katastrophal, ich hoffe, der Februar wird besser.“ Einen Mitarbeiter habe er schon entlassen müssen.
„Dass bestimmte Pigmente verboten werden, war ja schon seit 2020 bekannt, die Hersteller hatten also genug Vorlauf, sich darauf einzustellen und Farben in neuer Zusammensetzung zu produzieren“, sagt der Inhaber des Studios, der selbst nicht zur Nadel greift, aber mit rund 80 Tattoo-Künstlerinnen und -Künstlern aus aller Welt in seinem gut 1000 Quadratmeter großen Studio zusammenarbeitet.
Essener Tätowierer beklagen massive Umsatzeinbußen
Deshalb gebe es sehr wohl Farben, die den neuen EU-Richtlinien, also der sogenannten REACH-Verordnung, entsprächen. Die neuen Farben seien getestet und zertifiziert. Vom Verbot betroffen seien speziell grüne und blaue Pigmente, die allerdings auch zum Mischen anderer Farben benötigt würden.
Kunden, die zum Ende des vergangenen Jahres noch schnell einen Termin für ein farbiges Tattoo machen wollten, habe er beruhigen können, habe er beruhigt: „Lasst euch Zeit, das geht auch im neuen Jahr.“ Einem Fernsehteam, das in seinem Studio einen Beitrag drehen wollte, wie Kunden hektisch noch Termine im alten Jahr buchen wollten, um ihre farbigen Körperbilder noch fertig zu bekommen, habe er abgesagt. „Damit schadet man sich doch nur selbst und der ganzen Branche.“
In den Tattoo-Studios ist viel Aufklärungsarbeit erforderlich
Erik Puzig und sein Team müssen viel Aufklärungsarbeit am Telefon und in den sozialen Medien leisten: „Wir bekommen unendlich viele Anfragen zu dem Thema.“ Die Kunden seien total verunsichert, hätten gehört oder gelesen, dass 65 Prozent der Farben wegfallen würden. „Tatsächlich sind es null Prozent“. Allerdings seien die neuen Farben doppelt bis dreimal so teuer wie die alten. Das liege auch an der derzeitigen weltweiten Rohstoffknappheit.
Die neue Richtlinie gilt auch für Permanent Make-up
Die neue EU-Richtlinie gilt auch für Permanent Make-up. Darunter versteht man kosmetische Tätowierungen wie mehrjährig haltbare künstliche Lidstriche oder Lippenkonturen.
Die REACH-Verordnung ist eine EU-Chemikalienverordnung. Seitens der Europäische Chemikalienagentur (ECHA) heißt es dazu: „Zum Schutz der Menschen in Europa werden Tausende gefährlicher Chemikalien, die in Tätowierfarben und Permanent Make-up enthalten sind, ab Januar 2022 in der EU Beschränkungen durch die REACH-Verordnung unterliegen.“
„Das wird sich aber einpendeln“, hofft Puzig, der die höheren Kosten derzeit noch nicht weitergeben will – aus Angst, noch mehr Kunden zu verlieren. „Ein Tattoo ist ein Luxusartikel, den man nicht unbedingt zum Leben braucht. Da spart man dann schon mal, wenn das Geld knapp wird.“ Durch die Corona-Krise hätten viele Menschen sowieso weniger Geld zur Verfügung. „Aktuell verdienen wir zwar weniger an den Tattoos, können aber wenigstens die Kunden halten.“
„Wir können derzeit wie gewohnt arbeiten, auch früher bereits angefangene Tattoos können fertiggestochen werden. Da sieht man keinen Unterschied, und Einblenden ist sowieso erforderlich, wenn man an älteren Tattoos weiterarbeitet“, so Puzig. Er befürchtet, dass durch die neue Verordnung „die Branche teils wieder in den Untergrund gedrängt wird“ und die Restbestände der jetzt verbotenen Farben womöglich in privaten Sitzungen irgendwo in Wohnungen oder Hinterzimmern aufgebraucht würden.
Besonders Frauen mögen farbige Herzen und Rosen
Schwere Zeiten erlebt auch Michael van der Meer vom Tattoo-Studio „Hast n’Stich“ in Heisingen. „Die Kunden sind extrem irritiert, wir haben große Umsatzeinbußen, weil wir gerade nur schwarz und grau tätowieren können und gerade viele Frauen gern farbige Rosen oder Herzen haben wollen“, sagt er.
Es gebe zwar die neuen Farben, die der EU-Richtlinie entsprächen, aber eben auch Wartelisten. „Bei mir sind noch keine neuen Farben angekommen. Zudem sind sie deutlich teurer, so dass ich die Preise anheben müsste.“ Die Lage sei wegen Corona sowieso sehr angespannt, auch die November-/Dezember-Hilfen seien bei ihm nicht angekommen. Und dann habe er auch noch den alten Standort an der Kupferdreher Straße verlassen und zur Bahnhofstraße in Heisingen ziehen müssen, weil das Haus in Kupferdreh abgerissen werden solle.