Essen. Weil Corona das Messe-Geschäft über Monate lahm legte, griff Oliver P. Kuhrt zu einem Novum: Er sparte ein Viertel seines Salärs bei sich selbst.
Wenn die Mülltonne vor der Haustür mal überfüllt stehen bleibt, wenn bei Schnee und Eis der Fahrplan der Ruhrbahn ins Rutschen kommt – dann kürzt der Stammtisch beim dritten Bier gern mit großer Geste das Gehalt der zuständigen Manager „da oben“. Nicht beobachtet wurde bislang hingegen, dass der Geschäftsführer eines städtischen Unternehmens jemals bei sich selbst den Rotstift angesetzt hätte, insofern ist von einer Premiere zu berichten: Messe-Chef Oliver P. Kuhrt hat 2020 auf seine erfolgsbezogenen Tantiemen verzichtet – geschätzt gut 90.000 Euro.
Offenbar wurde dies jetzt im Beteiligungsbericht der Stadt, der Jahr für Jahr das Vorstands- und Geschäftsführer-Salär bei städtischen Tochterfirmen offenbart – weniger, um stadtweite Neid-Debatten auszulösen, als vielmehr, um für Transparenz in einem Bereich zu sorgen, der lange Zeit gezielt unter Verschluss gehalten worden war.
Was nützen ausgehandelte Erfolgs-Kriterien, wenn einem ein Virus in die Quere kommt?
Längst ist die alljährliche Veröffentlichung geübte Praxis, und wer sich die Mühe macht, die 2020er Zahlen mit denen des Vorjahres zu vergleichen, der registriert bei den zwei Dutzend Essener Spitzenkräften, dass die Gehälter – wenn auch in bescheidenem Ausmaß – nicht zwingend nur den Weg nach oben, sondern angelegentlich auch nach unten kennen. Für Gerhard Grabenkamp, den städtischen Finanzchef, „ein Zeichen dafür, dass unser Verfahren funktioniert“, die Bezüge zu einem gewissen Anteil auch vom Unternehmenserfolg abhängig zu machen.
Aber was nützen die mit den jeweiligen Aufsichtsräten oder der Gesellschaftsversammlung mühsam ausgehandelte Erfolgs-Kriterien, wenn einem ein Virus in die Quere kommt? Corona jedenfalls hat auch die Arbeit bei den Stadt-Töchtern massiv beeinflusst, aber eben nicht durch die Bank: Bei der Immobilien- oder der Energie-Wirtschaft ging das Geschäft kaum beeinflusst weiter, während das Theater den Vorhang zuzog, Bus und Bahn massive Fahrgastverluste registrierten und die Messe über Monate hinweg gezwungen war, eine Veranstaltung nach der anderen abzusagen.
Kurzarbeit von Theater und Reinigungs-GmbH bis zu den Sport- und Bäderbetrieben
Die Folge war Kurzarbeit in den verschiedensten Bereichen, von der Messe bis zur Reinigungsgesellschaft, vom Theater bis selbst zu den städtischen Sport- und Bäderbetrieben, die als sogenannte „eigenbetriebsähnliche Einrichtung“ der Stadt im Beteiligungsbericht auftauchen.
Der Umsatz der Messe sank so um die Hälfte auf 24,3 Millionen Euro, nicht sehr weit darunter lag der Jahresfehlbetrag – da hätte ein ungekürztes Chefgehalt arg daneben gewirkt, wiewohl ja weder für das Ausstellungs-Team von der Norbertstraße noch für irgendeine andere Stadt-Beteiligung die Erfolgs-Kriterien veröffentlicht werden. Wer in der Manager-Liste der Bezüge also Federn ließ, muss nicht zwingend schlecht(er) gewirtschaftet haben, sondern sieht sich womöglich nur besonders ehrgeizigen Anforderungen „seines“ Aufsichtsrates gegenüber.
Auch ohne die Erfolgstantieme zählt der Messechef noch zu den Spitzenverdienern
Fest steht dagegen: Sammeln gehen muss für den Messe-Chef niemand. Im Kreis der Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen (von letzteren gibt es gerade mal zwei) zählt Oliver P. Kuhrt mit fixen Bezügen von 308.000 Euro auch ohne die Erfolgstantieme noch zu den Spitzenverdienern. Aber nur kein Neid: Wo heute ein Messe-Chef die Verantwortung trägt, gab es früher zwei.