Essen. Muntere Diskussion um die Zukunft des alten Leucht-Schriftzugs „Essen die Einkaufsstadt“. Ein Instagram-Portal spielt eine besondere Rolle.

Soll „Essen – Die Einkaufsstadt“ weg? Die Diskussion um die Zukunft der traditionsreichen Leuchtschrift auf dem Dach des Hotels Handelshof am Eingang der Essener Innenstadt zieht jetzt weite Kreise. Viele Bürgerinnen und Bürger machen Vorschläge, nicht alle sind ernst gemeint. Eine junge Plattform im Online-Netzwerk „Instagram“ spielt dabei eine besondere Rolle.

Ende Februar sollen offizielle Alternativen zum Wort „Einkaufsstadt“ vorgestellt werden

Weil die Leuchtschrift mal wieder kostspielig saniert werden muss, war Anfang Februar erstmals laut darüber debattiert worden, ob der Slogan „Die Einkaufsstadt“ noch zeitgemäß ist. Im Rathaus wird bereits an Alternativen gearbeitet, die erstmals Ende Februar bei der nächsten Sitzung des Stadtrates vorgestellt werden sollen.

Verfall: Auf der Limbecker Straße in Essens Innenstadt stehen sehr viele Geschäfte leer.
Verfall: Auf der Limbecker Straße in Essens Innenstadt stehen sehr viele Geschäfte leer. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Unterdessen machen viele Bürgerinnen und Bürger Vorschläge: Gut gemeinte Ideen lauten „Essen – Im Herzen des Ruhrgebiets“ oder: „Die Perle des Ruhrgebiets“. Im Netzwerk Facebook zitiert ein Nutzer den Humoristen Jürgen von der Lippe: „Marmor, Luxus, Strand, Zypressen - vergisset, Kerl, du bis’ in Essen“. Abgesehen von vielen hämischen Kommentaren, die den offenkundigen Verfall der Innenstadt bemängeln oder sich über das City-Publikum lustig machen, zeugen einige Vorschläge durchaus von rustikalem Lokalpatriotismus: „Essen – nicht schön, aber geil“, „Essen – die Pottperle“, und regelmäßig tauchen Verweise auf zu den Titeln, die die Stadt bereits trug: Essen war Kultur- und grüne Hauptstadt Europas – oder ist sie es immer noch? „Hier ist Kultur“, schlägt jemand vor; „Kultur- und Vielfaltsstadt“ schreibt ein anderer Nutzer. Mehrere hundert Vorschläge sind bei Facebook binnen zweier Tage notiert worden.

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Mehrere tausend Stimmen für Spaßvorschlag „Essen diese“

Noch viel reger geht es noch in einem Portal des Netzwerks „Instagram“ zu: Die humoristische Plattform „Essen diese“ sahnt derzeit die meisten Stimmen ab. Bereits mehrere Tausend vor allem junge Leute sind spaßeshalber dafür, aus „Essen – die Einkaufsstadt“ die Leuchtschrift „Essen diese“ zu machen.

Immer wieder kaputt: Von der Einkaufsstadt zur Inkastadt

„Essen die Einkaufsstadt“ leuchtet seit 1950 vom Dach des Hotels Handelshof. Im Jahr 1938, heißt es, habe die örtliche Werbegemeinschaft den Werbe-Slogan ersonnen.

An der Leuchtschrift fallen immer wieder Buchstaben aus. Die Pannen häuften sich in den letzten Jahren. Eine Auswahl:

2012: ESSEN DIE E______SSTADT

2015: ESSEN ___ _INKA__SSTADT

2016: ESSEN DIE EIN__UFSSTA__

2021: ESSEN ___ _INKAUFSSTADT

Die Stadtverwaltung bewies bei der letzten Überarbeitung ihres Internetauftritts Selbstironie – wer eine Seite anwählt, die es nicht mehr gibt oder aus anderen Gründen nicht aufrufbar ist, der sieht: „ESSEN DIE _INKA___STADT“ - huch, hier fehlt doch was! Fehler 404“

„Essen diese“ ist von dem Essener Robin (25, seinen Nachnamen möchte er nicht nennen) im Sommer 2019 ins Leben gerufen worden. Der wirr klingende Titel spielt an auf falsche Jugendsprache, die in manchen Straßen verbreitet ist und macht sich lustig über Leute, die hinter alle möglichen Substantive, Namen oder auch Adjektive das Wort „diese“ setzen: „Interessant, diese“ oder „Gute Idee, diese“.

Wie auch immer: „Essen diese“ macht sich seit anderthalb Jahren sehr erfolgreich über Essen-Klischees lustig und hat mittlerweile rund 30.000 Abonnenten. Es werden Witze über die Unterschiede zwischen Nord und Süd gemacht – Beispiel: „Nimm 2 in Bredeney“, steht über einem Bild geschrieben, man sieht ein Bild des berühmten Kinder-Bonbons. Dann das nächste Bild: „Nimm 2 in Altendorf“, man sieht zwei Tütchen mit Haschisch.

Nicht ernst gemeinter Vorschlag, aber sehr populär: „Essen diese“ klingt wie Kauderwelsch, ist aber der Name eines sehr erfolgreichen Instagram-Accounts, der sich über Essen-Klischees lustig macht.
Nicht ernst gemeinter Vorschlag, aber sehr populär: „Essen diese“ klingt wie Kauderwelsch, ist aber der Name eines sehr erfolgreichen Instagram-Accounts, der sich über Essen-Klischees lustig macht. © Essen diese | Essen diese

Betreiber Robin, der selbst aus Vogelheim stammt und mittlerweile zwischen Bredeney und Rüttenscheid wohnt, sagt: „Dass unser nicht ernst gemeinter Vorschlag, ,Essen diese’ über den Handelshof zu schreiben, so viel Anklang findet, hätten wir nicht gedacht.“ Robin, der „Essen diese“ privat mit zwei Freunden betreibt, ist trotz des Erfolgs seiner Plattform über das jüngste Echo erstaunt. Mitarbeiter aus dem Rathaus posten spaßeshalber Fotos von behördlichen Umlaufmappen, auf denen „Essen diese“ steht. Längst gibt es am Computer bearbeitete Bilder mit „Essen diese“ auf dem Handelshof-Dach. Und selbst der Oberbürgermeister, berichtet Robin, habe sich gemeldet „und will über den Vorschlag nachdenken“ – aber eher augenzwinkernd. Immerhin: Selbst im offiziellen Instagram-Portal der Stadt Essen ist die Meinung eindeutig. Dort wurde abgestimmt, und 7.000 Nutzer waren für „Essen diese“. Alles, wie gesagt, nicht ganz ernst gemeint.

Lesen Sie hier: Aktuelle Serie zum Wandel der Innenstadt Essen

Lesen Sie hier – pro Tradition: Warum „Essen die Einkaufsstadt“ bleiben muss
Lesen Sie hier – contra Tradition: Warum „Essen die Einkaufsstadt“ verschwinden sollte